Kapitel 104: Kai

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Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht zu weinen. Aber Garmadon hatte offenbar andere Pläne. Verdammt legte er Kraft in seine Schläge. Es dauerte nicht lange, da fing ich an, unruhig zu werden.

Garmadon gebot dem Einhalt und setzte die Bestrafung unbeirrt fort. Fixierte mich stärker, seine Schläge wurden gemeiner. Und bald winselte ich tatsächlich um Gnade.

Schließlich hörte er auf und erlöste mich. „Steh auf."

Ich stand auf wackeligen Beinen, als er mich in eine Umarmung schloss. Ich wollte ihn wegstoßen, ihn anschreien, dass ich ihn dafür hasste. Aber das tat ich nicht. Ich ließ die Umarmung zu. Erwiderte sie sogar noch. Denn scheinbar brauchte ich sie gerade mehr als alles andere.

„Bist du noch wütend?", traute ich mich irgendwann zu fragen.

„Ja, aber gerade habe ich Mitleid mit dir."

Ich verkniff mir meinen bissigen Kommentar und ließ mich von ihm zum Sofa führen. Das Hinsetzen schmerzte, genauso wie meine Würde. Den Blickkontakt zu ihm mied ich bewusst.

„Mein Vater hätte das nie getan", sagte ich stattdessen.

„Nun, ich bin aber nicht dein Vater."

Ich erwiderte darauf nichts.

„Na komm, es gibt Schlimmeres als vom Onkel den Hintern versohlt zu bekommen."

Mein Gesicht lief rot an. „Sag das nicht so."

„Wieso?" In seiner Stimme schwang ein Hauch von Belustigung mit. „Ist es dir peinlich?"

„Liegt doch auf der Hand", murmelte ich.

Er wuschelte durch mein Haar und stand auf.

„Wie hat Meister Wu das gemacht?", fragte ich.

„Wie genau weiß ich nicht. Aber es wird eine Fähigkeit von Dämonen sein, die er sich wohl angeeignet hat. Ob wir dazu ebenfalls in der Lage sind, keine Ahnung."

„Er hat die Erinnerungen sämtlicher Menschen manipuliert. Und das innerhalb weniger Sekunden."

„Waren es Sekunden?", fragte er und drehte sich zu mir um. „Oder kam es uns lediglich so vor?"

Schweigend dachte ich darüber nach. Da fiel mir das Rätsel von Dawood wieder ein:

Wo Licht und Schatten sich vereinen, bildet sich ein Kreis ohne Gemeinen.

Anhand dieser Zeile sind Lloyd und ich zu dem Schluss gekommen, dass damit entweder eine Sonnen- oder Mondfinsternis gemeint ist. Vielleicht sogar beides.

In blauer Glut, das Selbst verzehrend, Dunkelheit umarmend, neu begehrend.

Das klang für mich so, als müsste man sich in der Dunkelheit der Sonnen- oder Mondfinsternis in blaues Feuer hüllen. Ob das richtig war, ich wusste es nicht. Aber es war unser einziger Anhaltspunkt.

Sie tauchen hinab, um neu zu leben, in jener Welt, die kein Sterblicher kann geben.

Wenn wir diese Bedingungen erfüllen, gelangen wir in die Welt der Dämonen. War's das? War das alles? War das der Weg hineinzukommen? Und wenn ja, war es klug hineinzugehen? Oder würden wir dort nur einen qualvollen Tod sterben?

„Worüber denkst du nach?"

„Nur über ein paar Worte, die einst von Dawoods Vater stammten."

Sein irritierter Blick lag auf mir. „Wovon sprichst du?"

„Na ja", begann ich zögernd. „Womöglich gibt es da noch etwas, von dem ich dir nie erzählt habe."

„Und du wunderst dich, dass ich dich bestrafe."

„Ich wundere mich nicht darüber, dass du es tust, sondern über die Art, wie du es tust."

„Wie auch immer", murmelte er und setzte sich wieder zu mir. „Also, wirst du mir jetzt davon erzählen oder benötigst du einen Nachschlag von eben?"

„Ich erzähle es ja schon."

Besonders viel gab es da nicht zu erzählen. Der Streit zwischen Dawoods Vater und seinem Bruder, der Selbstmord. Das Rätsel, das er seinem Sohn hinterlassen hat. Und Lloyds und meine neuesten Erkenntnisse darüber.

Nachdem ich geendet hatte, starrte mich Garmadon lange an. „Du und Lloyd habt also vor, die Welt der Dämonen zu besuchen?"

„In erster Linie ging es uns darum, das Rätsel zu lösen. Ob wir da wirklich hinwollen, ist eine andere Sache."

„Immerhin besitzt du noch ein letztes Fünkchen Verstand", murmelte er.

„Ich bin ja nicht komplett bescheuert."

Er warf mir einen nicht zu deutenden Blick zu, ehe er fortfuhr. „Die nächste Sonnenfinsternis ist noch viele Jahrzehnte hin. Aber die nächste Mondfinsternis ... die sollte gar nicht mehr so weit entfernt sein." Er stand auf und lief sein Bücherregal ab. Dann nahm er ein Buch heraus, blätterte darin herum, stellte es wieder rein und griff zum nächsten Buch. „Irgendwo hier stand es doch."

„Vielleicht steht das, was du suchst, auch im Internet."

„Vielleicht findest du die Antwort auf dein Rätsel auch im Internet."

„Sehr witzig", murrte ich.

„Das war kein Witz." Schließlich kam er mit dem Buch zurück zum Sofa und setzt sich. „In einer Woche."

„Was?"

„Die nächste Mondfinsternis. Sie findet in exakt einer Woche statt."

„Dann bleibt uns ja kaum noch Zeit."

„Zeit wofür?", fragte er und durchbohrte mich mit seinem Blick.

„Na ja ..."

„Was erhofft ihr euch davon, ihre Welt zu betreten?"

„Ich für meinen Teil erhoffe mir Antworten. Ich will wissen, warum mein Vater damals sterben musste. Wohin meine Mutter vielleicht verschwunden ist. Was uns vielleicht bald schon bevorstehen mag."

Sein Blick ruhte lange auf mir. „Okay", sagte er schließlich. „Aber ihr werdet nicht allein gehen."

Fragend sah ich ihn an.

„Ich werde euch begleiten."

Ninjago: Blaue FlammenTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon