Kapitel 84: Lloyd

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„Um mich zurückzuholen, habt ihr ja so einiges auf euch genommen", sagte Cole, als das Ende unserer Reise fast zu Ende war.

„Ja. Wie wäre es mal mit einem Dankeschön?"

Cole winkte ab. „Wieso? Ich habe euch nicht darum gebeten."

„Und trotzdem bist du mitgekommen", argumentierte ich gegen.

„Warum eigentlich?", fragte Kai, der seit dem Vorfall in der Burg kaum gesprochen hatte. Hatte das etwas mit diesem Dawood zu tun?

„Warum ich so bereitwillig mit euch gekommen bin?"

„Nein, also ja, das auch. Aber ich meine, warum bist du überhaupt erst davongelaufen?"

Jetzt war es an Cole zu schweigen.

„Ist es wegen dem Wettkampf, den du verloren hast?", fragte Kai unbeirrt weiter. „Wegen deinem Vater?"

„Wenn du es sowieso weißt, warum fragst du dann so blöd?", knurrte er und warf die Arme über den Kopf. „Ja, natürlich deswegen! Ich habe meinen Vater angelogen und nun hasst er mich. Ich habe mich von Karloff jämmerlich verprügeln lassen und eine Niederlage eingesteckt. Sowohl als Musiker als auch als Ninja habe ich versagt. Es gab keinen Sinn mehr, länger hierzubleiben."

„Und warum bist du zurückgekehrt?"

Ich sah Cole seine Fäuste anspannen. „Weil es keine Lösung ist vor seinen Problemen davonzulaufen, das habe ich inzwischen kapiert."

Mein Blick huschte zu Kai. Ein Funkeln in seinen Augen. Ein kurzes Stocken. Er versuchte es zu verstecken, aber ich sah es trotzdem. Eine tiefe Einsicht, die er bereits selbst auf die schmerzvolle Art kennenlernen musste. Hatte er doch die ganze Zeit selbst versucht, die Wahrheit zu verdrängen und vor ihr davonzulaufen.

Er nickte. „Ja, ich verstehe dich. Schön, dass du auch dahinter gekommen bist." Ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht, das mir Schmetterlinge im Bauch bescherte. Er legte ihm seinen Arm um die Schulter und ich spürte leichte Eifersucht in mir hochkommen. „Mach dir nichts aus dem Wettkampf. Karloff war nun mal ein starker Gegner. Einer der Stärksten."

„Morro und Skylor sind noch stärker", sagte er.

Ich sah einen Schatten über Kais Gesicht huschen. „Vielleicht." Und dann ein Thema zurück. „Wirst du mit ihm sprechen? Mit deinem Vater, meine ich."

„Ich werde es zumindest versuchen. Bald, hoffe ich. Nur weiß ich noch nicht so ganz, was ich ihm überhaupt sagen soll."

„Die Wahrheit", sagte ich.

„Schon. Die kennt er ja bereits. Aber wie formuliere ich meine Entschuldigung dafür, dass ich ihn die ganze Zeit angelogen habe?"

„Auch mit der Wahrheit. Dass du Angst hattest, ihn zu enttäuschen. Angst davor, dass er dich ablehnen würde."

Kai warf mir einen kurzen Blick zu, und dann zu Cole: „Wenn er dich wirklich liebt, und das tut er, denn er ist dein Vater, dann wird er dich auch verstehen und akzeptieren. Da bin ich mir sicher."

„Danke, dass ihr mir so zusprecht. Dadurch fühle ich mich etwas besser." Aus seinem bedrückten Lächeln wurde ein Grinsen und er stieß Kai in die Seite. „Weißt du, mein Vater denkt immer noch, dass Sensei Garmadon dein Onkel ist."

Kai ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Wog offenbar ab, was nun besser war zu erzählen. Aber er blieb sich treu. „Na ja. So verkehrt ist das auch gar nicht."

Cole starrte ihn verdutzt an. „Warte, seit wann nimmst du das so leichtfertig hin?"

„Wir wollten doch bei der Wahrheit bleiben, oder? Nun, das ist die Wahrheit."

In seinem Gesicht tat sich ein Fragezeichen nach dem anderen auf. „Ich verstehe nicht ganz ..."

Ich sah es Kai an, wie viel Überwindung es ihn kostete, das nun Folgende auszusprechen. „Sensei Garmadon ist der Bruder meiner Mutter. Also mein Onkel."

Cole sah aus, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen. „Du willst mich auf den Arm nehmen, habe ich recht? Sensei Garmadon ist niemals -"

„Doch, ist er. Meister Wu hat uns ein Foto gezeigt, wo er zusammen mit meiner Mutter zu sehen ist. Geschwister. Zwillinge." Er seufzte. „Ja, ich weiß, was du jetzt denkst. Das ist verrückt. Wie kann aus einem albernen Scherz so bitterer Ernst werden? Nun, das habe ich mich auch gefragt. Um ehrlich zu sein, war ich so entsetzt darüber, dass ich panisch aus dem Raum geflohen bin. Und die Treppe runtergestürzt bin."

„Und dann hast du deine Erinnerungen verloren", sagte er langsam. „Auch das?"

Kai nickte. „Ja. Und als ich mich schließlich wieder daran erinnern konnte, tat ich weiterhin so, als ob ich es vergessen hätte. Weil ich es einfach nicht akzeptieren konnte, nicht akzeptieren wollte."

Noch immer sprachlos starrte Cole ihn an. „Und nun? Weiß Sensei Garmadon inzwischen, dass du es weißt?"

„Ich würde dir gerne erzählen, dass ich eingesehen habe, dass ich vor der Wahrheit nicht davonlaufen kann. Na ja, eigentlich wusste ich es auch. Und dennoch hinderte mich die Angst daran, etwas zu sagen. Er hat es herausgefunden, weil ich mich verplappert habe."

Und der Kuss?, drängte sich die Frage in meinen Kopf. Wolltest du den auch vergessen?

„Das ist ziemlich abgefahren", murmelte Cole. „Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass du ausgerechnet deinem Onkel hier begegnest? Oder deiner Ex, um das mal vorsichtig hinzuzufügen."

Er lachte auf. „Ja, ich weiß auch nicht, was sich das Leben dabei gedacht hat. Wenn es so etwas wie einen Gott gibt, muss er betrunken gewesen sein, bevor er sich meinen Lebensplan überlegt hat."

Wir erreichten die Akademie. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und das Gebäude warf seine langen Schatten über den sandigen Platz vor uns. Draußen war es still. Es war eine friedvolle Stille. Aus den hohen Gräsern wehte das Zirpen der Grillen herüber und irgendwo im Wald zwitscherte ein Vogel.

„Dann wollen wir mal", sagte Cole und hievte seinen Koffer mühelos die Treppen hinauf. Wir öffneten die große, doppelte Flügeltür und betraten den Eingangsbereich. Hier drinnen war es noch stiller als draußen.

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da räusperte sich eine Stimme in den Lautsprechern über uns. „Willkommen zurück, liebe Reisende!", dröhnte mein Onkel durch die Schule. „Wie ich sehe, wart ihr auf eurer Mission erfolgreich. Hervorragend! Lloyd, du darfst dein Können gleich ein weiteres Mal unter Beweis stellen. In der Arena. Dein Gegner wird Neuro sein. Meister der Gedanken. Der Rest taucht natürlich verpflichtend zum Beifall auf. In einer halben Stunde. Freut euch auf einen spannenden Wettkampf!"

Ninjago: Blaue FlammenWhere stories live. Discover now