Kapitel 71

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„Hat sich Nic schon gemeldet?", fragte ich am nächsten Abend, als ich aus dem Badezimmer kam.

Den Tag hatten Adrian und ich mit süßem Nichtstun und Kuscheln verbracht. Es war Balsam auf meiner Seele, mich an ihn zu schmiegen, zu reden und zu lachen. Ich konnte es nicht genau beschreiben, aber es gab mir die innere Ruhe zurück.

Sven hatte sich bereits am Morgen gemeldet und versichert, dass zuhause alles in Ordnung sei und er die Stunden mit dem Großvater Geir genoss. Wie erwartet spielten sie viel Schach, aber Sven nahm ihn für kleine Spaziergänge nach draußen.

Eilig schlüpfte ich in meine Thermounterwäsche, da das eisige Wasser aus dem See meine müden Glieder wiedererweckt hatte. Nach dem Kaffee hatten wir ein kleines Nickerchen gehalten, um für die kleine Spritztour mit dem Motorschlitten ausgeschlafen zu sein. Normalerweise war es vernünftiger, tagsüber zu fahren, aber da es zurzeit permanent dunkel war, machte es keinen Unterschied.

Musternd betrachtete ich Adrian, wie er mit freiem Oberkörper auf dem Sofa saß. Ich hatte ihm Eriks Thermounterwäsche gegeben, da er ansonsten binnen weniger Minuten auf dem Schlitten ein Eiszapfen wäre.

„Ja, vor wenigen Minuten hat er geschrieben und ein kleines Video geschickt", erwiderte Adrian und hielt mir sein Smartphone entgegen.

Schmunzelnd las ich mir Nics Nachricht durch und klickte auf das Video. Darauf waren er und Suvinna in Skianzügen zu sehen, wie sie sich während des Skifahrens eine Schneeballschlacht lieferten. Sein Übermut und die Ablenkung hatten allerdings ein Nachspiel. Nic verlor die Kontrolle über seine Skier und fuhr prompt in die Sicherheitsnetze. Darin blieb er wie ein hilfloses Insekt im Spinnennetz hängen.

Iduns Tochter Suvinna rollte sich vor Lachen im Schnee und konnte sich kaum beruhigen. In dem Moment endete das Video.

„Das hätten Erik und ich sein können", grinste ich und reichte Adrian sein Smartphone zurück. Ich ließ mich mit den Schienbeinschonern auf dem Sofa nieder und begann sie mir umzuschnallen. „Nur war ich diejenige gewesen, die gegen einen Baum geprallt ist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie belämmert ich ausgesehen habe, als durch den Aufprall der Schnee runtergekommen ist und mich begraben hat", lachte ich.

„Doch, das kann ich mir denken", meinte Adrian glucksend. Er griff nach dem Oberteil der Unterwäsche und schlüpfte hinein. „Vielleicht komme ich auch in den Genuss?", feixte er.

Übermütig boxte ich ihm in die Seite. „Das hättest du wohl gern! Mittlerweile beherrsche ich Skifahren und Unfälle passieren nur noch selten", erwiderte ich im Brustton der Überzeugung. Zumindest stimmte meine Behauptung teilweise. Sie passierten, aber bisher hatte ich mir nichts gebrochen.

„Ist der Tee schon in der Thermoskanne?", wollte ich wissen und stand auf, um unseren hergerichteten Proviant einzupacken.

Adrian bejahte und holte sich seine Schienbeinschoner, die unter der Ausrüstung an der Garderobe lagen. „Ich habe vorsorglich zwei Kannen gemacht. Die Temperaturen sind weiter in den Keller gefallen."

„Wenigstens schneit es nicht", versuchte ich ihm die klirrende Kälte schmackhaft zu machen. Ein Blick nach draußen genügte, um den fast vollen Mond zu sehen. Sein Leuchten tauchte die Umgebung in ein mystisches, bläuliches Licht. Dadurch waren die Wege so gut sichtbar, dass ich keine Taschenlampe benötigte. Zudem kannte ich die Route wie meine Westentasche, sodass ich sie sogar bei einem Schneesturm bewältigen könnte.

„Ich gehe Holz aufladen. Packst du bitte unser Proviant in die Thermotasche?", bat ich Adrian, als ich mich ankleidete und den Reißverschluss nach oben zog.

„Mache ich", versprach Adrian, aber bevor ich mich nach draußen begeben konnte, zog er mich in seine Arme. Mir tief in die Augen sehend, näherte er sich meinen Lippen und sobald sie sich berührten, genoss ich den Schauer, der durch meinen Körper strömte und mich zittern ließ.

Midnight Sun - Ein Jahr zum VerliebenWhere stories live. Discover now