44.

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In dieser Nacht werde ich von Alpträumen verfolgt. Diese Träume drehen sich größtenteils um Zack und meinen Vater. Beide haben mich verletzt, beide male hatte ich das Gefühl, ihnen nichts zu bedeuten. So musste es sein. So schrecklich es auch klingt.

Als ich mich am Morgen aus dem Bett stemme und zum Spiegel watschle, erschrecke ich vor meinem Anblick. Meine babyblauen Augen sind rot gerändert und unter ihnen sind dunkle Schatten, die bezeugen, dass mein Schlaf nicht der Beste war. Außerdem sind meine Haare ein einzuges durcheinander und die Umrisse der Zahl zwölf ist immer noch auf meiner Wange. Mit Tränen in den Augen wische ich sie weg. Sie erinnert mich nur daran was Zack getan hat. Mit immer noch verschwommener Sicht mache ich mich dran die geflochtenen Zöpfe zu lösen, die Cass so nach hinten gebunden hat, dass sie die restlichen Haare zurückhalten.

Erst als ich die kleinen Zöpfe gelöst und durchgekämmt habe, wende ich mich an die blauen Flecken auf meinen Beinen. Ich hätte mich gestern nicht auf den Weg fallen lassen sollen. Seufzend untersuche ich sie, was im wesentlichen daraus besteht, dass ich einfach auf ihnen herumdrücke, um zu sehen wie sehr sie weh tun.

Immer noch mit meiner Uniform bekleidet, lasse ich mich wieder auf das Bett fallen und lege einen Arm über meine Augen. Ich weiß, dass Selbstmittleid nie irgendjemanden hilft, jedoch kann ich nicht anders als das Geschehen revue passieren zu lassen, doch diesmal zwinge ich mich ruhig zu bleiben. Einen weiteren Nervenzusammenbruch kann ich mir nicht leisten, vor allem wenn man bedenkt, dass ich beim letzten einfach abgehauen bin.

Vielleicht sollte ich Cass anrufen.

Bevor ich aber auch nur aufstehen kann, öffnet sich die Zimmertür und Misses Graham tritt herein.

"Guten Morgen, Lauren. Wie geht es dir heute." Ihr faltiges Gesicht spiegelt eine menge Besorgniss wieder.

"Danke, Ihnen auch guten Morgen, Misses Graham." Leicht lächle ich der alten Dame zu, als ich mich aufsetze. Obwohl sie uns immer wieder gebeten hat, sie einfach Christine zu nennen, sind ich und mein Bruder immer bei 'Misses Graham' geblieben. Manchmal, als wir noch ganz klein waren, haben wir sie aber auch Granny genannt, weil Zack das so gemacht hat. Beim Gedanken an Zack zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen, doch ich schiebe das ungute Gefühl einfach zur Seite.

"Ich dachte mir, dass du das vielleicht suchst." Sagt sie und legt mir mein goldenes IPhone in die Hand. "Ich konnte es aufladen, zum Glück hat meine Tochter beim letzten Besuch ihr Ladegerät vergessen." Mit einem leichten grinsen nehme ich es entgegen.
"Nur damit du es weißt, Schätzchen, du kannst solange bleiben wie du willst. Ich weiß, dass die Situation im Moment schwierig für dich ist, aber bitte gib zumindest jemanden bescheid, dass es dir gut geht." Leicht streicht sie mir über das Haar und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel. Dann verschwindet sie aus dem Zimmer.

Besorgt mustere ich das Telefon, das immer noch in meiner Hand liegt. Was wird mich wohl erwarten?

Unsicher drücke ich auf den Einschaltknopf, doch was ich sehe, lässt mich verblüfft innehalten.

57 Unbeantwortete Anrufe
26 Ungelesene Nachrichte
Und
89 Benachrichtigungen auf Whatsapp

Immer noch verunsichert beginne ich zu lesen, was geschrieben worden ist. Wie zu erwarten, waren es zuerst Fragen, wo ich stecke, dann nach kurzer Zeit kamen Flüche dazu und zum Schluss wurde regelrecht Gewütet vor Sorge. Alle Chats folgen diesem Muster. Als ich meine Anruferliste durchsehe, erkenne ich, dass ungefähr die Hälfte der Anrufe Evan und Cass waren, die restlichen teilten sich die Jungs auf. Doch ein Name springt mir regelrecht ins Auge. Und das nicht nur, weil ein kleines Herz daneben ist. Icb dränge die aufsteigenden Gefühle zurück, die jetzt auch einen gewaltigen Teil Wut enthielten, und wählte Cass Nummer.

Nach nur einem Läutton geht sie ran. Ich kann lautes Murmeln im Hintergrund hören, woraus ich schließe, dass die Jungs ebenfalls zuhören.

"Verdammt Lu! Wo bist du? Wir haben uns Sorgen gemacht." Ihre Stimme klingt ganz erstickt vor Freude und auch Wut.

"Sorry, Cass." Seufze ich.

"Sorry, Cass? SORRY, CASS?" die wütende Stimme meines Bruders tönt durch den Hörer.

"Evan, beruhige dich." Versuche ich auf ihn einzureden. Was ihn sofort dazu bringt mir einen Vortrag zu halten. Normalerweise hätte ich ihn einfach mit einem Augebrollen abgetan, aber heute habe ich nicht die Nerven dazu. Mitten in seinem Geschwafel breche ich ihn ab.

"Hör Mal zu, Evan." Sage ich mit leister, erstickter Stimme. Er muss hören, dass etwas nicht stimmt, den sofort wird er mucksmäuschenstill. "Ich weiß, dass ihr euch Sorgen gemacht habt, aber mir geht es gut. Oder zumindest so gut wie. Ich habe etwas entdeckt, dass mir viel früher hätte klar sein müssen und das muss ich erst mal verdauen. Ich bin in Sicherheit, nur brauche ich noch ein wenig Zeit um alles zu verstehen." Seufzend wische ich mir die einzelnen Tränen von den Wangen, die sich während meines Vortrages gebildet haben.

Ein tiefes seufzen ertönt, und ich höre quasi wie sich die Räder in seinem Kopf drehen, er überlegt wo ich bin, dann spricht Evan wieder normal mit mir. "Versprich mir, dass du nicht draußen zeltest." Sagt er, als im klar geworden ist wo ich hingefahren bin.

"Ich verspreche es dir, wenn du mir versprichst mir die Zeit zu geben, die ich brauche und es ihnen nicht sagst wo ich bin." Antworte ich schließlich leise. Zustimmendes und Ablehnendes Gemurmel ertönt von der anderen Seite, bis mir Evan sein Wort gibt.

"Lu." Ertönt nun eine andere Stimme. Seine Stimme. Er klingt so traurig, dass ich am liebsten durch das Handy greifen würde um ihn zu trösten. "Es tut mir so Leid. Wenn ich könnte würde ich es Rückgängig machen, aber es geht nicht. Durch diesen dummen Fehltritt habe ich das Mädchen verletzt das ich liebe. Das Mädchen das mir so wichtig geworden ist, das mir immer schon wichtig war. Es tu..." weiter kommt er nicht, denn ich lege auf. Ich kann und will mir seine Entschuldigungen nicht anhören, zuerst muss ich selbst damit fertig werden. Mein Vertrauen in ihn ist zerstört...

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