Studie in Pink - Teil 8

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Sherlock war fort und Lestrade sauer, dass er schon wieder einmal abgehauen war ohne Bescheid zu geben. Also zog er grummelnd mit seinen Leuten ab und motzte, Sherlock sollte gefälligst alleine klarkommen.
Sehr gut.
So konnte ich gemütlich die letzte Phase dieses Falles genießen.

Als sie endlich die Wohnung verlassen hatten streckte ich mich, ließ die Fingerknöchel knacken und nahm mein Laptop zur Hand.
Dieses Laptop ... wer würde nicht sein letztes Hemd dafür geben, dieses kleine Ding in die Finger zu bekommen. Moriartys Laptop.
Das gute Stück sah harmlos aus, genau so wie man es von „John Watson" erwarten würde. Mit all den Dateien und genau dem Internetverlauf, den man bei „John Watson" vermuten würde.
Es war passwortgeschützt, aber das Passwort war enttäuschend einfach zu knacken.

Wenn man allerdings wüsste, um wessen Laptop es sich handelte und dann gezielt danach suchen würde könnte man feststellen, dass es einen zweiten, versteckten Zugang besaß.
Und dieser wäre nicht so einfach zu knacken.
Eigentlich war das sogar unmöglich, denn sowohl der Benutzername und auch das Passwort hatten keinerlei Bezug zu mir, John Watson, oder irgendetwas in meinem Umfeld. Beides war eine willkürliche Aneinanderreihung von Zeichen.
Noch dazu waren es im Falle das Passwortes ganze 42 Zeichen.
Sich eine solche Anzahl an hintereinander folgender Zeichen zu merken, war für mein Hirn kein Problem.
42 – so wie die Antwort auf die Frage aller Fragen, die Frage nach dem Sinn. Und auch das war ein köstlicher Witz fand ich, denn der Sinn des Lebens und Mittelpunkt des Lebens bin ich.
Ja, das klingt nun wirklich arrogant. Nein, das ist arrogant, aber, ha, Arroganz muss man sich verdienen und ich verdiene sie. Ich bin der Beste, also wer wenn nicht ich, hätte das Recht auf Arroganz???

Ich nahm also mein Laptop und öffnete den versteckten Zugang, über den ich auf mein virtuelles Laufwerk zugreifen und das Darknet nutzen konnte.
Ich aktivierte die Abhörfunktion des Handys des letzten Opfers. Wunderbar. So konnte ich über mein eigenes Handy hervorragend verfolgen, was zwischen dem großen Sherlock Holmes und dem bösen, bösen Serienkiller gesprochen wurde.
Glücklich kicherte ich vor mich hin. Ich war allein, also konnte ich mal ein bisschen ich selber sein.
Anschließend loggte ich mich aus und loggte mich als „John Watson" wieder ein, verwischte so meine Spuren.

Dann nahm ich mir Sherlocks Laptop vor, das noch immer offen auf seinem Schreibtisch stand und verfolgte die Handyortung. Der Taxifahrer fuhr wie angewiesen zum Ort des Showdowns. Hervorragend. Zeit für mich, mich auf den Weg zu machen.

Ich suchte mir ein Taxi, was eine Weile dauerte. Aber ich hatte Zeit genug.
Während der Fahrt lauschte ich dem Gespräch. Es war wie ich vorausgesehen hatte. Der Taximann hatte inzwischen gestanden, dass er für die rätselhaften „Selbstmorde" verantwortlich sei. Sherlock hätte die Polizei rufen oder jederzeit gehen können. Aber er ging nicht. Er folgte dem Killer weil er wissen wollte, wie er es gemacht hatte.
Wissen, erleben, herausfinden ... das war es, was sein Geist wollte. Das war es, was ihm die Langeweile verjagte.
Und daher konnte er nicht anders.

Mein Taxi hielt vor einem großen Gebäude, einer Fachhochschule. Hierhin hatte ich die beiden geschickt.
Ich zahlte und wartete bis der Wagen außer Sicht war und betrat dann die unverschlossene Schule, in der um diese Zeit die Reinigungskräfte zu tun hatten. Ein Blick auf die Uhr bestätigte, dass diese zur Zeit im hinteren Teil des Gebäudes unterwegs waren.

Die Schule bestand aus zwei Gebäudetrakten. Sherlock und der Taxifahrer waren auf meine Anweisung hin im rechten Gebäudeteil.
Ich betrat das Linke.
Den Flur entlang und die Treppen hoch in den ersten Stock.
Eins, zwei, drei, vier, fünf ... ja. Hier rein, in das fünfte Büro auf der Seite zum Innenhof.
Ich ging zum Fenster.
Genau, da waren sie. Ich sah sie, genau gegenüber, im anderen Gebäudeflügel.
Sie saßen sich gegenüber und schienen sich angespannt zu unterhalten.
Ich nahm mein Handy und lauschte.

„So haben Sie es also gemacht? Sie haben ihnen allen eine Wahl gelassen..."
„Und jetzt lasse ich Ihnen die Wahl."
Okay, ich hatte noch ein klein wenig Zeit.
Ich nahm schon einmal meine Waffe zur Hand. Ein Armeewaffe, wie sie Captain Watson a.D. vielleicht nicht mehr besitzen dürfte, aber dennoch besaß.
Ich entsicherte sie und machte mich bereit.

Inzwischen hatte Sherlock herausbekommen, warum der Mörder mordete. Er wurde für jeden Mord bezahlt und das Geld käme seinen Kindern zugute wenn er starb. Und er war todkrank ... er ahnte nur nicht, dass es nicht die Krankheit sein würde, die ihn umbringen würde.
Wieder und wieder hatte Sherlock die Chance gehabt auszusteigen. Aber er tat es nicht. Er wollte wissen.
Oh ja, er war gefesselt von der Situation. Mein Geschenk an ihn war ein voller Erfolg.

Die Lage spitzte sich zu in dem Schulungsraum dort drüben. Der Killer schob Sherlock ein Pillenglas mit einer Kapsel hin und stellte ein Zweites vor sich.
„... ich werde die Kapsel schlucken, die sie nicht gewählt haben, ... wir werden gleichzeitig ..."
Okay, jetzt war es gleich so weit.
Sherlock ging auf das Spiel ein.
Er wollte wissen , ob es ihm gelingen würde, die richtige Kapsel zu wählen. Er wollte wissen, ob er es schaffte, wollte wissen, welche die richtige Kapsel sein würde. Und wenn es ihn sein Leben kostete.
Er wollte wissen.
Er nahm die Falsche. Die Schlechte. Die Giftige.
Ich wusste es, denn es war die, die der Killer aus der rechten Jackentasche gezogen hatte und das war die Giftige.
Oh Sherlock.

Schätzchen, ich fürchte du wirst nie erfahren, ob du richtig oder falsch gewählt hast.

Das Janus ProjektUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum