Studie in Pink - Teil 6

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Auf der Fahrt überlegte ich, ob es jetzt sinnvoll sei, direkt in die Baker Street zu fahren.
Hatte ich Sherlock schon da, wo ich ihn haben wollte?
Da ertönte erneut mein Handysignal.
„Könnte gefährlich werden!"
Ich grinste. Ja, hatte ich. Er schätzte mich offenbar so ein, wie er mich einschätzen sollte. Also auf in den Kampf.

Erneut konnte ich seine Fähigkeit im Deduzieren bewundern. Er war gut, oh ja, das war er.
Er hatte den Koffer gefunden, der jetzt in seiner, unserer?, Wohnung stand. Er hatte das Fehlen des Handys entdeckt und daraus geschlossen, dass es beim Mörder sein musste.
Er ließ mich, und darüber amüsierte ich mich sehr, eine Nachricht mit der Sicherheit an das Handy schreiben, dass der Mörder sie lesen würde.

Ja, Sherlock, das wird er. Dafür habe ich gesorgt.

In der Nachricht gab ich mich auf sein Bitten, nein, seine Anweisung hin als das letzte Opfer aus und behauptete, nur ohnmächtig gewesen zu sein. Ich bestellte den Mörder nach 22 Northumberland Street.
Und schon zog Sherlock sich den Mantel über und mich aus der Wohnung.

Kurze Zeit später standen wir vor einem kleinen Restaurant namens Angelos. Dort suchte er uns einen Tisch mit gutem Blick auf die angegebene Adresse.
Der Wirt, Angelo, reichte uns die Karten. „Hier, falls Sie Hunger haben. Sherlock, das Essen geht wie immer aufs Haus, für Sie und Ihr Date."
„Hey", protestierte ich, „ich bin nicht sein Date!"
Sherlocks Blick lag kurz auf mir, bevor er sich wieder dem Fenster zu wandte. In den wenigen Sekunden sah ich, wie sich eine Art Schatten über seine Augen zu legen schien.

Okay Moriarty, jetzt müssen wir mal gedanklich sortieren was hier gerade geschieht, dachte ich, während Angelo auf mich ein plapperte. Er erzählte mir, wie Sherlock ihn vor einer langen Haftstrafe bewahrt hatte.

Sowohl Mrs. Hudson, die ja angezweifelt hatte dass wir ein zweites Schlafzimmer brauchten, als auch Angelo schienen völlig selbstverständlich davon auszugehen, dass ich Sherlocks Date war. Sie schienen also zu glauben, oder wohl eher zu wissen, das er schwul war oder zumindest dem männlichen Geschlecht nicht abgeneigt. Denn wir wissen ja, dass die menschliche Sexualität weitaus mehr als nur schwarz und weiß zu bieten hat.
Zwei Menschen, die Sherlock offenbar lange und gut kannten.
Man konnte also durchaus annehmen, dass das zutreffend war.
Der dunkle Schatten war über Sherlocks Augen gehuscht sobald ich abgestritten hatte, sein Date zu sein.

Wenn man das so zusammenfasste gab es nur einen Schluss: Er war interessiert an mir.
Oh sweet Jesus, es war tatsächlich Weihnachten.

Damit hatte ich ihn an einem unerwarteten, aber sehr willkommenen Angelhaken und das Spiel versprach, noch besser zu werden als erhofft.
Wie jetzt also das Gespräch auf das Thema Freund / Freundin bringen?
Während Angelo eine Kerze auf unseren Tisch stellte mit den Worten „Das macht es romantischer!" und ich noch mal rief: „Ich bin nicht sein Date, okay?", legte ich mir meine Strategie zurecht.

„Hören Sie, Sherlock, so was wie Erzfeinde ... gibt es das überhaupt? Normale Menschen haben so etwas nicht."
Er sah mich an.
„Aha. Und was haben normale Menschen dann?"
„Freunde. Leute die sie mögen. Leute die sie nicht so mögen. Eine Freundin, einen Freund vielleicht ..."
„Langweilig", sagte er und sah wieder aus dem Fenster.

„Sie haben also keine Freundin?", fragte ich. Ich hatte das Gefühl, dass die Schwingungen, die jetzt gerade hier an unserem Tisch herrschten so intensiv waren, dass sie beinahe für alle Anderen im Raum sichtbar sein müssten.
„Freundin? Nein. Das ist nicht mein Gebiet."
Ich grinste innerlich.
„Dann vielleicht einen Freund? Was im Übrigen völlig in Ordnung wäre."
„Natürlich wäre es das", sagte er barsch.
„Oh," sagte ich scheinbar wie nebenbei. „Dann sind Sie also ungebunden, wie ich." Und ich senkte meinen Blick interessiert in die Speisekarte.
„Ja", sagte er. „Gut. Ähmmm ... Ihr Interesse ehrt mich ..."

Okay, Johnnyboy. Zeit, die Sache klarzustellen.

Ich genoss diesen Moment.
Ich errötete. Ja natürlich kann ich das auf Kommando. Ich bin Moriarty, ich kann so etwas. Ich kann genau so gut auf Kommando weinen oder bei Bedarf in Ohnmacht fallen (für einen genau vorausbestimmten Zeitraum). Diese Dinge sind unerlässlich, wenn man eine solche Sache wie die hier erfolgreich durchziehen will.
„Nein, oh ... nein, Sherlock, ich bin nicht ... interessiert ... wie gesagt ich bin nicht schwul."
Er errötete nun auch. Er, der große Sherlock Holmes. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich die Situation gerade genoss.
„Oh", antwortete er, „das ist gut ... ich bin mit meiner Arbeit verheiratet und habe gar keine Zeit für ..."
„Gut", sagte ich, „gut."
Sein Blick verdunkelte sich erneut.

Ich habe keine Gefühle für andere Menschen. Liebe, Mitgefühl ... pah.
Aber ich erkenne diese Dinge.
Und es war klar, vollkommen klar, dass Sherlock deutliches Interesse an mir hatte. Allen anders lautenden Worten zu Trotz.
Und natürlich würde ich das für mich ausnutzen. Oh ja.
Ich grinste.

Es war ja nun so, das ich überhaupt nichts dagegen gehabt hätte, noch heute Abend mit Sherlock im Bett zu landen, und „Beziehung" zu spielen. Der Gedanke daran, eine leidenschaftliche Beziehung vorzutäuschen, die selbst den Partner in der Beziehung täuschte und dabei zu meinem Vergnügen eine Menge Sex beinhalten würde, gefiel mir außerordentlich gut.
Allerdings würde ich Sherlock einfach besser nach meiner Pfeife tanzen lassen können, wenn ich ihn am langen Arm verhungern ließ. Ich hatte vor, das zwischen uns eine immer präsente, nie wirklich ausgesprochene sexuelle Spannung herrschen sollte. Die zwar im Hintergrund blieb, aber eben immer fühlbar war.
Das war ein wunderbares Instrument, um mit Sherlock spielen zu können.

Ich war fast ein klein wenig enttäuscht, dass er es mir so leicht machte.

Das Janus ProjektWhere stories live. Discover now