Kapitel 103: Kai

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Schweigen legte sich über die Arena. Nicht das Traurige, das auf Beerdigungen vorherrschte. Auch das nicht Geruhsame, das man in Kirchen oder irgendwelchen Meditationsübungen vorfand. Nein ... dieses Schweigen war nur die Ruhe vor dem Sturm. Das Erstarren vor Furcht und Entsetzen. Vor Angst.

Und aus Gründen, die nur Meister Wu zu kennen schien, dauerte es viel zu lange an.

„Sie", begann Skylor, wieder fähig zu sprechen, aber immer noch bewegungsunfähig. „Sie waren die ganze Zeit über ebenfalls eine dieser scheußlichen Kreaturen. Eine Ausgeburt der Hölle. Und Sie haben alles verschwiegen."

„Es gibt Dinge, die bleiben besser im Verborgenen", knurrte er.

„Wie viele Dämonen wandeln noch hier herum? Ist Ihr Neffe auch einer? Gewiss ist er das. Durch eure Adern fließt das gleiche Blut."

„Ja, mein Neffe ist ein Halbdämon, genauso wie ich, Smith, seine Schwester und Sensei Garmadon. Aber das wird nicht weiter wichtig für dich sein. Denn du hast gleich alles wieder vergessen."

„Was soll das bedeuten?", verlange sie zu wissen.

Er antwortete darauf nicht. Stattdessen wandte er sich mir zu. „Smith, deine Erinnerungen hieran werde ich nicht löschen. Aber nur, damit du weißt, wofür du die Konsequenzen zu spüren bekommst."

Ich sagte nichts, sondern sah stumm dabei zu, was nun geschah.

Meister Wu breitete seine Arme aus. Kurz darauf hüllte blauer Nebel die Arena ein. Eine Stimme murmelte er irgendwo im undurchsichtigen Schleier vor mir. Dann war sie plötzlich überall zu hören. Leise, flüsternd und in einer mir unbekannten Sprache. Mir wurde schwindelig und ich schloss die Augen.

Als ich sie das nächste Mal wieder öffnete, war der Nebel verschwunden. Auch Meister Wu befand sich wieder in seiner menschlichen Gestalt und verkündete gerade, dass Syklor die Siegerin sei.

Perplex stand ich unten neben dem Kampfplatz. Die Samurai jubelten, die Ninja fluchten. Aber niemand schien sich an das eben Geschehene zu erinnern. Wie hatte Meister Wu das gemacht?

„Dieses verfluchte Miststück", murmelte Nya und trottete mit geballten Händen zu mir. „Seit wann stehst du eigentlich hier unten?"

„Ähm, schon etwas länger."

Sie nickte leicht. „Komm, gehen wir. Ich kann ihr triumphierendes Grinsen nicht länger ertragen."

„Keine Sorge", sagte ich und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Wenn ich gegen sie antreten muss, wird ihr dieses Grinsen schon noch vergehen."

„Das will ich dir auch raten." Sie boxte mir kameradschaftlich in die Seite, während sich langsam ein Grinsen in ihr Gesicht stahl.

Oben erwarteten uns bereits die anderen.

„Du hast super gekämpft, Nya", rief Jay und nahm den Platz an ihrer Seite ein. „Auch wenn du verloren hast, wir liegen immer noch einen Punkt vor den Samurai."

„Warum bist du plötzlich nach unten gestürmt?", fragte mich Lloyd.

„Um meine Schwester zu empfangen", log ich.

Ich spürte, wie sich in meinem Rücken bedrohlich ein Schatten aufbaute und drehte mich um. Sensei Garmadon stand hinter uns. Und er sah alles andere als erfreut aus.

„Haben wir irgendetwas verbrochen?", fragte Lloyd, sichtlich verunsichert.

„Geh mit den anderen mit. Kai, du kommst mit mir."

„Was hast du angestellt?", wollte Lloyd wissen.

„Das kann er dir später erzählen."

Lloyd nickte, warf mir noch einen letzten aufmunternden Blick zu und folgte den anderen hinaus.

Ich spürte die aufkeimende Nervosität meinen Körper hinaufkriechen. Und ahnte bereits, dass er nicht vergessen hatte, was eben vorgefallen war.

„Mitkommen", war alles, was er sagte. Dann führte er mich aus der Arena heraus.

Das ungute Gefühl in meiner Magengrube verstärkte sich.

Wir betraten den Lehrertrakt und gelangten über die Treppe in den ersten Stock. Dann öffnete Garmadon eine Tür und ging rein. Zögernd folgte ich ihm.

Sobald ich drinnen war, verschloss er die Tür. Währenddessen sah ich mich flüchtig um. Es gab eine Sitzecke, ein Bett, einen Schrank, Regale und einen Schreibtisch.

„Richtig, du bist ja zum ersten Mal hier", sagte Garmadon. „Ich hätte dir meine Gemächer gerne unter angenehmeren Bedingungen vorgestellt, aber daran bist du selbst schuld."

„Es tut mir leid."

„Spar dir das. Um sich zu entschuldigen, ist es zu spät."

„Mir ist die Sicherung durchgebrannt."

„Nachdem ihr noch gemeinsame Dinge mit den Shenzhen gemacht habt."

„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun."

„Es reicht!", schnitt seine Stimme wie eine scharfe Klinge durch die Luft. „Was auch immer vorgefallen sein mag, du kannst nicht vor aller Augen offenbaren, dass du ein Halbdämon bist!"

„Es war doch keine Absicht."

„Es ist mir egal, ob das Absicht war oder nicht. Fakt ist, dass du damit alle in Gefahr gebracht hast, einschließlich dich selbst."

„Es kommt nicht wieder vor."

„Ja, dafür werde ich sorgen."

„W-wie meinst du das?" Instinktiv wich ich einen Schritt zurück.

„Ich werde dich dafür bestrafen. Und du weißt, was die Bestrafungen an dieser Akademie sind."

„Bitte lass mich nicht wieder auf einem Holzscheit knien."

„Nein, das erscheint mir als Bestrafung noch zu mild. Komm her und beug dich über meinen Schreibtisch."

Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was er vorhatte. „Du willst wirklich...?"

Er seufzte. „Ich tue es nicht gerne, aber ja. In diesem Falle schon."

„Es gibt andere Wege, mich zu bestrafen."

„Sicher gibt es die. Aber keine erscheint mir wirkungsvoller als die. Manche Lektionen werden scheinbar nur auf die harte Tour gelernt."

„Bitte nicht", hörte ich mich flehen und hasste mich dafür selbst.

„Kai, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht mehr darüber diskutieren werde." In seinem Gesicht spiegelte sich eine unangefochtene Strenge wider. „Los jetzt, über meinen Schreibtisch."

Während ich ergeben zum Schreibtisch trottete, ging er zu einen seiner Schränke und holte irgendeinen Gegenstand heraus.

„Was ist das?", fragte ich und musterte das Stück Holz.

„Ein Paddle", erklärte er ruhig und kam zu mir. „Dafür gedacht, unartige Schüler zu bestrafen. Früher mehr als heute, aber sei es drum. Nun leg dich rüber. Umso schneller haben wir es hinter uns."

„Wird es sehr weh tun?"

„Da du offenbar zum ersten Mal auf diese Art bestraft wirst, ja. Außerdem werde ich mich nicht zurückhalten. Auch nicht, wenn du bettelst und flehst."

Ich nickte leicht. „Okay." Mein Mund war plötzlich ganz ausgetrocknet. Zögernd legte ich mich rüber, in banger Erwartung vor dem gleich Kommenden.

Garmadon stellte sich hinter mich und legte eine Hand auf meinen Rücken. „Du musst nicht mitzählen. Nur still liegenbleiben."

Wieder nickte ich.

Und noch bevor der erste Schlag kam, trieb es mir die Tränen in die Augen.

Ninjago: Blaue FlammenWhere stories live. Discover now