Achtundsechzig

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"Wir werden uns eine zweite, dritte und vierte Meinung holen. Wir lassen das nicht so auf uns sitzen." Ich gehe aufgeregt im Wohnzimmer auf und ab, während ich mir immer wieder verzweifelt durch die Haare fahre.

"Baby...", Avery hält mich am weiter auf und ab gehen auf und legt seine Hände auf meine Taille. "Wir waren beim besten Arzt des Landes, was Krebs angeht", teilt mir Dylan mit. Ich habe vollkommen vergesse, dass er auch noch hier ist. Ich lehne mich ein wenig zur Seite und sehe ihn an.

"Das sagt überhaupt nichts aus!", schreie ich in seine Richtung.

"Baby", fängt Avery wieder ruhig an und lässt mich ihn ansehen. Seine wunderschönen aber müden silbernen Augen starren sich in meine Seele. "Es ist unheilbar. Er hat sich schon ausgebreitet und kann nicht mehr aufgehalten werden." Ich schüttle ungläubig den Kopf, während mir wieder die Tränen kommen.

"DAS AKZEPTIERE ICH NICHT!" Mit heißen Tränen, die mir ununterbrochen runterrollen, reiße ich mich aus seinem Griff. Doch er hält mich auf, bevor ich weggehen kann.

"Baby, hör auf!"

"Nein! Hör du auf mich Baby zu nennen!" Ich habe keine Ahnung warum ich ihn anschreie beziehungsweise, warum ich überhaupt schreie. Traurigkeit und Wut gehen mit mir durch. Ich kann das alles nicht glauben. Vor einer Woche war meine größte Sorge, dass ich schwanger bin und jetzt... Jetzt droht mich die Traurigkeit darüber, diesen Mann verlieren zu können, umzubringen. Ich knie mich auf den Boden und weine in meine Hände hinein.

"Das ist nicht fair", murmle ich mit verdecktem Gesicht. "Ich kann dich nicht verlieren- ich darf dich nicht verlieren..."

"Und ich würde es verhindern, wenn ich könnte", spricht Avery leise an meinem Ohr. Ich sehe zu ihm auf und starre in die zwei wunderschönsten Augen, die ich je gesehen habe. Nur das sie mit Tränen gefüllt sind, macht mir zu schaffen. Solche wunderschönen Augen sollten nicht traurig sein müssen.

Avery nimmt mein Gesicht in seine Hände und redet leise auf mich ein "Bitte... hör auf zu weinen."

"Du weinst doch selber", flüstere ich unter Tränen und er schmunzelt.

"Aber doch nur, weil ich dich weinen sehe", er streicht mir mein Haar aus dem Gesicht. "Ich halte es nicht aus, dich traurig zu sehen und nichts dagegen unternehmen zu können."

Seinem Blick nicht mehr standhalten zu können, lege ich die Arme um seinen Hals und vergrabe meinen Kopf darin. Leise Schluchzer entgehen meinen Lippen, die nicht aufhören wollen zu zittern.

Ich spüre seine warmen, großen, starken Hände auf meinem Rücken. So würde ich am liebsten für immer verweilen, Avery spüren zu können, seinen Geruch einatmen zu können und einfach seine Nähe zu genießen. Doch dieser Moment verraucht genauso schnell, wie er entstanden ist.

Avery zieht sich zurück und fängt laut an zu husten. Was mir nicht entgeht, ist das Blut, das dabei in seine Hand spritzt. Komplett geschockt sitze ich ihm gegenüber auf dem kalten Parkettboden und kann nichts weiter machen, als ihn anzustarren. Der Schock über das Blut vergeht sofort, als Dylan aufspringt und seinen Bruder hochhievt. Schnell stelle auch ich mich auf die Beide und gehe auf die andere Seite, um Avery zu stützen.

"Wir bringen dich in dein Bett. Du musst dich ausruhen, Bruder", meint Dylan und steuert auf Avery's Schlafzimmer zu.

Nachdem Avery, mithilfe von seinem Bruder und mir, sich im Bad das Blut abgewischt hat, legen Dylan und ich ihn in sein Bett. Gerade als ich ihn fertig zudecke und mit Dylan das Schlafzimmer verlassen will, ruft mich Avery zurück.

"Joy Baby, bleib bei mir... Bitte." Wie könnte ich die Bitte eines sterbenden Mannes, den ich so sehr liebe, dass es schon wehtut, nicht nachkommen? Dylan lächelt mir traurig zu, bevor er das Zimmer verlässt und die Tür hinter sich schließt. Mein Blick wandert von der geschlossenen Tür zu Avery's große Bett.

Ohne auch nur ein Wort zu sagen, schlüpfe ich unter die Decke, lege mich zu ihm und hebe seinen Arm, um darunter meinen Kopf zu platzieren. Mit dem Kopf auf seiner Brust, fällt mir ein, dass das schmerzhaft für ihn sein könnte und dass ich meine Position verändern sollte. Doch gerade als ich den Kopf von seiner Brust nehmen will, hält er mich sanft auf, indem er meine Haare streichelt und folgendes haucht.

"Mal die Kreise." Verwirrt hebe ich meinen Kopf an und sehe in sein müdes Gesicht. "Was?"

"Die ominösen Kreise, die du immer mit deinem wunderschönen Finger auf meinen Oberarm zeichnet, nachdem wir miteinander geschlafen haben", erklärt er.

Ich schmunzle, lege behutsam meinen Kopf wieder auf seine Brust und fange an Kreise auf seinen muskulösen Oberarm zu zeichnen.

JoyWhere stories live. Discover now