Kapitel 85: Lloyd

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„Der macht wohl Witze", fluchte ich gereizt. „Na warte, wenn ich den in die Finger bekomme. Dann kann er aber was zu hören bekommen!"

„Nimm's mir nicht übel, aber ich hielt ihn bereits in dem Moment für einen komischen Kauz, als ich den Brief gelesen habe", murmelte Kai.

„Ich verstehe einfach nie, was in seinem Kopf vorgeht. Unseren Freund sollen wir retten, ja genau." Ein kurzer entschuldigender Blick zu Cole. „Er hätte dich selbst davon abhalten können zu gehen, wenn er es doch gewusst hat." Frustriert seufzte ich auf. „Dann kommen wir erfolgreich zurück und wie dankt er es mir? Richtig, mit einem blöden Wettkampf!"

„Viel gruseliger finde ich, dass er die ganze Zeit über gewusst hat, dass Sensei Garmadon Kais Onkel ist. Woher weiß er das überhaupt? Und woher hat er dieses Foto?"

„Was weiß ich", murmelte Kai. Offenbar hatte er keine Lust, weiter darüber zu reden. 

Ich ahnte, was ihm gerade durch den Kopf ging. Dass das Verrückteste an meinem Onkel die Eröffnung dieser Schule war. Eine Schule, um Krieger für den Kampf gegen die Dämonen auszubilden. Krieger, die in Wirklichkeit selbst Dämonen waren. Ich war auch einer, auch wenn ich es gerne mal vergaß.

Kai und Cole verschwanden in ihren Zimmern, ich ging in meines. Den Rucksack schmiss ich aufs Bett, durchwühlte ihn, bis ich fand, wonach ich gesucht hatte, und schlüpfte in meinen Kampfanzug. Dann ins Badezimmer. Gesicht waschen. Haare einigermaßen richten. Ich wollte nicht schon vor dem Kampf wie nach dem Kampf aussehen.

Pünktlich trafen wir drei uns wieder auf dem Gang und machten uns gemeinsam auf den Weg in die Arena. Unterwegs trafen wir auf Jay und Nya.

„Ihr verdammten -", setzte er an. „Wo zum Teufel wart ihr eigentlich?!"

„Lange Geschichte", sagte Kai.

„Es ist mir egal, wie lang sie ist. Ich will jedes einzelne Wort darüber hören!"

Kai rollte mit den Augen. „Wo wir waren oder was wir gemacht haben, geht dich nicht das Geringste an."

Ein Seitenstoß von Nya folgte als Quittung. „Jetzt hör schon auf. Wir sind ein Team und so sollten wir uns auch behandeln. Außerdem hast du es ja nicht einmal für nötig gehalten mir, deiner Schwester, zu erzählen, wo du warst und warum."

Auf seinem Gesicht zeigte sich ein leichter Rotschimmer der Verlegenheit. Niedlich.

„Wir können später in Ruhe darüber quatschen", versuchte Cole die Situation zu beruhigen. „Aber nicht jetzt. Und erst recht nicht hier."

Jay und Nya erklärten sich damit einverstanden. Wir betraten die Arena, die bereits weitestgehend gefüllt war. Auf den Rängen herrschte reges Treiben, überall Stimmen, Gelächter, gut gelaunte Zuschauer.

Was besagte der aktuelle Punktestand eigentlich?

Als hätte Jay meine Gedanken gelesen, antwortete er. „Die Ninja liegen mit acht Punkten um zwei hinter den Samurai. Heißt, wenn du alle drei Runden gewinnst, stehen wir auf dem ersten Platz."

Das klang nicht allzu schlecht. Aber dafür musste ich überhaupt erstmal gewinnen. „Und wie steht es um die Sohei?"

„Die liegen mit insgesamt drei Punkten ziemlich weit hinten", lachte Jay. „Mit Neuro hast du bestimmt auch leichtes Spiel."

Er ist der Meister der Gedanken. Ich glaubte nicht daran, dass es einfach werden würde. Aber immerhin würden wir weiterhin auf Platz zwei bleiben, sollte ich alle drei Runden verlieren.

Zane trat zu uns. In Begleitung Sensei Garmadon. Sein Blick war wie immer undefinierbar.

„Schön, dass ihr wieder da seid", begrüßte uns Zane mit einem Strahlen auf dem Gesicht. „Ihr müsst mir später unbedingt erzählen, wo ihr gewesen seid und was ihr erlebt habt."

„Das würde mich auch mal interessieren", sagte Sensei Garmadon, jedoch weniger erfreulich. Hatte mein Onkel ihm denn nichts erzählt?

Cole starrte ihn lange an, ehe er begann, zwischen ihm und Kai hin und her zu sehen.

„Was ist los, Hence? Gibt es vielleicht irgendetwas Spannendes in meinem Gesicht?"

„Äh, nein, nichts, Sensei", sagte dieser schnell und wandte den Blick ab. Unangenehm. Und auffälliger ging es wohl auch kaum mehr.

„Montgomery, kommen Sie eben rüber." Er winkte mich ein wenig abseits der anderen und begann mit ein paar Tipps für den Wettkampf. „Versuche, deine Gedanken und Emotionen zurückzuhalten, sie vor ihm abzuschirmen. Ein spezielles Training wäre natürlich besser gewesen, gezielte Meditation, die deinen Geist stärkt, aber dafür ist die Zeit nun nicht da. Versuche das, was du bisher gelernt hast, jetzt im Kampf umzusetzen."

„Ich werde mein Bestes geben", sagte ich und deutete eine kleine Verbeugung zum Dank an.

Dann rief uns mein Onkel bereits auf den Kampfplatz und ich ging hinunter, um noch intensiver von den Schaulustigen begafft zu werden. Neuro erwartete mich bereits.

„Dir sind die vielen Zuschauer zuwider, habe ich recht?" Das wissende Grinsen auf seinem Gesicht gefiel mir nicht.

Natürlich ist sein Gedankenlesen eine Elementarkraft und er durfte sie erst in der letzten Runde einsetzen. Aber Sensei Garmadon und ich wussten beide, dass er sich nicht daran halten würde. Wer sollte schon beweisen können, dass er ganz nebenbei in meine Gedanken eindrang?

„Wie recht du hast, Lloyd, wie recht du hast", säuselte er und begab sich in Angriffsposition. Das Schwert hielt er gesenkt. „Aber viel lieber möchte ich von dir wissen, wo du die letzten Tage gewesen bist."

„Über meine Lippen wirst du kein Wort erfahren."

„Ich brauche deine Lippen nicht, um es zu erfahren. Wenn du daran denkst, reicht mir das."

Dann das Startsignal und Neuro griff an.

Ich riss das Schwert hoch, aber mein Gegner hatte dies längst kommen sehen und zielte auf meine Beine. Kurz geriet ich ins Taumeln.

„In deinen Gedanken sehe ich ein altes Wirtshaus. Die Stadt Bernello. Eine Umkleidekabine. Ein Restaurant. Eine Burg."

„Hör auf damit!", zischte ich und brachte Abstand zwischen uns. „Das hier ist ein verdammter Schwertkampf, keine Teestunde! Entweder du kämpfst ernsthaft oder du lässt es bleiben!"

„Ich kämpfe auf meine Art. Mit dem Geist. Der stärksten Waffe des Menschen." Wieder dieses Grinsen. „Du bist doch auch ein Mensch, oder irre ich mich da?"

Eine plötzliche Angst ergriff Besitz von mir. Was hatte er bereits alles aus meinen Gedanken gelesen? Was wusste er? Nein, ich durfte nicht darüber nachdenken. Ich muss an etwas anderes denken. Muss meine Gedanken verwirren. Ihn verwirren.

„Ziemlich erbärmlich, wie du versuchst, auch nur glaubst, den Hauch einer Chance gegen mich zu haben. Die Gedanken eines Menschen sind der Schlüssel, um ihn zu knacken."

Dann geschah etwas Merkwürdiges. Wärme umhüllte mich, wie einen Schutzschild. Wie eine Blase, die mich vor Neuros Kräften beschützte, mich von ihnen abschirmte.

Es war nur ein Gefühl, aber ich sollte recht behalten. Neuros Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig.

„Was zum ... wie hast du das gemacht?!"

„Lies es doch aus meinen Gedanken, wenn du das kannst", stichelte ich und setzte zum Angriff an. „Endlich können wir richtig kämpfen."

Und ich dachte: Kai, das ist dein Werk, oder? Verstoßen wir jetzt gemeinsam gegen die Regeln?

Der Schock kam, als ich plötzlich eine Antwort erhielt. Kai sprach zu mir. Aber ich hörte ihn nicht über meine Ohren, sondern in meinem Kopf. „Schon vergessen? Wir sind Ninja. Das gehört zu unserem schlechten Ruf."

Ich konnte nicht anders als zu Grinsen.

Ninjago: Blaue FlammenWhere stories live. Discover now