Zwölf

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"Lass dich nicht von ihm unterkriegen", spreche ich mir selber Mut zu während ich das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine stelle. Dieser verdammte Mistkerl. Ich weiß nicht was er mit mir anstellt, aber immer wenn er in der Nähe ist, schaltet mein Gehirn ab und es kommt nur Scheiße aus meinem Mund. Seufzend schließe ich die Spülmaschine.

"Es muss an seinen Augen liegen", überlege ich laut.

Was soll's, dann weiß er eben, dass ich ihn heiß finde. Ich mein, wie kann man diesen Adonis nicht heiß finden? Mit seinem dunkelbraunen Haar und diesen silbernen Augen. Das geht gar nicht anders, als ihn heiß zu finden und das weiß er selber nur zu gut.

Ich gehe ins Bad und mach mich langsam für meinen ersten Tag fertig.

Reece, der Chef der Bar, hat gestern gemeint, dass ich erst um 2pm kommen soll. Da er jeden Tag erst um 4pm aufmacht, will er mir wahrscheinlich erst alles zeigen und mich einarbeiten.

Es ist kurz nach 11am, also habe ich ca zwei Stunden Zeit um mich fertig zu machen. Ich brauche vom Apartment zum Venice Beach, wo die Bar ist, ungefähr 30 Minuten mit der Metro Rail.

Dabei wäre ich mit einem Auto wahrscheinlich schneller da.

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"Hallo", schreie ich viel zu fröhlich, als ich die Bar betrete.

"Sperr bitte die Tür ab", kommt es von Reece.

Mit zusammengekniffenen Augen sperre ich die Tür ab "Willst du mich etwa hier einsperren und dann Köpfen?"

Er lacht herzhaft "Du hast ja eine blühende Fantasie. Fangen wir an."

Nach zwei Stunden, geht er zur Bartür und schließt sie auf "Bist du bereit für die ganzen Säufer?"

Reece Peralez, grünäugiger Lockenkopf und Besitzer der Bar, hat mir alles gezeigt was ziemlich schnell von statten ging, da ich mich sehr gut mit Drinks und Alk allgemein auskenne. Wenn ihr wisst was ich meine.

Außerdem habe ich noch erfahren, dass er Spanier ist, was man an seinem Nachnamen nicht schwer erkennen kann und dass er 25 Jahre alt ist. Also genau so alt wie Dylan.

Wir haben die Arbeitszeiten und das Gehalt besprochen, weiterhin hat er mir gezeigt was ich alles machen muss. Als wir bei den Drinks angekommen sind, war er sehr darüber erstaunt, was ich draufhab und hat mir sogar erlaubt ab und zu als Barkeeper zu fungieren. Ansonsten ist es meine Arbeit die Gäste zu bedienen und zum Ladenschluss zusammen mit Reece die Bar aufzuräumen.

"Steht's zu Diensten der Säufer", gebe ich lachend zurück und salutiere.

Und schon stürmen die ersten Surfer rein, stellen ihre Surfbretter neben die Tür und setzen sich an einen der Tische. Da die Bar direkt am Strand ist, wird das sicher noch oft passieren, dass hier halb nackte Surfer reinspazieren.

"Dein Auftritt", sagt Reece und geht hinter die Bar.

Ich streiche meine schwarze Schürze glatt und gehe zu den drei Surfern, die sich lautstark über etwas amüsierend unterhalten.

"Was kann ich euch bringen?"

"Drei Moylan's", sagt der Blonde. Ich lächle ihn an und drehe mich um.

"Drei Moylan's", wiederhole ich an Reece gewandt. Er öffnet die Bierflaschen und stellt sie auf ein Tablett, das ich an mich nehme und damit zurück zu den Tisch gehe.

Ich beuge mich zu dem Tisch runter und stelle jeweils ein Bier vor den Surfern ab.

"Drei Moylan's", sage ich als ich fertig bin.

Niemand sagt etwas, also drehe ich mich wieder um und gehe los.

"Danke, Süße", kommt es von hinten. Ich drehe mich zu dem Tisch und sehe, wie einer sein Bier hochhält und mir ein zweideutiges Grinsen schenkt. Die anderen beiden fangen an laut zu Lachen. Ich bleibe locker, grinse ihn an und zwinkere, bevor ich mich wieder umdrehe. Sofort hören sie auf zu lachen und verstummen.

"Das hättet ihr jetzt nicht erwartet, was?", flüstere ich so leise, dass niemand es hört.

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"Bis morgen." Ich winke ihm zu. Er öffnet gerade seine Autotür "Und ich soll dich wirklich nicht nach Hause fahren?"

"Nein", winke ich ab "das ist nicht nötig, danke."

"Dann bis morgen, schönen Abend noch." Schon ist er eingestiegen und hat seinen Motor gestartet.

"Dir auch", flüstere ich und ziehe mir meine Jacke enger um den Körper, obwohl es gar nicht kalt ist. Es ist Anfang Juni und laut meinem Smartphone sind es knappe 17°C.

Schnell mache ich mich auf den Weg zur Metro Rail, um nach Hause zu kommen. Da es kurz nach 11pm ist, sind die Wagons des Metros fast leer, was mir ein wenig ungeheuer ist.

Ich nehme mir fest vor, mit meinem ersten Gehalt einen Wagen zu kaufen, sei es auch ein Gebrauchtes.

Ich könnte es auch meinem Vater sagen und er würde mir sofort einen aus Denver herbringen lassen, doch ich gebe ihm nicht die Genugtuung. Da fahr ich lieber mit der gruseligen Metro.

Ich will von meinem Vater unabhängiger werden. Er hat mir schon mein Apartment gezahlt, da will ich nicht einen Neuwagen kaufen und somit meine Platin Card belasten. Denn er hat bestimmt seine Handlanger damit beauftragt meine Platin Card zu überwachen. Wenn ich mir damit einen Neuwagen kaufen würde, würde ich nur sein Arschloch-Ego pushen und das will ich ganz sicherlich nicht.

Also fahre ich weiterhin mit der Metro, bis ich mein erstes Gehalt in der Hand halte und mir einen Wagen gönnen kann.

Bei meiner Station steige ich aus und laufe das kurze Stück zum Apartment. Ich öffne die Tür des Gebäudes, nicke dem Nacht-Portier Paul freundlich zu und laufe weiter zum Aufzug.

Die Türen öffnen sich im zweiten Stock mit einem schrillen *Pinggg* und ich trete in den Flur hinaus, der eigentlich dunkel sein sollte. Doch es strahlt ein wenig Licht von Dylans Tür, die einen Spalt geöffnet ist. Außerdem schallen laute Musik und viele Stimmen aus seinem Apartment. Er schmeißt mal wieder ne Party oder so. Ich gehe auf meine Tür zu, doch drehe mich um und sehe Dylan's an. Neugierig beiße ich mir auf die Unterlippe und überlege, ob ich einfach reingehen soll. Ich meine natürlich nur um mich über den Krach zu beschweren. Da ich noch nie in seinem Apartment war, er aber ständig in meinem ist, siegt meine Neugier und ich gehe auf seine Tür zu.

JoyWhere stories live. Discover now