Fünfundvierzig

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"Joy, alles in Ordnung?", fragt sie und ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten.

"Nein, nichts ist in Ordnung. Kannst du bitte herkommen?"

"Natürlich, ich mach mich sofort auf den Weg."

"Danke", heule ich in den Hörer.

Ich dusche schnell ohne meine Haare nass zu machen und gehe wieder in mein Schlafzimmer. Ich schnappe mir eine Jeans und ein Oberteil und schlupfe hinein. Ein kurzer Blick in den Spiegel. Ich stelle mich davor und kann es mir nicht verkneifen mich seitlich zu betrachten. Mit den Händen stramme ich das Oberteil fest und halte es am Rücken fest, sodass der Stoff sich eng an mein Bauch schmiegt. Man sieht nichts... Noch nichts. Vielleicht...

Verzweifelt atme ich tief ein und lasse den Stoff wieder los und schnappe mir eine Tasche, wo ich die nötigen Sachen reinschmeiße.

Wenige Minuten Später klingelt es auch und ich öffne Twyla die Tür.

"Hast du mich so schnell schon vermisst?", sie lacht traurig und umarmt mich dann.

"Was ist denn passiert? Hat dieser ich-bin-zu-heiß-für-jeden-und-alles Mistkerl dir was getan?"

Ich ziehe sie in mein Apartment und schließe die Tür hinter ihr.

"Dieser Mistkerl hat mich vielleicht geschwängert", flüstere ich, aus Angst, er könnte es hören, obwohl nur Twyla und ich im Apartment sind.

Sie reißt die Augen auf und hält sich geschockt die Hand vor den Mund.

"Ist das dein Ernst?" Mir kommen wieder die Tränen.

"Schon gut, schon gut. Lass uns zu einem Frauenarzt gehen um sicher zu sein", versucht sie mich zu beruhigen. Ich nicke schluchzend und sie nimmt meine Handtasche an sich und hält mir mit ihrer freien Hand den Rücken.

"Komm", sie drückt mich aus dem Apartment und schiebt mich zum Aufzug.

In ihrem weißen Mercedes eingestiegen, schnallen wir uns an und sie fährt sofort los.

"Ich kenne keinen Frauenarzt", gebe ich zu und schaue sie an.

Sie blickt mich kurz von der Seite an und sagt "Ich schon."

Nach einer qualvollen stillen und mit Gedanken, über kleine süße Dylans mit silbernen Augen und weichen brauen Haaren, erfüllten Viertelstunde Fahrt, parkt Twyla auf dem Parkplatz eines schicken Gebäudes und wir steigen aus.

Mit unsicheren Schritten gehen wir auf das luxuriös aussehende Gebäude zu. Am Empfang sitzt eine junge Dame Anfang dreißig vielleicht und empfängt uns lächelnd.

"Miss Sterling, schön sie wieder zusehen. Wie geht es Mrs. Sterling?" Ob das der Arzt von Twyla's Mutter ist?

"Hallo Dalia, gut danke und Ihnen?"

"Gut gut, wie kann ich euch helfen?", sie lächelt uns freundlich an, aber das Lächeln das ich ihr schenke, gleicht wohl eher das von Joker aus Batman.

"Meine Freundin hier", sie schiebt mich an den Oberarmen ein Stück vor "hätte gern einen Termin bei Dr. Moore."

Diese sogenannte Dalia tippt etwas in den Computer vor sich ein und lächelt uns wieder an.

"Dr. Moore hätte in einer Dreiviertelstunde einen freien Termin."

"Das ist super!", freut sich Twyla und ich denke nur 'Warum erst in einer Dreiviertelstunde?' Ich kann nicht mal zwei Minuten länger warten, ich will sofort eine Antwort.

"Dann trage ich das ein, ich bräuchte noch deinen Namen", sie wendet sich an mich. Mein Mund ist staubtrocken, als ich gerade meinen Nachnamen sagen will. Oh mein Gott, wenn das mein Vater erfährt! Oh mein Gott, wenn das Kind eine Missbildung wegen meiner Vergangenheit entwickelt! Oh mein Gott, wenn Dylan Kinder hasst und sich nicht darum kümmern will? Ich bin am Arsch... Ich bin in allen Fällen am Arsch.

"Collister. Joy Collister", antwortet stattdessen Twyla für mich und Dalia lächelt mich mitleidig an.

Sie legt ein Klemmbrett, auf dem ein Blatt klemmt, auf den Tresen vor uns und meint "Du müsstest das auffüllen. Mach das in Ruhe und lass dir Zeit. Wenn du fertig bist, leg es einfach wieder auf den Tresen."

Ich nicke stumm und nehme das Brett mit zitternden Händen an mich und gehe mit Twyla im Schlepptau ins fast leere Wartezimmer.

Wir setzen uns in die gemütlichen türkisen Sessel und ich starre auf das Klemmbrett in meiner wackeligen Hand, das droht jeden Moment lautstark auf den Boden zu knallen.

"Schon gut, wir haben genug Zeit", sie nimmt mir das Klemmbrett aus der Hand und legt es auf den Beistelltisch zwischen uns. Mit sanften Bewegungen streicht sie meinen Arm, was eine beruhigende Wirkung auf mich hat.

"Alles wird gut", redet sie auf mich ein.

JoyWhere stories live. Discover now