Dreiundvierzig

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Avery's P.O.V.

Nachdem wir beide Erlösung gefunden haben, liegen wir nun schwer atmend auf dem Bett, Joy's Kopf auf meiner Brust liegend. Wie immer zeichnet sie die ominösen Kreise auf meinen Oberarm, während sich unsere Herzschläge und die Atmung langsam wieder normalisieren. Sie ist so perfekt, dass ich allein bei der Vorstellung ohne Joy zu sein, eine Heidenangst bekomme.

"Du bist perfekt", spreche ich meine Gedanken aus. Sie hebt den Kopf von meiner Brust und schaut mich verwirrt an "Was?"

"Ich sagte, dass du perfekt bist", wiederhole ich meine Worte und schaue ihr dabei eindringlich in die Augen. Abrupt setzt sie sich auf und will vom Bett runter, doch ich halte sie zurück.

"Was hast du?" Meine Stimme ist voller Besorgnis über ihren plötzlichen Stimmungswechsel.

"Sag nicht, dass ich perfekt bin. Ich bin kaputter als du denkst. Einen kaputteren Menschen hast du sicher noch nie gesehen." Sie senkt ihren Kopf, wahrscheinlich damit ich ihr trauriges Gesicht nicht sehen soll. Sanft hebe ich ihren Kinn an und halte ihr Gesicht in beide Hände und beuge mich zu ihr vor um ihr folgendes ins Ohr zu flüstern.

"Lass mich das selber beurteilen", ich schaue ihr wieder ernst ins Gesicht "Ich will alles über dich wissen." In ihren Augen blitzt etwas auf, doch dann schaut sie traurig zur Seite "Nein willst du nicht, du wirst mich dann nicht mehr mögen." Oh Baby ich werde dich immer mögen, außerdem kann es nichts schlimmeres sein, außer du hast eine Zwillingsschwester, mit der du mich verarscht hast. Schnell verwerfe ich den Gedanken und rede auf sie ein.

"Ich mein's Ernst, ich möchte alles über dich erfahren."

"Ok, aber hass mich danach nicht." Jetzt mach ich mir echt Sorgen. Was hat is so schlimmes getan, wofür ich sie hassen könnte?

"Ich werde dich niemals hassen können", gebe ich ehrlich zurück.

"Äh... also du weißt, dass ich aus Denver, Colorado komme?" Ich nicke, dass habe ich bei der Basketballwette unten im Park erfahren.

"In Denver habe ich- hatte ich da so Freunde. Die reichen Kids, so nannten uns alle. Die, die alles haben und nichts zu begehren wagen. So haben uns die anderen immer gesehen, doch was niemand wusste, war grausam. Die reichen Kids deren Eltern ihnen keine Aufmerksamkeit schenken, so wie mein Vater, der viel zu sehr damit beschäftigt war, seine Firma zu leiten und somit das Geld in die Höhe zu treiben. Als ob man sich mit Geld Freude und Liebe kaufen könnte", sie schaut zur Seite um ihre Verachtung gegen ihren Vater zu unterstreichen. Das ist traurig, wenn der eigene Vater sich nicht um dich kümmert.

"Mit meinen ehemaligen Freunden bin ich jeden Abend in den berühmten Club in der Innenstadt gewesen. Viele halbnackte angetrunkene Teenies und Studenten, die nichts besseres zu tun haben, als sich volllaufen zu lassen und zu viel zu lauter Musik zu tanzen. Aber nur wenige wussten, was im zweiten Stocks dieses Clubs wirklich abging." Sie schaut mir kurz in die Augen, als wolle sie mir sagen 'Verurteile mich bitte nicht' und fährt mit gesenktem Kopf fort.

"Wir reichen Kids waren immer oben und haben uns mit starkem Alkohol und Edeldrogen unsere Zeit vertrieben." Sie hält kurz inne. Oh Baby, warum hast du dir das angetan? Ich unterbreche sie nicht und lasse sie weiterreden.

"Bis ich mal drei Tage verschwunden war und mein Vater nicht wusste, wo ich war. Erst dann hat er mich wirklich wahrgenommen. Erst als ich drei verdammt lange Tage verschwunden war", sie schluchzt bei dem letzten Satz. Was für ein Arschloch von Vater ist denn das bitte?

"Er hat dann ein paar seiner unendlich vielen Handlanger dazu beauftragt mich ausfindig zu machen. Ich wurde bewusstlos bei einem meiner schmierigen Freunde, wie mein Vater sie zu nennen gepflegt hatte, gefunden. Er hat mich dann in eine Entzugsklinik geschickt und als ich draußen und clean war, hat er mich, um nicht rückfällig zu werden, von meinen Freunden getrennt und mich nach L.A. verfrachtet um endgültig die Verantwortung für mich fallen zu lassen. Und hier bin ich nun eine drogenfreie Joy, die es trotz unzähligen Alkoholvergiftungen immer wieder mit dem Alkohol aufnimmt, weil sie einfach zu dumm ist um es sein zu lassen", erzählt sie und lächelt am Ende gequält. Ich würde ihr gern sagen, dass sie nicht dumm ist, aber es ist leider wirklich dumm, Alkohol zu trinken. So wie mein Bruder Dylan. Also sage ich nichts und lasse sie einfach weiterreden.

"Mein Vater meinte zum Abschied noch 'Ich verspreche dir alles in L.A. zu finanzieren, wenn du clean bleibst'. Pfft als würde ich um sein Geld betteln, aber was ich eigentlich immer wollte, war seine Aufmerksamkeit. Schon als Kind, hat er mich nie wirklich beachtet und hat mich von Kindermädchen groß ziehen zu lassen. Und als ich dann alt genug war, schmiss er mir das Geld hinterher", traurig senkt sie wieder ihren Kopf und starrt auf ihre Hände, die in ihrem nackten Schoß liegen.

"Was ist mit deiner Mutter?", frage ich darauf bedacht sanft zu klingeln, weil ich befürchte, dieses Thema sensibel behandeln zu müssen und ich sollte recht behalten.

"Meine Mutter ist, als ich gerade mal sieben Jahre alt war, an Brustkrebs gestorben." Das trifft mich wie ein Blitz. Mit weit aufgerissenen Augen schrecke ich zurück. Was für eine Bitch Karma doch ist... In ihren Augen blitzen die Tränen und am liebsten würde ich sie sofort in den Arm nehmen, aber irgendwie traue ich mich nicht.

"Er- Er hat sie geliebt, da bin ich mir hundert Prozent sicher, aber anscheinend hat er mich nicht genug geliebt um sich um mich zu kümmern und mir ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken", schluchzt sie wieder und versucht ihre Tränen so gut wie es geht zurückzuhalten. Ich halte ihren traurigen Anblick nicht mehr aus und nehme sie in den Arm.

"Du hast es verdient, gut behandelt zu werden", flüstere ich in ihre Halsbeuge hinein und schiebe noch ein "und du bist perfekt" hinterher. Somit versichere ich ihr meine Worte von vorhin und meine es vollkommen Ernst.

JoyTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon