Kapitel 49: Cole

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Es war einer dieser abendlichen Spaziergänge, der mich nach draußen getrieben hatte. Die Sonne war bereits untergegangen, die Zeit der Dämmerung war vorbei und eine beinahe geisterhafte Dunkelheit hatte sich über den Platz gelegt. Lediglich der Mond und einige Fenster, aus denen noch Licht strömte, erhellten die Umgebung.

Aus dem Wald, der das gesamte Gelände umgab, war ein Heulen einer Eule zu vernehmen. In der Nähe hörte ich das Zirpen einer Grille. Wie ich gelernt hatte, nutzten Ninja derartige Geräusche um sich an ihre Opfer unbemerkt anzuschleichen.

Diese nächtlichen Geräusche waren jedoch nicht die einzigen, die ich vernahm. Ein Zischen, ein leises Flüstern durchbrach die natürliche Atmosphäre der Nacht und drang bis zur Ninja-Trainingshalle. 

Augenblicklich wurde mir bewusst, dass ich hier draußen nicht allein war. Ich blieb stehen und schloss meine Augen, um so die genaue Richtung des kuriosen Flüsterns ausfindig zu machen. Meine Ohren vernahmen die Stimmen von mindestens zwei Personen, das Gefühl in meinen Füßen bestätigte es. Zwei Personen standen hinter der Trainingshalle der Samurai.

Als das Zirpen der Grille wieder eingesetzt hatte, schlich ich mich näher heran. 

,,Mir sind die Hände gebunden und das weißt du!" 

,,Du hättest dich eben nicht zu diesem dämlichen Geständnis drängen sollen."

,,Das war kein Geständnis!"

,,Nenn es wie du willst. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass du es gründlich vergeigt hast."

Es gab keinen Zweifel, diese Stimmen gehörten unmissverständlich zu Morro Arashi und Skylor Chen. Sofort schoss mir eine Erinnerung an eine frühere Konversation der beiden in den Kopf. Auch damals hatte ich sie belauscht, wenn auch eher unfreiwillig.

,,Du wirst mir helfen dieses Video zu löschen."

,,So sah unser Deal aber nicht aus."

,,Solange dieses Video existiert, komme ich nicht mehr an ihn heran. Und an Kai ebenfalls nicht."

Skylor wirkte genervt. ,,Also schön. Aber damit das klar ist, ich erwarte dafür eine Gegenleistung."

Ich fragte mich eher weniger, von was für einer Gegenleistung sie sprach, als von welchem Video. Lloyd und Kai hatten ebenfalls über ein Video gesprochen. War das lediglich Zufall oder sprachen beide womöglich von dem gleichen Video?

,,An was hast du dabei gedacht?", fragte Arashi, der seltsame Unterton war kaum zu überhören.

,,Ich will einen Beweis haben."

,,Einen Beweis wofür? Geht es vielleicht auch ein wenig genauer?"

,,Einen Beweis dafür, dass er tatsächlich ein Dämon ist. Du hast es mir doch gesagt, er stand vor dir, umhüllt von blauen Flammen. Und er wollte dich umbringen."

,,Nicht so laut", zischte Arashi, dann fuhr er leise fort. ,,Meister Wu hat mir verboten, auch nur irgendjemandem ein Wort darüber zu erzählen. Ansonsten droht mir der Rauswurf."

,,Der droht dir auch, sollte er von deinem Geständnis hören."

,,Es war kein - "

,,Schon klar. Wie auch immer, ich will diesen Beweis haben."

,,Wofür überhaupt? Glaubst du mir nicht? Denkst du echt, ich würde mir sowas ausdenken?"

,,Weiß nicht. Aber ich will etwas gegen ihn in der Hand haben. Dann kann er gar nicht anders."

,,Weißt du, ich kann auch nicht mehr anders." 

Daraufhin vernahm ich Geräusche, die darauf hindeuteten, dass sie sich nicht mehr mit Worten, sondern mit Taten, Berührungen, verständigten. Ich spähte um die Ecke, was meinen Verdacht bestätigte.

Arashi hatte Skylor an die Wand gepresst und küsste sie. Skylor, die um den dominanten Part rang, packte ihn und wirbelte herum. Dann trafen sich unsere Augen. Mit einem entsetztem Gesichtsausdruck ließ sie Arashi fallen und stürmte auf mich zu. 

,,Willst du mich eigentlich komplett verarschen!?"

Ich wollte fliehen, da war sie auf mich gesprungen. Mit einem dumpfen Knall krachte ich auf den Boden.

,,Lass mich los, du verdammte Furie!"

,,Fresse halten!" Kurzerhand hatte sie eine Klinge gezogen und hielt sie mir an die Kehle. ,,Hast du uns etwa belauscht?" Ihre Augen hatten sich wie die einer Raubkatze, die ihre Beute in Visier nahm, zu Schlitzen verengt. 

,,Ist das nicht offensichtlich?", fragte Arashi und stellte sich, einen Sicherheitsabstand bewahrend, neben sie.

,,Du wurdest nicht gefragt!", giftete sie, ohne den Blick von mir zu nehmen. ,,Und jetzt antworte, wenn du nicht sofort sterben willst!"

Dass ich gerade von einer Mitschülerin bedroht wurde, die mich allem Anschein nach zu urteilen auch noch umbringen wollte, sickerte nur langsam zu mir durch. 

,,Bist du geisteskrank!?", fragte ich aufgebracht. ,,Du kannst mir nicht einfach die Klinge an den Hals legen!" Mit einer schnellen und unauffälligen Bewegung hatte ich den Boden unter mir in Schwingung gebracht, ein Stück Erdboden stach heraus und riss ihr mit einem Ruck die Klinge aus der Hand. Einige Meter weiter fiel sie scheppernd zu Boden.

,,Was du kannst, kann ich schon lange!" Plötzlich hob sich um mich herum die Erde, lange aus Stein gemachte Säulen erstreckten sich in die Höhe, dann krümmten sie sich, wickelten sich um meine Arme und Beine und fesselten mich an den Boden.

,,Ernsthaft, du versuchst einen Erdmeister mit Erde zu bekämpfen?" Langsam zerbröckelten die Steine und ermöglichten es mir mich aufzurichten. 

Mit einem süffisanten Grinsen starrte sie mich an, ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt. ,,Einen Meister kannst du dich noch lange nicht nennen."

,,Ist mir doch egal! Verrat mir lieber einmal, weshalb du dazu in der Lage bist das gleiche Element zu bändigen wie ich!"

,,Sagen wir es mal so", grinste sie mich immer noch mit dieser unerträglichen Hochmütigkeit an. ,,Ich kann's halt."

,,Das bedeutet jetzt aber hoffentlich nicht, dass wir verwandt sind, oder?"

,,Tja, so genau weiß das wohl niemand. Aber wie ich gehört habe, sollen Elementarkräfte über viele Generationen hinweg vererbt werden. Sag du mir doch, ob wir verwandt sind."

Mit aufgerissenen Augen starrte ich sie an. ,,Du willst mich gerade auf den Arm nehmen, oder!? Hast du dir mal unsere unterschiedlichen Haarfarben angesehen? Unterschiedlicher geht es ja wohl kaum!"

,,Also für mich ist Weiß das Gegenteil von Schwarz, aber wenn es bei dir rotorange ist, sei es drum. Jetzt hör mal zu", mit einer schnellen Bewegung hatte sie die Klinge aufgehoben und richtete sie auf mich. ,,Solltest du auch nur irgendein Sterbenswörtchen von dem erwähnen, was du gehört hast, befördere ich dich höchstpersönlich in die Hölle, zu den Dämonen."

,,Genau genommen ist er da schon längst", feixte Arashi.

,,Sei still!"

,,Wenn du mich fragst, ist es ziemlich dämlich sich belauschen zu lassen."

,,Das sagst du mir!?"

Mit einem Grinsen zog Arashi ebenfalls eine Speerspitze heraus. Langsam ging er um mich herum, die Waffe dabei auf mich gerichtet. Seine Augen sprühten pure Mordlust aus. ,,Erteilen wir diesem Ninja eine Lektion, die er nicht so schnell vergessen wird."

Ninjago: Blaue FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt