Kapitel 42: Kai

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Ein seltsames Gefühl überkam mich, als ich blinzelte und mich in den Armen eines älteren Herren wiederfand, der mir gänzlich unbekannt war. Darüber hinaus spürte ich einen pochenden Schmerz in meinem Kopf, den ich absolut nicht zuordnen konnte. 

Was war nur passiert? Wo befand ich mich hier? Und wer waren all diese Leute um mich herum?

,,Mr. Smith, können Sie mich hören?", fragte der grauhaarige Mann, der noch immer meinen Kopf in seinen Armen hielt. ,,Sind Sie in der Lage mit uns zu sprechen?"

,,Ähm, ja. Verzeihen Sie, aber wer sind Sie und wo bin ich hier?"

Sein Gesichtsausdruck nahm etwas seltsames an. ,,Sie befinden sich hier an der Ryumosho Academy. Und ich bin Ihr Lehrmeister, Sensei Garmadon. Wissen Sie, wer Sie sind?"

Ich dachte eine Weile über seine Frage nach, bis es mir einfiel. ,,Kai, Kai Smith."

Er nickte. ,,Sagt Ihnen der Name Nya Smith etwas?"

Ich runzelte leicht die Stirn. ,,Nein, bin ich vielleicht mit ihr verwandt?"

,,Bring ihn ins Sanitätszimmer, Garmadon", meldete sich der Herr mit dem weißen Bart zu Wort, der neben ihm stand. ,,Ich befürchte, er hat bei dem Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten und leidet nun unter einem Verlust der Erinnerungen. So wie ich das momentan einschätzen kann, kann er sich für den Moment an nichts, außer seinen eigenen Namen erinnern. Wie lange dieser Zustand anhalten wird, vermag ich nicht zu sagen."

,,Können Sie aufstehen?", fragte der Herr, der sich mir als Sensei Garmadon vorgestellt hatte.

,,Ich denke schon."

Er half mir dabei mich aufzurichten und führte mich eine weitere Treppe hinunter. Der Weißbärtige und der Junge, der bisher geschwiegen hatten, folgten uns. Dann stoß der Sensei eine Tür auf und dirigierte mich zu der Liege, auf der ich Platz nehmen sollte. 

,,Lloyd, wir beide gehen fürs erste raus und werden Mrs. Smith Bescheid geben. Komm."

Der blondhaarige Junge nickte und folgte ihm nach draußen. Die Tür fiel hinter den beiden ins Schloss und ich blieb allein bei diesem Sensei, der mich offenbar kannte, an den ich mich allerdings absolut nicht erinnern konnte. 

,,Wer waren die beiden?", fragte ich schließlich, während er sich meinen Kopf genauer ansah.

,,Das waren der Direktor und sein Neffe Lloyd Montgomery. Mr. Montgomery und Sie befinden sich beide im selben Clan, Sie sind beide Shinobi."

,,Shinobi? Sagen Sie mal, auf was für einer Akademie befinde ich mich hier eigentlich?"

Er seufzte und begann damit die Wunde an meinem Kopf zu reinigen, die mir bisher gar nicht aufgefallen war. ,,Sagt Ihnen die Blaue Nacht etwas?"

Verwirrt schüttelte ich den Kopf, der er daraufhin wieder festhielt.

,,Halten Sie bitte still."

Ich erwiderte darauf nichts und dachte nach. 

Er klebte ein Pflaster auf meine Wunde und verband sie anschließend. ,,So, das hätten wir." Sein Blick nahm etwas ernstes an. ,,Ich werde sie nun 48 Stunden unter Beobachtung stellen, um sicher zu gehen, dass Sie keine innerlichen Verletzungen davongetragen haben."

,,Sensei", begann ich zögernd, ,,wie kam es dazu, dass ich von der Treppe gestürzt bin?"

,,Das weiß ich nicht genau, da ich selbst nicht dabei war. Aber ich vermute mal, dass Sie ziemlich aufgewühlt waren und nicht richtig auf die Stufen geachtet haben."

,,Warum war ich aufgewühlt?"

Er sah mich schweigend an und schien darüber nachzudenken, ob er es mir erzählen sollte oder nicht. Schließlich seufzte er. ,,Es würde Ihnen nichts bringen, wenn ich Sie darüber aufkläre, bevor Sie nicht wissen, was zuvor geschehen ist."

,,Werde ich mich denn bald wieder daran erinnern können?"

Er nickte und stand auf. ,,Ich denke schon. Solange halten Sie sich an mich oder Ihre Schwester." Er reichte mir ein Glas Wasser. ,,Hier, trinken Sie das, aber langsam."

Ich nippte ein wenig daran, ehe ich trank. ,,Und gibt es hier jemanden, den ich meiden sollte?"

,,Ja, aber betreffende Personen zeige ich Ihnen später." Er nahm mir das Glas wieder ab und stellte es weg. ,,Gibt es irgendetwas, woran Sie sich noch erinnern können, außer an Ihren Namen?"

,,Mein Vater ist tot, oder?", fragte ich langsam.

,,Ja, das ist richtig. Können Sie sich an seinen Tod erinnern?"

,,Nein, aber ich weiß es." Ich atmete einmal tief ein und aus. ,,Woher wissen Sie davon?"

,,Sie haben es mir erzählt."

,,Haben wir uns denn gut verstanden?"

,,Wir hatten vielleicht ein paar anfängliche Schwierigkeiten, aber im Großen und Ganzen, ja."

,,Sie erwähnten, dass Sie mein Lehrmeister seien. Was haben Sie mir beigebracht?"

,,Unterschiedliches. Unter anderem verschiedene Kampftechniken und die Entfaltung Ihres Elements."

,,Meines Elements?" Ein riesiges Fragezeichen hatte sich in meinem Gesicht gebildet.

,,Jeder Schüler an dieser Akademie beherrscht eines. Ihres ist das Feuer. Sie können es mit bloßer Willens- und Gedankenkraft entfachen, kontrollieren und wieder erlöschen."

Mit großen Augen starrte ich ihn an. ,,Das kann ich?"

,,Mit viel Übung und Training schon. Heute Abend hätten Sie eigentlich eine Sondersitzung bei mir gehabt, um eben diese Fähigkeit besser kontrollieren zu können."

,,Warum eine Sondersitzung?"

,,Sie haben mich darum gebeten. Außerdem hätte es Ihnen nicht geschadet. Ich bezweifle jedoch, dass diese heute Abend noch stattfinden wird."

,,Hatten auch schon andere Schüler bei Ihnen Sondersitzungen?"

Er sah mich komisch an. ,,Bisher ist das noch nicht vorgekommen."

Ungemein führte dies dazu, dass ich grinsen musste. ,,Wir müssen uns wirklich gut verstanden haben."

,,Im Schwertkampf waren Ihre Leistungen immer außerordentlich gut. Auch in diesem würde ich Ihre Fähigkeiten gerne bis aufs Maximum ausschöpfen."

,,Das würde mich freuen", lächelte ich. ,,Also, ich weiß ja nicht, wie das hier gehandhabt wird, aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn Sie mich Duzen würden, Sensei."

Sein Blick nahm erneut etwas seltsames an, dann murmelte er: ,,Unter normalen Umständen Siezen wir die Schüler, allerdings - "

Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. ,,Allerdings was?"

Er seufzte. ,,Einverstanden, Kai. Dann werde ich dich ab sofort Duzen. Denk jedoch daran, solltest du deinen Erinnerungen zurückerlangen, dass ich dies auf deinen Wunsch hin getan habe."

,,Natürlich, aber ich denke nicht, dass ich dann etwas dagegen haben werde. Wie lange kennen wir zwei uns denn schon?"

,,Seit ein paar Wochen." Sein Blick glitt an mir herunter. ,,Sie - " Er räusperte sich kurz. ,,Du solltest dich ein wenig ausruhen, Kai."

Mein Blick fiel auf die drei Betten im hinteren Teil des Raumes. ,,Wenn Sie das befehlen."

,,Ich - ja, ich denke, es wäre zu deinem Besten. Ich werde hier im Raum bleiben, um dich weiterhin unter Beobachtung halten zu können." 

Ich nickte und er half mir beim Aufstehen. 

Kurz darauf fand ich mich auch schon in einem der Betten wieder. ,,Aber wehe Sie starren mich die ganze Zeit an."

Er zog eine Augenbraue nach oben. ,,Ist das eine Drohung?"

,,Ich würde meinem Sensei doch niemals drohen", grinste ich.

,,Wie auch immer. Jetzt schließe Mund und Augen und schlaf."

Ich verdrehte die Augen, schloss sie aber daraufhin. ,,Ja, Papa."

Wie er darauf reagierte, bekam ich nicht mehr mit. Doch für mich hatte dieses Papa irgendetwas befremdliches an sich, vor allem in Bezug auf ihn, meinen Sensei.

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