Der Weg zum Abgrund - Teil 5

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Wie von der Tarantel gestochen stieß Richard mich von sich und sprang zurück auf die andere Seite des Bettes. Er schnappte nach Luft, sah mich mit großen, entsetzten Augen an und stieß wütend meinen Namen aus:

„John!"

Mir wurde bewusst, was hier gerade geschehen war und dass mal wieder alles auf des Messers Schneide stand.

Ich schnappte schwer nach Luft, immerhin war ich etwas außer Atem und versuchte, meine Sprache wieder zu finden. Aber der Kleine war schneller und begann zu keifen:

„John Hamish Moriarty, was verdammt noch mal sollte das? Wieso rufst du SEINEN Namen, wenn du mit mir Sex hast?"

Dann sprang er wieder auf mich zu und er begann mit seinen Fäusten auf mich ein zu trommeln, während Tränen über seine Wangen liefen.

In meinem Kopf ratterten die Gedanken, während ich ihn abwehrte und versuchte, ihn zu beruhigen.

Gut Moriarty, dachte ich, du hast jetzt zwei Optionen. Entweder du bringst Richard dazu, sich wieder einzukriegen und kannst ihn überzeugen, dass das ein Versehen war und nichts passiert ist. Dass du ihm treu bist und er nichts zu befürchten hat, sodass er in der Spur bleibt und weiterhin tut, was du von ihm verlangst.

Oder du musst ihn zum Abschuss frei geben. „Sleeping Beauty" an Mary und der Fall wäre erledigt. Das jedoch würde meine Pläne durcheinander bringen und mich damit verärgern.

Was also würde jetzt geschehen?

Ich schaffte es, seine Handgelenke zu packen. Dann drückte ich ihn nieder, meine Kampfsportskills machten sich hier mal nützlich, und sorgte dafür, dass er auf dem Bett zu liegen kam, ich über ihm saß und seine Hände gegen die Matratze pinnte.

Und während er nur noch verzweifelte Schluchzer ausstieß, sagte ich ruhig aber nachdrücklich:

„Richard Brook, jetzt reiß dich zusammen und lass uns vernünftig drüber reden, zum Teufel!"

Er schluchzte noch einmal, schniefte dann und nickte zögerlich.

„Bist du jetzt vernünftig, Kleiner? Kann ich dich loslassen, ohne dass du wieder auf mich los gehst?"

Er nickte wieder.

„Gut. Also, Richard, es tut mir leid. Aber das ist kein Grund für dich so auszuflippen."

„John", jammerte er mit schwacher Stimme. „Du hast gesagt, du schläfst nicht mit ihm. Hast du mich angelogen? Natürlich hast du gelogen, warum solltest du sonst seine Namen stöhnen ..."

„Jetzt reicht es aber, zum Donnerwetter! Nein, ich habe nicht mit ihm geschlafen. Aber ich lebe mit ihm, bin den ganzen Tag bei ihm und hab ihn den ganzen Tag um mich. Ich liebe dich Kleiner, aber du warst ein paar Wochen nicht da und du hast ja selber gesehen, was für ein Bild von Mann Sherlock ist."

„Du hast nicht ...?"

„Nein, habe ich nicht. Klar er ist sexy und geistert in meinem Kopf herum, besonders in den letzten Wochen, wo ich allein war. Ja, ich habe ..."

Ich tat, als schämte ich mich und im Moment war ich eindeutig der bessere Schauspieler von uns beiden.

„Ich habe mich selber gestreichelt und dabei auch mal an ihn gedacht. Er ist halt schön und ihn dabei vor Augen zu haben, ist wie einen Porno zu schauen. Es macht Spaß, aber trotzdem will man doch nicht gleich mit dem Protagonisten ins Bett, verstehst du?"

Er leckte sich die Lippen. Das schien ihm einzuleuchten.

Oh Mann.

„Du bist in meinem Herzen und du bist der Einzige den ich liebe, okay? Ich bin dir treu, du kleines Dummerchen."

Ich küsste ihn sanft auf die Nasenspitze und kletterte von ihm herunter.

Er schien mir diese abstruse Story tatsächlich zu glauben. Menschen sind einfach unfassbar naiv, wenn es um Liebe geht.

Liebe scheint wie eine Infektion zu sein, die blind, taub und dumm macht. Es wurde wahrhaftig höchste Zeit, dass ich diese Krankheit loswurde.

„Ich liebe dich doch, John", sagte er leise. „Und ich könnte es nicht ertragen, wenn du mich belügst. Weißt du, wenn du mit ihm schlafen musst, weil ... das in deine Pläne gehört, dann ..."

Er schluckte.

„... wäre das okay für mich, aber ich will Bescheid wissen. Du darfst mich nicht anlügen, verstehst du?"

„Ich habe nicht mit ihm geschlafen", knurrte ich und begann, seinen Hals zu küssen.

„Ich glaube dir", sagte er.

Ich küsste seine weiche Kehle.

Er kicherte.

Dann wurde sein Gesicht ernst.

„John?"

„Ja?"

„Ich glaube, das war falsch, was ich eben gesagt habe. Zu Anfang, da hätte ich es noch wegstecken können, wenn du mit ihm schläfst. Aber jetzt nicht mehr, jetzt liebe ich dich viel zu sehr."

„Herrgott, ich habe nicht mit ihm geschlafen!"

„Versprich mir, dass du das auch in Zukunft nicht tun wirst!"

„Ja Kleiner, ich verspreche es."

Den restlichen Abend verbrachten wir aneinander gekuschelt auf dem Sofa, mit einer weiteren Flasche Wein und ein paar mittelmäßigen Filmen.

Und während Richard der teilweise hanebüchenen Handlung folgte, ließ ich meine Gedanken schweifen.

Ich musste besser aufpassen.

Einen solchen Patzer konnte ich mir nicht noch einmal leisten, denn ein weiteres Mal würde ich Richard vermutlich nicht so leicht beruhigt bekommen.

Der Kleine begann, mir auf die Nerven zu gehen. Er wurde langsam aber sicher anstrengend, und doch war ihn zu behalten immer noch einfacher, als ihn durch jemand Neuen zu ersetzen. Genauer gesagt war es meine einzige Möglichkeit, denn Sherlock hatte ihn ja schon gesehen und ich brauchte ihn noch.

Ein einziges Mal brauchte ich ihn noch, für das große furiose Finale.

Und bis dahin musste ich ihn bei Laune halten.

Denn ich würde noch eine Menge von ihm verlangen und es war klar, dass er das alles nicht für Geld tat, sondern für mich, seine große Liebe und für seinen Traum, sein Leben mit mir zu verbringen.

Sein restliches Leben.

Nun, in gewisser Weise stimmte das ja auch.

Das Janus ProjektWhere stories live. Discover now