Kapitel 63: Kai

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,,Das ist der Shenzhen-ji", erklärte Arashi, als wir unter den noch halb stehenden Steinbogen liefen. ,,Ein uralter Tempel der damaligen Shenzhen."

,,Wer waren die Shenzhen?"

,,Eine Sekte. Sie agierten im Verborgenen wie die Ninja und perfektionierten die Kontrolle über ihr Chakra wie die Sōhei. Sie waren gefürchtet, auch wenn es nur wenige gab, die von ihnen wussten."

,,Was ist mit ihnen geschehen?"

,,Sie legten einen Eid ab, sich niemals einen Partner zu nehmen. Es gab keinen Nachwuchs. Und irgendwann starb auch der letzte Shenzhen. Der Tempel war verlassen. Es war niemand da, der sich um seine Erhaltung kümmerte. Und dann fiel er über die Jahrhunderte zusammen."

,,Und aus welchem Grund sind wir hier?"

,,Um ihr Handwerk zu erlernen."

,,Aber ich dachte, sie alle seien -"

,,Viele, aber nicht alle", brummte Grimar. ,,Auch heute gibt es noch welche. Sie streifen durch die Wälder und einige von ihnen haben sich des alten Tempels bemächtigt."

Ich sah zwei dunkle Gestalten aus dem Schatten des Gebäudes - oder dem, was davon übrig war - treten und auf uns zukommen. Beim genaueren Hinsehen fiel mir auf, dass sie die gleiche schwarze Robe trugen wie Grimar. Auch ihre Gesichter waren verdeckt.

,,Wer ist er?"

,,Wie ich gehört habe, geht er ebenfalls auf die Ryumosho Akademie", übernahm Grimar das Reden. ,,Er hat Arashi einige Abende lang beobachtet und Fragen gestellt."

,,Ich bin davon überzeugt, dass Smith der richtige ist, um Euer Handwerk ebenfalls zu erlernen."

,,Wie kommt Ihr darauf, Arashi?"

,,Er hat seinen Vater in den blauen Flammen verloren. Sein Hass gegenüber den Dämonen aus der Unterwelt ist weitaus größer als der vieler anderer. Bitte gebt ihm eine Chance."

Ich war erstaunt darüber, dass gerade er sich für mich einsetzte. 

,,Einverstanden, dem Jungen wird eine Chance gegeben sich zu beweisen."

,,Könnten wir uns kurz miteinander unterhalten, Morro?", zischte Skylor und zerrte ihn von uns weg.

,,Iruka, bitte prüfe seine Fähigkeiten."

Der Mann neben ihm nickte lediglich und wies mich mit einer Handbewegung an ihm zu folgen. Zögernd kam ich seiner Aufforderung nach.

Er führte mich um die Ruine herum, durch meterhohes Gebüsch und weiter, bis wir auf einem kleinen Platz ankamen, der lediglich von einem Feuer erhellt wurde, welches fröhlich in der Schale vor sich hin flackerte.

,,Dem zu urteilen, was ich gehört habe, wird der Fokus an der Akademie auf die elementaren Fähigkeiten gesetzt. Was ist Euer Element?"

,,Feuer."

,,Euer Feuerelement ist nur ein Bruchteil Eurer inneren Kräfte, die Ihr freisetzen könnt. Allerdings wird den Elementarmeistern im Allgemeinen eine höhere Menge an Chakra zugesagt, das sie zur Verfügung haben. Zudem sind die Elemente sehr mächtige Kräfte, die unbedingt perfektioniert werden sollten."

Ich erwiderte nichts darauf. 

,,Hat man Euch erzählt, was genau Ihr hier lernen werdet?"

,,Nicht so wirklich, Iruka-Sensei", gestand ich und senkte den Blick. 

,,Wir und die Akademie sind die einzigen, die zwischen der Welt der Menschen und der der Dämonen stehen. Hier lernt Ihr Dinge, die an der Akademie längst vergessen wurden. Und Dinge, die besser hätten in Vergessenheit geraten sollen."

,,Dinge, um einen Dämon zu bezwingen?"

Er nickte. ,,Dinge, um einen Dämon zu bezwingen. Dinge, um einen Menschen zu töten. Und Dinge, um Euch selbst zu besiegen."

Ob er mich wohl töten würde, wenn er wüsste, dass ich einer von ihnen war? Ich zweifelte nicht daran, dass er dazu in der Lage war.

,,Fangen wir an! Visualisiert zuerst einen Chakra-Ball und manifestiert ihn anschließend."

Verständnislos starrte ich ihn an. ,,Ich soll was?"

,,Ihr seid ein Shinobi, richtig?"

Ehe ich mich fragen konnte, woher er das wusste, glitt mein Blick an mir selbst hinunter, womit ich mir die Frage selbst beantworten konnte. Dann nickte ich.

,,Ich bin nicht darüber im Bilde, inwiefern die Grundlagen an der Akademie unterrichtet werden. Vermutlich wurden sie über die Jahrhunderte vergessen, als lediglich das Geflüster der Elementarkräfte umherging." Er räusperte sich. ,,Nun gut, ich werde es Euch beibringen."

,,Vielen Dank, Sensei."

,,Bedankt Euch, wenn Ihr etwas gelernt habt." Er lächelte leicht, sofern ich das im Schein des Feuers und durch den schwarzen Schleier vor seinem Gesicht beurteilen konnte. ,,Ihr legt eine gewisse Höflichkeit an den Tag, das weiß ich zu schätzen. Also . . . beginnt damit Euch zu erden und zu zentrieren."

Ich tat, was er verlangte und ging leicht in die Knie. Meine Beine stellte ich ein wenig auseinander. 

,,Macht Euch bewusst, dass Energie in Euch existiert und die ganze Zeit durch Euren Körper fließt." Er ging um mich herum und korrigierte hier und da meine Stellung. ,,Haltet die Hände mit einem gewissen Abstand vor Euren Körper, sodass sie die Form einer Kugel bilden."

Auch das tat ich. Wenn ich genauer darüber nachdachte, hatten wir im Unterricht bei Mönch Gyatso einmal eine ähnliche Übung durchgenommen. 

,,Nun versammelt Eure Energie. Visualisiert, wie sie von der Erde aus durch Eure Füße oder vom Himmel aus durch Eurer Sahasrara Chakra in jeden Teil Eures Körpers eindringt und ihn erfüllt. Stellt Euch vor, dass die Energie beim Einatmen in den Körper kommt und beim Ausatmen durch die Hände hinausgeht."

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich. Bildlich stellte ich mir vor, wie ein Loch in meinen Händen erschien, eine Art Falltür, die die Energie herausfließen lässt. 

,,Wenn Ihr es richtig macht, solltet Ihr nach einiger Zeit dazu in der Lage sein das Chakra zu spüren. Vielleicht spürt Ihr eine angenehme Hitze, ein Kitzeln oder Druckgefühl. Alles ist möglich, jeder Mensch nimmt die Energie in seinem Körper anders wahr."

Ich war noch dabei mir vorzustellen, wie die Energie von unten durch meine Füße, weiter durch meinen Körper, fließt und schließlich an meinen Händen ankommt und dort hinausfließt. Ein dergleiches Gefühl nahm ich allerdings nicht war.

,,Wenn Ihr dies fühlt, bewegt Eure Hände etwas näher zusammen - wenn dort ein Widerstand ist, wisst Ihr, dass sich dort Energie gesammelt hat."

Ich fühlte nichts.

,,Festigt das Chakra durch Visualisierung zu einer Kugel in Eurer Hand. Genau genommen könnt Ihr es zu allem Möglichen formen, zu einem Würfel oder vielleicht auch zu einem Dreieck. Aber für den Anfang belassen wir es bei einer Kugel."

,,Ich spüre nichts."

,,Ihr seid zu ungeduldig."

,,Möglich." 

,,Beim ersten Mal klappt es nie. Nebenbei, es gibt viele Wege eine Chakra-Kugel zu erschaffen. Experimentiert ein wenig herum, um die Methode zu finden, die für Euch am einfachsten funktioniert."

,,Einverstanden."

,,Am Anfang solltet Ihr lediglich mit geschlossenen Augen üben, das hilft beim Konzentrieren und Visualisieren."

,,Erlaubt mir eine kurze Frage, Sensei. Was kann ich mit dieser Chakra-Kugel machen?"

,,Was Ihr wollt. Ihr könnt Sie für so gut wie alles programmieren. Ihr müsst lediglich wissen wie und diese Worte in Energie umwandeln. Zum Beispiel könnt Ihr die Kugel so programmieren, dass sie eine bestimmte Person aufsucht und diese - ich nenne es mal anstupst - um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, beziehungsweise um diese Person wissen zu lassen, dass Ihr mit ihr sprechen möchtet. Die Kugel kann über lange Entfernungen reisen, um diese Nachricht oder ganz andere Nachrichten zu überbringen."

,,Das ist ja unglaublich!"

Er lachte. ,,Und das ist erst der Anfang, mein Junge."

Ninjago: Blaue FlammenWhere stories live. Discover now