Studie in Pink - Teil 7

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Kurze Zeit später fuhr ein Taxi vor und Sherlock schien eine Erleuchtung zu haben.
Er stürzte wie immer ohne Vorwarnung aus dem Lokal und ich rannte hinterher.

Als ich hinter ihm die Straße entlang sprintete fiel mir auf, dass ich meine verdammte Krücke am Tisch hatte stehen lassen.
Ich hatte sie schlichtweg vergessen.
Ein Fehler? Keineswegs.
Ich bin Moriarty, ich mache keine Fehler.
Wenn so etwas geschieht, dann hat mein Unterbewusstsein einen guten Grund dafür.
Ich wollte das psychosomatische Hinken ja so gestalten, dass es nach und nach durch die Begegnung mit Sherlock besser werden und verschwinden würde. Nun, mein Geist hatte wohl über meinen Kopf hinweg entschieden (welch ein Wortspiel, ja, auch darin bin ich gut!), dass es besser wäre wenn das Ganze deutlich schneller vonstatten ginge.

Wir sprinteten durch Gassen, über Feuertreppen und dunkle Hinterhöfe.
Sherlock schien die Karte von London ziemlich gut im Kopf zu haben. Nun gut, an ein oder zwei Stellen vertat er sich und ich hätte ihm einen kürzeren, besseren Weg zeigen können.
Aber dennoch war der Weg, den wir nahmen schon recht effektiv und schließlich erreichten wir die Straße, in der unser Weg die des Taxis kreuzte.
Er hielt das Taxi mit einem Dienstausweis der Polizei an und nannte sich „DI Lestrade". Ich grinste. Wie es aussah, hatte er Lestrade einen Dienstausweis geklaut.

Sherlock jedenfalls stoppte das Taxi und dann, tja, dann war ich fast ein bisschen enttäuscht von ihm. Es zeigte sich, dass er eben doch nur fast so gut war wie ich. Er war weit intelligenter als die große Masse der Ameisenmenschen, aber ich war ihm eben doch noch überlegen.
Er wandte sich an den Fahrgast.

Der Fahrgast, Sherlock? Also bitte ... ist das dein Ernst? Wo liegt denn darin die Logik?

Schnell hatte er deduziert, dass der Fahrgast ein amerikanischer Tourist war und in keinster Weise als Täter in Frage kam.
Ich war wirklich enttäuscht, dass er nicht auf die Idee kam, sich an den Taxifahrer zu wenden.
Der Taxifahrer hatte mich nun gesehen, aber das spielte keine Rolle, denn er wusste nicht, dass ich, die unscheinbare Begleitung des Sherlock Holmes, Moriarty war. Sherlock kannte er natürlich, denn ich hatte ihm Fotos zukommen lassen.
Ich beschloss, die ganze Sache ein bisschen zu beschleunigen.

Erst mal musste ich, John Watson, ein bisschen Sherlock bewundern.
„DI Lestrade? Ihr Ernst?", fragte ich grinsend.
Sherlock grinste zurück.
„Ja. Ich hab mir den Ausweis ausgeliehen, kann man immer mal brauchen."
Wir lachten.
Das Taxi war weitergefahren und vom anderen Ende der Straße kamen zwei Polizisten mit fragenden Blicken auf uns zu.
„Wieder zu Atem gekommen?", fragte Sherlock.
„Ja", sagte ich und dann rannten wir los.

Wir kamen lachend und schnaufend in 221 B Baker Street an.
Wir stürmten durch die Eingangtür und lehnten uns schwer atmend gegen die Wand, um erst einmal ein bisschen Luft zu schnappen.
„Das war das Verrückteste", keuchte ich, „was ich je getan habe!"

Nun ja, ich kann hervorragend lügen Sherlock, wenn du nur wüsstest ...

„Hey, und Sie sind immerhin in Afghanistan einmarschiert!"
Wir sahen uns an und prusteten los.
Schließlich rief Sherlock:
"Mrs. Hudson! Dr. Watson zieht oben ein!"
„Aha", sagte ich, „sollte ich das nicht entscheiden?"
„Haben Sie doch längst, als Sie mir nachgerannt sind und ihre Krücke im Restaurant vergessen haben!", sagte er.
Japp. Mein Unterbewusstsein hatte es genau richtig gemacht.

Die Wohnung war voller Polizei. Lestrade war wütend, dass Sherlock einfach so vom Tatort abgehauen war und ihm nichts von seine Gedankengängen gesagt hatte. Daher hatte er eine Drogenrazzia veranlasst.
Ich spielte meine Rolle als John und zeigte Empörung und Unglauben.

In dem allgemeinen Tohuwabohu gelang es mir, eine Nachricht an den Taxifahrer abzusetzen.
Ich sendete sie an die Nummer des letzten Opfers, denn dieses Handy befand sich ja noch in seinem Besitz.
Die Nachricht lautete: „221b".
Er wusste genau, was er daraufhin zu tun hatte.
Ich hatte den Showdown ausgelöst.

Sherlock diskutierte lautstark mit Lestrade, Donovan und Anderson. Er verteidigte sich, dass er keine Drogen in der Wohnung hatte. Er verteidigte auch die Tatsache, dass der Koffer des Opfers sich in der Wohnung befand. Es war lautstark und hitzig und schlussendlich hieß Lestrade seine Leute die Durchsuchung einzustellen.
Sherlock lief auf und ab und rief seine Gedanken in den Raum. Er schrie Anderson an, dass sein Gesicht ihn störe. Er beleidigte mich, John Watson... egal, John würde was das betrifft ein dickes Fell entwickeln.
Und plötzlich kann ein erneuter Geistesblitz. Er fand heraus, dass „Rachel" das Passwort zur Website ihres Emailaccounts war und diese Website Verbindung zu ihrem Smartphone hat. Ein Smartphone mit GPS. Man konnte es also orten.
Das veranlasste er natürlich sofort und war zutiefst verblüfft, dass die Ortung diese Adresse anzeigte.
Die 221 B Baker Street.
Gut. Der Taxifahrer war also da. Er hatte sich an meine Anweisung gehalten. Der Showdown rückte näher.

In dem Moment rief Mrs. Hudson in das Durcheinander:
„Sherlock, Ihr Taxi ist da!"
„Ich habe kein Taxi bestellt", fauchte er.

Aber ich, Schätzchen und ich denke, du wirst es nehmen.

Lestrade, praktisch wie er war, begann alle herumzuscheuchen, damit sie das Smartphone suchten.
Sherlock dagegen stand wie angewurzelt im Raum.
Ich sah, wie er auf sein Handy- Display schaute. Aha, der Taximann hatte ihm also eine Nachricht gesendet. Ihn zu sich gebeten.
Er drehte sich zu uns um und sagte:
„Ich muss kurz an die frische Luft."
Und schon war er auf dem Weg nach draußen.

Während Lestrade den Kopf schüttelte, grinste ich in mich hinein.
Ich wusste, was jetzt geschehen würde.
Der Mörder würde die Taten Sherlock gegenüber gestehen.
Und er würde ihn mit dem Versprechen in sein Taxi locken, ihm zu sagen, wie er es getan hatte.
Und Sherlock würde nicht widerstehen können.

Das Janus ProjektWhere stories live. Discover now