Im Auge des Janus - Teil 4

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„Sherlock, laufen Sie!", schrie ich und stürzte mich auf Richard. Ich umschlang ihn von hinten, umklammerte seine Arme, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte und legte den rechten Arm um seinen schönen, schlanken Hals.
Richard, der darauf eingestellt war und meinen Angriff geschickt abfederte (wir hatten das ein paar Mal geübt), hielt stand und lachte nur amüsiert.
„Wenn...", sagte ich keuchend, „wenn Ihr Scharfschütze abdrückt, Mr. Moriarty, fliegen wir beide in die Luft!"
„Ist er nicht süß?", ächzte Richard. „Ein süßes Haustier und dennoch so bissig, der kleine Schoßhund. Dumm nur, dass die Leute immer so sentimental werden, wenn es um ihre Haustiere geht ..."

Wie erwartet machte Sherlock keinerlei Anstalten, davon zu laufen. Er ließ „seinen" John Watson nicht im Stich.
Der rote Laserpunkt, der bis eben auf mir geruht hatte, glitt hinüber auf Sherlocks Stirn. Mary hatte blitzschnell ihre Position gewechselt.
„Na, Johnnyboy", lachte Richard, „da haben Sie wohl einen Trumpf aus der Hand gegeben."
Sherlock sah mich an und schüttelte fast unmerklich den Kopf.
Ich stieß einen verärgerten Seufzer aus und ließ Richard los.

Die ganze Situation war spannungsgeladen, aufregend und ja, auch erotisch.
Den Kleinen gerade so fest an mich gedrückt zu haben, hatte bei mir für eine fühlbare Erektion gesorgt und er hatte sie an seinem Hinterteil gespürt. Ich wusste das, da er sich ganz eindeutig an mir gerieben hatte ... das kleine Biest. Dafür würde er mir noch büßen müssen. Obwohl bis zu unserem nächsten Treffen diesmal sicher ein paar Wochen vergehen würden.

Aber genauso prickelnd war für mich die Vorstellung, dass ich, wenn ich gewollt hätte, Sherlock jetzt in die Knie hätte zwingen können.
Ich überlegte einen Augenblick lang, mich tatsächlich zu erkennen zu geben und zuzuschauen, wie er zerbrach. Wie er ein winselndes Bündel zu meinen Füßen sein würde oder eine allen Gefühls beraubte leere Schaufensterpuppe.
Ich hatte durchaus Lust dazu, ihn zu zerbrechen, ihn innerlich zu töten. Und anschließend auch seinen seelenlosen Körper vom Leben zum Tode zu befördern.
Aber dann wäre unser Spiel zu Ende gewesen und dazu war ich noch nicht bereit.
Ich wollte noch nicht aufhören, zu Pokern.
Ich wollte es hinauszögern, wollte weiterspielen. Also ließ ich alles beim Alten.

Dennoch war die sexuelle Spannung die ganze Zeit präsent und sie war nicht einseitig.
Oder zweiseitig, wenn man Richard mitzählt.
Nein, auch Sherlock hatte es nicht kalt gelassen, das John, „sein" John, so offensichtlich sein Leben für ihn eingesetzt hatte. Es war ... deutlich zu erkennen.
Ich jedenfalls genoss die ganze Situation und speicherte jede einzelne Sekunde in meinem Kopf ab.
Ich würde noch lange etwas davon haben.

Richard fuhr sich mit theatralischer Geste über seinen Anzug, als würde er Staubkörnchen abklopfen.
„Westwood", sagte er bedeutungsschwer. „Immerhin bin ich ja nicht irgendwer."
Dieses kleine Aas. Er wusste doch genau wie sehr mir die Billigklamotten, die zu tragen ich in meiner Rolle gezwungen war, zu schaffen machten. Ich hatte es ihm erzählt.
Nun, vielleicht würde ich doch nicht Wochen bis zu unserem Wiedersehen verstreichen lassen.

„Sherlock", sagte er nun mit tiefem Ernst in der Stimme.
„Wissen Sie, was geschieht, wenn Sie sich wieder in meine Geschäfte einmischen?"
Sherlock verdrehte die Augen.
„Ich werde getötet, blabla. Wissen Sie, wie oft man mir das schon angedroht hat? Langweilig."
Ich grinste innerlich. Sherlock machte seine Sache weiß Gott auch nicht schlecht.
„Ja, sicher", sagte Richard und verdrehte ebenfalls die Augen.
„Das ist doch selbstverständlich, aber das meine ich nicht. Nein, nein, nein, es geht mir um etwas anderes. Ich werde Sie verbrennen, Sherlock. Ich werde...", und er warf einen auffälligen Blick in meine Richtung, „ ...Ihnen das Herz aus dem Leib heraus brennen."
Seine Augen glühten.
Oh sie waren beide so unglaublich sexy in ihrem Duell.

„Mir ist immer wieder bestätigt worden, dass ich keines besitze."
„Oh Sherlock, wir wissen doch alle drei, dass das nicht stimmt."
Es setzte kurzes Schweigen ein.
Diese Worte waren so wahr, dass Sherlock einfach nicht wusste, was er darauf antworten sollte.
„Was wäre, wenn ich jetzt abdrücken würde?", fragte er schließlich und versuchte, seiner herrlichen tiefen Stimme jenen Anflug von gelangweilter Arroganz zu geben, die sie sonst so oft hatte.
Es misslang kläglich.
Richard lachte nur.
„Ich wäre überrascht, wenn Sie das täten. Sie wollen mich aufhalten, aber nicht so. Da bin ich sicher."

Er zuckte mit den Schultern.
„Nun, Sherlock, es ist alles gesagt. Ich werden dann gehen."
Er drehte sich um und schlenderte so gemütlich, wie er gekommen war, wieder in Richtung der Tür.
Seine Schritte, seine Bewegungen waren lässig, als würde er Sonntags nachmittags mit der Familie durch den Park schlendern.
Großartig gespielt, Kleiner, dachte ich.

Aber na ja, wir waren ja noch nicht fertig.
Ein klein wenig mehr wollte ich Sherlock schon noch herausfordern.
Erst einmal jedoch hatte der Kleine den Poolraum verlassen und wir beide, Sherlock und ich, waren allein.
„John, geht es Ihnen gut?!", rief er und dann ... ja dann ging er sozusagen vor mir auf die Knie.
Nun, es ging nur darum, meine Sprengstoffweste zu öffnen.
Aber...
Ich hätte mit meinen Händen durch seine seidigen Locken fahren mögen ...
Ich hätte seinen Kopf an meinen Unterleib pressen mögen ...
Ich hätte ihm befehlen mögen, meine Hose zu öffnen und mir mit seinen so sinnlichen Lippen und seiner oft so unverschämten Zunge Lust zu bereiten.
Ich hätte ...
Nun, das Adrenalin, das immer noch durch meine Adern pulsierte, machte es mir nicht leicht, mich zurückzuhalten.
Letztendlich riss er mir die Weste vom Körper und schleuderte sie einige Meter von uns.
Ich selbst ließ mich an der Wand zu Boden gleiten, als würden mir nach überstandenem Schrecken die Beine versagen.
Nun, das taten sie auch, aber nicht wegen des Schrecks, sondern weil ich mich aufgrund der fieberhaft aufgeladenen Atmosphäre zusammen nehmen musste, um nicht einfach über ihn herzufallen.

Das Janus ProjektHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin