Kapitel 46: Kai

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,,Du kannst dich also wieder erinnern?", fragte der Sensei am nächsten Morgen.

,,Na ja, nicht so ganz. Nur bis zu dem Punkt, an dem ich mit Arashi aneinandergeraten bin. Alles danach ist weg."

Mit einem undefinierbaren Blick sah er mich an. ,,Du weißt also nichts mehr von dem Gespräch, dem Sturz und den Stunden danach?"

Verwirrt schüttelte ich den Kopf. 

Er schien eine Weile nachzudenken, ehe er einen Entschluss fasste. ,,Gut, dann mach dich bitte fertig, der Unterricht beginnt gleich." Er stand auf und ging zur Tür, in der Hand hielt er ein kleines Buch. ,,Bis gleich."

,,Warten Sie doch mal!", rief ich ihm hinterher, jedoch vergeblich. ,,Verdammt, jetzt weiß ich immer noch nicht, was eigentlich passiert ist."

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, verließ ich den Raum, der sich als Sanitätszimmer herausgestellt hatte und machte mich auf den Weg zur Trainingshalle. Irgendetwas muss passiert sein, dass mich die letzten Stunden vergessen ließ, nur was?

,,Das Video!", fiel mir plötzlich ein. Unmittelbar blieb ich stehen. Was hatte Arashi damit gemeint? Besaß er es immer noch? Wusste Sensei Garmadon überhaupt, was wirklich vorgefallen war?

,,Hey", ertönte eine Stimme hinter mir und riss mich aus meinen Gedanken. Als ich mich umdrehte, stand niemand geringeres als Lloyd dort. Schüchtern lächelte er mich an. ,,Ähm, wie geht es dir?"

,,Wichtiger ist, wie es dir geht", sagte ich. ,,Wurde Arashi für diese Schandtat bestraft? Hat er dieses Video gelöscht?"

,,D-Du erinnerst dich wieder?", fragte er mit aufgerissenen Augen.

,,Wissen Sensei Garmadon und dein Onkel von dem Vorfall?", fragte ich, ohne auf seine Frage einzugehen.

,,Äh, hä?" 

Fragend sah ich ihn an. ,,Was ist?"

,,Was ist das letzte, an das du dich erinnern kannst?"

,,Arashis Schrei."

,,Ach so", sagte er leise, dann wandte er den Blick von mir ab. 

,,Kannst du mir sagen, was danach passiert ist? Ich habe absolut keine Erinnerung mehr daran."

Er erwiderte darauf nichts. War das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen? Ich befürchtete eher letzteres. 

Sensei Garmadon kam und schloss uns die Halle auf. Kurz darauf kamen auch Zane und Nya.

,,Hey, Kai", sagte Zane und sah mich mitleidig an. ,,Nya hat mir schon erzählt, dass du deine Erinnerungen verloren hast und - "

Mit einer kurzen Handbewegung unterbrach ich ihn. ,,Ich erinnere mich wieder. Na ja, nicht an alles, nicht an die letzten Stunden. Aber an alles, was zuvor geschehen ist."

Nya warf Lloyd einen seltsamen Blick zu, dann ging sie einen Schritt vor und umarmte mich. ,,Bin ich froh, Bruderherz. Du hast mir einen echten Schrecken eingejagt, als du plötzlich nicht einmal mehr wusstest, wer ich  war."

Ich nickte und löste mich wieder aus der Umarmung. ,,Was ist passiert? Wie kam es dazu, dass ich diesen kurzen Erinnerungsverlust hatte?"

,,Erinnerst du dich daran, was in Lloyds Zimmer vorgefallen ist?"

Unauffällig sah ich zu Lloyd rüber, der meinem Blick nach wie vor auswich. ,,Teilweise. Arashi und ich sind aneinandergeraten, er hat plötzlich geschrien - alles andere ist weg."

,,Du erinnerst dich also weder an die Flammen noch an das Gespräch?"

,,Ich habe eine Hitze gespürt, die unbedingt aus mir raus wollte, aber Flammen?" Panik wallte in mir auf. ,,Ich habe doch nicht etwa die Kontrolle über mein Feuer verloren, oder?"

Sie warf mir einen seltsamen Blick zu. ,,Vielleicht wäre es besser, wenn du dich von selbst wieder daran erinnerst."

Ehe ich die Gelegenheit bekam darauf zu antworten, betraten Jay und Cole die Halle. Sofort wurde Jay Nyas gesamte Aufmerksamkeit zu Teil.

,,Kai, du kannst mir eben helfen", rief der Sensei und winkte mich zu sich.

Schweigend folgte ich ihm in den angrenzenden Waffenraum. Hatte er mich gerade beim Vornamen genannt!? Überhaupt, schon vorhin war mir aufgefallen, dass er mich plötzlich duzte. Was hatte das denn jetzt schon wieder zu bedeuten!?

,,Hier, nimm du bitte die Katanas und teile sie aus." 

Ich nickte nur und nahm sie entgegen, jedoch nicht, ohne ihm einen seltsamen Blick zuzuwerfen.

,,Ist irgendetwas?", fragte er und zog eine Augenbraue nach oben.

,,Ja? Ich habe meine Erinnerungen an die letzten paar Stunden verloren und niemand, wirklich niemand hält es auch nur ansatzweise für nötig mir zu erzählen, was genau eigentlich passiert ist!" Wütend funkelte ich ihn an.

,,Kai, bitte, beruhige dich."

,,Und warum duzen Sie mich überhaupt die ganze Zeit!?"

,,Du . . . Sie haben mich darum gebeten, nach Ihrem Sturz."

,,Da muss ich aber ganz schön tief gefallen sein", murmelte ich und ging. Der wollte mich doch auf den Arm nehmen. Im Leben nicht würde ich so etwas von mir geben!

,,Du erinnerst dich also wieder?", fragte Cole und nahm das Katana entgegen. 

Ich nickte. ,,Zwischen uns ist doch wieder alles klar, oder?"

Er fing an zu grinsen. ,,Ja. Die Sache mit dem Date habe ich dir ja heimgezahlt, als ich Sensei Garmadon zu deinem Onkel benannt habe."

,,Er wäre der letzte, der jemals mein Onkel sein würde", zischte ich. 

Cole lachte. ,,Ich weiß, er und du hatten anfangs einige Schwierigkeiten, aber inzwischen ist euer Verhältnis doch relativ normal."

,,Und? Dann soll es eben so normal bleiben. Ich brauche keinen Onkel, der auf mich aufpasst." Von der Seite her sah ich, wie Lloyd mir einen seltsamen Blick zuwarf. 

,,Schon klar. Aber mal was anderes", sagte er und vergewisserte sich kurz, dass der Sensei nicht mithörte. ,,Am Freitag ist dieses Treffen mit meinem Vater. Sensei Garmadon besteht ja darauf, dass ich ihm die Wahrheit sage, aber das kann ich nicht."

,,Und was willst du jetzt tun?"

,,Du musst mir helfen, bitte. Wir müssen es irgendwie fertig kriegen, dass der Sensei nicht mitkommen kann."

,,Gut, ich helfe dir."

Überrascht sah er mich an. ,,Wie jetzt? So schnell?"

Ich zuckte mit den Schultern. ,,Ich brauche es echt nicht nochmal, dass er sich als meinen Onkel ausgibt, wenn es auch nur kurz ist. Aber - " Zweifelnd sah ich ihn an. ,,Vielleicht hat er recht und es wäre tatsächlich am besten, würdest du deinem Vater einfach die Wahrheit erzählen. Du kannst es nicht ewig vor ihm geheim halten."

,,Ich weiß, aber - " Er seufzte. ,,Ich bin noch nicht bereit dazu. Du hilfst mir doch trotzdem, oder?"

,,Ja, habe ich doch gesagt."

Er nickte dankbar. ,,Gut, Lloyd sollten wir auch noch einweihen." Es wirkte so, als wollte er noch etwas sagen, doch stattdessen starrte er mich schweigend an. 

,,Was ist?", fragte ich, meinen Kopf hatte ich leicht zur Seite geneigt.

Er blinzelte kräftig, dann wandte er sich ab. ,,Ach, gar nichts." Daraufhin lächelte er mich an. ,,Schön, dass wir uns wieder so gut verstehen."

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