Der Weg zum Abgrund - Teil 3

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Da Richard erst einmal außer Gefecht war, konnte ich meine ganze sexuelle Energie jetzt in Sherlock stecken. Und der war, wenn auch immer wieder unsicher weil alles neu war für ihn, in dieser Hinsicht, nun, nennen wir es hungrig. Er forderte mich ganz schön und ich genoss es, war aber ganz froh, mich nicht auch noch um den Kleinen kümmern zu müssen. Zumindest während der Zeit bis zur Gerichtsverhandlung.
Und das waren immerhin einige Wochen, wenngleich alle Beteiligten sich große Mühe gaben, die Ermittlungen und das Gerichtsverfahren recht schnell über die Bühne zu bringen. Trotzdem dauerte es an die anderthalb Monate.

Aber schließlich kam der Tag, an dem Sherlock als Zeuge vor Gericht aussagen sollte.
Und es war schon vorher klar, dass es ein Desaster werden würde.
Sherlock, der sich anmaßte sich für klüger als alle anderen zu halten und den Rest der Menschheit als Idioten zu bezeichnen, würde dem Richter und den Geschworenen sicher sehr gut gefallen.
Ich hatte schon im Vorfeld meinen Spaß, wenn ich auch andererseits durchaus sauer war, denn er maßte sich an, was einzig und allein mir zustand!
Aber ich schluckte meinen Ärger, und darin hatte ich inzwischen eine Menge Übung.

Jedenfalls kam es, wie es kommen musste.
Im Auto auf dem Weg zur Verhandlung hörte er „John Watsons" Vorhaltungen nicht einmal richtig zu, der versuchte ihm klar zu machen, dass sein übliches Verhalten, was seine wenigen Freunde wohl tolerierten, hier nicht gut ankommen würde und total unangebracht wäre.
Es schien überhaupt nicht zu ihm durchzudringen, aber das hatte ich auch nicht erwartet.
Er verhielt schon beim Eintreffen vor dem Gerichtshof Old Baileys ausgesprochen arrogant den Journalisten gegenüber.
Sehr gut.
Sie würden es ihm zurückzahlen. Ein Held, der sich wie ein Arschloch verhält, gibt Schlagzeilen.

Sherlock verschwand auf der Toilette, um sich frisch zu machen. Wunderbar.
Ich wusste, dass sich jetzt Kitty Riley an ihn heranschmeißen würde, eine unerfahrene Journalistin eines Blattes aus der Yellow Press. Sie hatte von mir über Kanäle, die nicht bis zu mir zurückverfolgbar waren den Auftrag bekommen, ein Exklusivinterview von ihm zu bekommen. Und falls er sich nicht darauf einlassen würde, eine Skandalreportage zu erarbeiten, die sie aber erst veröffentlichen dürfte, wenn sie das „Go" bekäme. Das war für sie eine große Sache und sie würde die angebotene Unterstützung nicht durch Eigenmächtigkeiten riskieren (Ich hatte sie dahingehend selbstverständlich gezielt ausgewählt. Meine Leute hatten etliche in Frage kommende Schmierfinken genau ausgecheckt.)
Natürlich ließ Sherlock sie abblitzen und deduzierte sie in Grund und Boden.
Und zog sich ihren Zorn zu. Wie geplant. Sehr gut.

Ich würde später Kitty noch brauchen. Aber dazu an anderer Stelle mehr.
Ich, John Watson, sah tief erschüttert zu, wie Sherlock sich vor Gericht durch sein Verhalten selber demontierte.
Und ich, Moriarty, hatte meinen Heidenspaß an der Sache.
Obwohl es mir ... irgendwie auch ein bisschen leid tat ... Sherlock hatte verdammt noch mal recht mit dem, was er früher immer gesagt, inzwischen aber selber komplett über den Haufen geworfen hat:
Liebe ist ein chemischer Defekt, der Einen nur behindert und stört.
Verflixt noch mal.

Und ich konnte es einfach nicht länger bestreiten.
Ich, Moriarty, der Mann, der nichts für irgendjemanden außer mir selbst empfand, hatte mich verliebt.
Verdammte Scheiße.

Nun, ich würde mich dennoch nicht von meinen Plänen abhalten lassen.
Sherlock verhielt sich arrogant. Er ließ den Besserwisser raushängen. Verhielt sich belehrend und oberlehrerhaft und schließlich kippte das Ganze ins Beleidigende.
Ich konnte ihn verstehen, denn die Damen und Herren Geschworenen waren gelinde gesagt dumm.
Aber dennoch war es natürlich für sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit katastrophal.

Richard dagegen machte seine Sache großartig.
Natürlich konnte ich, der ihn inzwischen gut kannte und verdammt gut einschätzen konnte, ihm ansehen, dass er Angst hatte und die Wochen in Untersuchungshaft ihm zu schaffen gemacht hatten.
Aber dennoch: Es erwies sich, dass der Kleine tatsächlich ein großartiger Schauspieler war. Ich hatte ihn ausgewählt und ich hatte verdammt gut gewählt.
Er starrte Sherlock an, er lächelte auf diese leicht wahnsinnige Weise ... die aber doch so rüberkam, dass sie auch als einfach der Versuch eines verängstigten Mannes gelten konnte, ein Sympathie heischendes Lächeln hinzubekommen.

Nun, man kann das meiste darüber in der Presse lesen. Wie erwartet hat die sich hinterher sämtliche Mäuler zerrissen ... Ach ja, Pressefreiheit ist schon eine feine Sache.
Ich gehe hier nicht ins Detail.

Es lief am Ende darauf hinaus, dass Richard aka „Jim Moriarty" frei gesprochen wurde.
Das allerdings lag nicht allein an Sherlocks Auftreten vor Gericht.
Nein, in der Hauptsache lag es daran, dass ich mit Hilfe meiner Leute die Schwachpunkte jedes einzelnen Geschworenen herausgefunden hatte.
Ich ließ jeden Einzelnen erpressen.
Schulden.
Unterschlagungen.
Kinder, die geliebt wurden.
Affären, die es zu verheimlichen galt.
Jeder einzelne dieser Ameisenmenschen war Spielzeug in meinen Händen.

Zufrieden lauschte ich der Urteilsverkündung und warf Richard einen schnellen Blick zu.
Er lächelte mich an.
Dann verließ ich das Gericht und informierte Sherlock, der zu Hause wartete, da er das Gebäude nach seiner Missachtung des Gerichtes nicht mehr betreten durfte.
Für Richard war, wieder einmal, eine Belohnung fällig.
Er würde erst einmal mit Hilfe meiner Leute untertauchen. Ich würde ihn aufsuchen und Spaß mit ihm haben ... naja, Sherlock würde in nächster Zeit etwas zurückstecken müssen, schließlich bin auch ich meinem Körper unterworfen und habe gewisse Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Jetzt allerdings würde der Kleine Sherlock aufsuchen.
In der Baker Street.
Es war nur schade, dass ich dabei nicht live dabei sein konnte, aber das hätte die Dramatik gestört.

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