Kapitel 87: Kai

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Cole erzählte ihm seine Geschichte und der Sensei hörte ihm aufmerksam zu. Während seiner Erzählung waren seine strengen Gesichtszüge allmählich weicher geworden.

„Aber am Ende habe ich erkannt, dass es keine Lösung ist, vor seinen Problemen davonzulaufen." Ein sanftes Lächeln breitete sich auf Coles Gesicht aus. Er schenkte es mir. „Das löst nur eine Kettenreaktion neuer Probleme aus."

„Ich bin froh, dass du zu dieser Einsicht gelangt bist", sagte der Sensei schließlich. „Aber dir ist hoffentlich auch bewusst, dass du noch Einiges gerade zu biegen hast. Vor allem in Bezug auf deinen Vater."

„Ja, das weiß ich. Ich wollte ihm morgen einen Besuch abstatten."

„Suchst du noch nach Begleitung, die deine Glaubwürdigkeit unterstreicht?"

„Schaden tut es bestimmt nicht", murmelte Cole. „Aber wenn ich sage, ihr sollt gehen, geht ihr."

Der Sensei nickte. „Selbstverständlich. Ihr beiden habt es gerade gehört, nehmt euch für morgen nichts vor. Wir begleiten Mr. Hence zu seinem Vater."

„Nicht schon wieder", murmelte ich.

„Na, hoffentlich muss ich nicht wieder Geige spielen", sagte Lloyd.

Cole schmunzelte.

„Das Geigespielen wird dein geringstes Problem sein", erwiderte der Sensei und schlug wieder seinen strengen Tonfall an. Er kramte in seiner Tasche und hielt uns einen Zeitungsartikel vor die Nase. „Wie mögt ihr zwei mir das hier bitte erklären?"

Eskalation im La Berna Mouette – Erbprinz Dawood verschmäht das Erbe seiner Familie

Grob las ich mir den darunter stehenden Text durch. Es ging um die niedere Arbeit als Kellner. Ob Dawood eine Maske träge, um sich zu verstecken. Den Familienstreit um das Erbe zwischen Sappheire und Margarethe. Um einen Fremden – gemeint war Lloyd – der im Geheimen gegen Margarethe aufbegehrte, um sie und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu schänden und zu demütigen.

„Warum um alles in der Welt sehe ich dich auf diesem Foto als den Erbprinzen der Familie Bernello verkleidet?!"

„Das, äh, ist bestimmt nur eine Verwechlung", murmelte ich dahin.

Die Ader an seiner Schläfe pulsierte. Und seine Augen zogen sich gefährlich zusammen. Wie die eines Raubtieres. „Kai. Sag mir auf der Stelle die Wahrheit oder wir beide bekommen ein ernsthaftes Problem miteinander!"

Ein Seufzen meinerseits. „Lloyd und ich haben eben alles getan, was nötig war, um Cole zurückzuholen."

„Und das ging nicht ein bisschen weniger auffällig?", fragte er leise. Die dahinterstehende Wut gerade noch so kontrollierend.

„Na ja, im Nachhinein -"

„Verdammt, ihr habt das Aufsehen der gesamten Stadt auf euch gelenkt!", donnerte er los und ließ seine Hand auf den Tisch knallen. „Ist euch eigentlich bewusst, was für Auswirkungen das haben wird? Für die Familie, so wie für uns, sollte herauskommen, dass ihr verstecken gespielt habt?"

„Wir waren dort", sagte Lloyd. „In der Burg."

„Dann haben sich meine schlimmsten Befürchtungen also bewahrheitet", murmelte Garmadon. Wesentlich erschöpfter dieses Mal.

„So schlimm war es gar nicht", argumentierte Lloyd. „Die Gräfin war eigentlich ganz nett. Sogar, nachdem Kai ihr die Wahrheit erzählt hat."

Ich nickte. „Sogar mit Dawood habe ich meinen Frieden gefunden. Wir haben sogar Nummern ausgetauscht."

„Ihr macht mich fertig." Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und setzte sich. „Ihr wollt mir also gerade allen Ernstes erzählen, dass ihr bei der Familie Bernello wart und euch mit ihnen gut gestellt habt?"

„Trauen Sie uns das etwa nicht zu?", fragte ich leicht gereizt.

„Ich habe gesehen, was bei Mr. Hences Vater passiert ist. Und im Hotel. Nicht zu vergessen der Zeitungsartikel!", wurde er wieder lauter. „Wo habt ihr eigentlich die teuren Klamotten hergehabt? Ich nehme nicht an, dass sie euch einfach so zugeflogen sind?"

Lloyd und ich sahen uns an.

„Die haben wir so gefunden", sagte Lloyd.

„So gefunden?", fragte er wenig überzeugt und hob eine Augenbraue. „Auf der Straße? Mit einem Schild zu verschenken vielleicht?"

„Vielleicht haben wir sie uns auch ausgeliehen", sagte ich.

„Ach ja? Von wem denn? Von der Familie Bernello höchstpersönlich?" Ich sah es ihm an. Dass er kurz davor war zu explodieren. Wie eine tickende Zeitbombe.

„Nicht so ganz."

„So so. War es vielleicht der Laden hier?", fragte er und zeigte uns einen weiteren Zeitungsartikel.

Diebesgut auf mysteriöse Weise wieder aufgetaucht – Polizei ist den Tätern weiter auf der Spur

„Man sucht nach euch, ist euch das bewusst?!"

„Na, wenigstens haben wir es zurückgegeben, oder?"

„Das ist keine Entschuldigung!", fuhr er Lloyd an. „Ihr zwei habt die letzten Tage für mehr Schlagzeilen in der Zeitung gesorgt als irgendein anderer! Und das nicht gerade im positiven Sinne."

Ich war froh, dass der Sensei keine dritte Schlagzeile herausholte, wo es hieß, ich habe mich im Gasthaus am Gastwirt vergangen und ihn mit Krallen bedroht.

„Wir haben es für Cole getan", sagte ich noch einmal. „Das war unsere Mission und wir haben sie erfolgreich erfüllt. Außerdem bereue ich nichts davon. Wäre diese Sache im Restaurant nicht passiert, hätten wir Dawood niemals kennengelernt."

„Ist Dawood jetzt dein neuer bester Freund oder warum ist dir deine Bekanntschaft so wichtig?"

Weil er so ist wie ich. Aber das durfte ich nicht erzählen. Darauf habe ich ihm mein Wort gegeben. „Weil er einfach ein guter Mensch ist. Und ich etwas von ich gelernt habe, was ich vorher nicht sehen wollte."

„Du scheinst ja ziemlich überzeugt von ihm zu sein", bemerkte der Sensei und stand auf. „Aber eines kann ich euch nicht absagen. Die Mission habt ihr erfüllt – auch, wenn es sicherlich andere Wege gegeben hätte. Nun, dann will ich mal nicht so sein und lasse eure Strafe entsprechend milder ausfallen."

„Was? Welche Strafe denn?", fragte ich entsetzt.

„Einfach so", sagte er und ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen. „Vielleicht, weil ich ein klein wenig sadistisch bin."

„Kann man wohl nichts machen", murmelte Cole. „Liegt wohl in der Natur eines Dämons."

Nun waren ausnahmslos alle Blicke auf ihn gerichtet.

„Oh, ähm, habe ich das gerade etwa laut gesagt?"

Unglauben spiegelte sich auf Sensei Garmadons Gesicht wider und er wandte sich an mich. „Du hast ihm davon erzählt?"

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf mein Gesicht. „Ja. Schließlich hat Cole recht. Es ist keine Lösung vor seinen Problemen und der Wahrheit davonzulaufen. Sie werden einem immer folgen, egal wohin man geht."

Ninjago: Blaue FlammenOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz