Kapitel 25

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Nach einem kleinen Rundgang saß ich auf der Terrasse und hörte den Geräuschen, die Adrian und Nic in der Hütte verursachten, halb zu, während ich Idun anschrieb. Ihre Stimme war zu heiser zum Telefonieren, weshalb die schriftliche Kommunikation ausreichte. Wie Adrian sagte, war sie besorgt um mich, weshalb sie zum letzten ihr verfügbaren Mittel gegriffen hatte: Ihn zu bitten, zu mir zu fahren.

Noch konnte ich mich nicht ganz mit dem Gedanken anfreunden, zwei Fremde das Wochenende über hier zu haben. Mein Blick glitt zu den Knie- und Schienbeinschonern der beiden, die sie unter ihren Hosen trugen. Sie lagen säuberlich als Paar am Boden. Auf Sicherheit schien Adrian großen Wert zu legen, das musste ich ihm zugutehalten.

Sollte ich Idun von dem Vorfall erzählen und ihre Vermutung bestätigen, dass ich nicht in der Lage war, zurzeit allein zu sein? Vermutlich ja, aber ich brachte es nicht übers Herz, sie im kranken Zustand damit noch mehr zu belasten. Daher entschied ich mich, es auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben und legte mein Smartphone auf den Tisch.

In dem Moment betrat Adrian die Terrasse. Nun in kurzer Hose und einem Tanktop, die seine Figur und seine Muskeln zur Geltung brachten. Auch jetzt war seine Narbe gut zu erkennen und ich musterte sie verstohlen. „Wir sind soweit. Was können wir tun?", erkundigte er sich.

Ertappt zuckte ich zusammen und warf ihm einen verwirrten Blick zu. „W-Was?", stotterte ich.

Adrian gluckste und seine Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. „Wie können wir helfen? Sollen wir das Holz hacken?"

Einen Moment lang war ich so perplex, dass ich nur Bahnhof verstand. „Oh, das müsst ihr nicht. Mir geht es wieder gut. Aber ihr könntet ein paar Bretter am Holzunterstand austauschen", schlug ich vor und rieb nachdenklich die Nase. „Ich muss noch etwas gestehen."

„Was denn?" Mit seiner Frage ließ sich Adrian mir gegenüber nieder und sein neugieriger Blick ließ meine Wangen Feuer fangen.

„Ich habe nicht mit mehr Personen gerechnet, daher habe ich auch nicht so viel zum Essen da", meinte ich zögernd. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, ihn deshalb nach Hause schicken zu wollen. Zudem konnte ich jederzeit nach Narvik fahren und einkaufen, was ich allerdings bei den kurzen Ausflügen vermied.

„Hast du das vergessen? Wir haben selbst eingekauft und uns erlaubt, die Lebensmittel im Kühlschrank zu verstauen", erwiderte Adrian. Erkannte ich etwa ein überhebliches Lächeln, oder täuschte ich mich?

So langsam glaubte ich, einen Teil des Gesprächs verpasst zu haben. Wo um Himmels willen war ich, als Adrian davon gesprochen hatte?

Ich schluckte und versuchte mich an einem zaghaften Lächeln. „Das habe ich vergessen. Wenn es nicht reicht, kann ich in Narvik einkaufen."

„Könnten wir dann mitkommen? Wir brennen darauf, die Stadt zu sehen", fragte Adrian erwartungsvoll mit leuchtenden Augen.

Ich nickte und erhob mich, als Nicholas heraustrat. Auch er hatte sich in ein Outfit geworfen, das für die Temperaturen geeignet war. „Natürlich, aber nur, wenn wir keine Lebensmittel mehr haben. Ich würde lieber das Wochenende fürs Arbeiten nutzen", meinte ich und streckte mich leicht. „Also? Wollt ihr den Unterstand reparieren?" Abwechselnd sah ich zwischen den beiden hin und her.

„Nein, wir hacken Holz", antwortete Adrian bestimmt. „Du hast dich verausgabt und solltest auf dich aufpassen."

Ich wollte schon zum Protest ansetzen, dass ich keine schwache Frau war, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Warum ausgerechnet jetzt? War das ein Zeichen, dass ich doch nicht so stark war wie gedacht?

Grummelnd willigte ich ein. „Dann staple ich wenigstens das Holz", murmelte ich seufzend. Na klasse, meine Arbeit zum Frustabbau war weg, aber vielleicht war es nicht so schlimm wie ich annahm. „Habt ihr Handschuhe?"

Midnight Sun - Ein Jahr zum VerliebenWhere stories live. Discover now