Kapitel 73

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Gleich nach unserer Rückkehr nach Andenes bestand ich darauf, Adrian zum Arzt zu bringen. Obwohl seine Verletzung heilte und er keine Schmerzen mehr hatte, wollte ich sichergehen.

Während Doktor Iversen seine Hand genau untersuchte, betrachtete ich das Profil des Arztes, der mich nach dem verhängnisvollen Unfall betreut hatte. In dem halben Jahr hatte er sich kaum verändert. Nach wie vor turnte die kleine Brille auf seiner Nase ohne herunterzufallen. Dafür war sein Bauch rundlicher geworden.

„Wie ich sehe, gibt es nichts zu befürchten oder zu beanstanden. Es werden keine Schäden zurückbleiben, aber Sie sollten in den nächsten Wochen Ihre Hand noch schonen", urteilte Doktor Iversen nach einigen Minuten. „Sie haben großartige Arbeit geleistet, Frau Sandvik. Besser hätten wir es nicht machen können."

Erleichtert seufzte ich leise aus und warf Adrian einen liebevollen Blick zu. Er erwiderte ihn mit einem warmen Glanz in seinen Augen, der mein Herz schneller schlagen ließ.

Wenige Minuten später waren wir entlassen und schlenderten den Weg zum Hotel entlang. Ein frischer Wind wehte über das Meer und wir vergruben unsere Gesichter weiter unter dem Schal. Neben Mütze und Handschuhen war er ein Accessoire, das nicht zu unterschätzen war.

„Weißt du schon, wann die Verhandlung gegen Merrit ist?", fragte Adrian bibbernd.

Allein die Erwähnung des Namens ließ mich schaudern und eine eiskalte Hand legte sich um meine Eingeweiden. Sven hatte sie nicht mehr erwähnt, ich wusste, dass er genauso wenig daran denken wollte wie ich.

„Ende Januar", meinte ich finster. Ich wollte den Teufel in Person nicht mehr sehen. Sie sollte in der Hölle schmoren, aber selbst die untere Ebene wäre keine Strafe genug. Laut unserem Anwalt in Narvik war es fast sicher, dass Merrit ihr restliches Leben im Gefängnis verbringen musste. Auch ihre Schwester würde sich verantworten müssen. Unter anderem, weil sie sich in das Programm des Hotels gehackt hatte, und damit wichtige und vertrauensvolle Informationen gestohlen hatte.

Was wohl ihre Eltern dazu gesagt hatten? Ausgerechnet ihre Töchter, die christlich aufgewachsen und in der Kirche angesehene Mitglieder gewesen waren, hatten diesen Komplott geplant und durchgeführt. Vermutlich hatte es ihr Herz gebrochen, aber da ich sie seitdem nicht mehr gesehen hatte, war ich mir nicht sicher. Spätestens zur Verhandlung würde ich ihre Eltern antreffen.

„Das schaffen wir", versuchte Adrian mich aufzumuntern. „Lass uns über den Ausbau sprechen. Idun ist schon Feuer und Flamme, wie Nic geschrieben hat."

Als ich lachte, drang die salzige, kalte Meeresluft tief in meine Lungen. Es tat weh, aber ich ahnte, wie hibbelig die beste Freundin meiner Mutter war. Ich stellte sie mir wie einen herumhüpfenden Gummiball vor.

„Dann sollten wir uns beeilen. Es gibt viel zu überlegen, bevor die Behörden kommen", schlug ich vor. Wir wollten mit dem Bau so früh wie möglich anfangen, damit bis zum nächsten Winter alles fertig war. Die finanziellen Mittel standen uns zur Verfügung, was zum Teil auch Levis Fotografien zu verdanken war. Seit sie online waren, konnten wir uns vor Buchungen kaum noch retten und ein Ende war nicht in Sicht.

Zudem hatte Brinja großzügig einen Teil übernommen. Vor zwei Tagen hatten wir mit ihr geskypt, wobei sie ihre Hilfe angeboten hatte. An sich brauchten wir das Geld nicht, aber nach wie vor lag ihr das Hotel am Herzen, egal wie sich Adrian am Ende entscheiden würde.

Wir beschleunigten unsere Schritte und veranstalteten auf den letzten Metern ein Wettrennen, das unentschieden endete. Mittlerweile hatte Adrian dank der Schuhe mit Spikes keinerlei Probleme mehr, mit mir mithalten zu können. Einzig die eisige Luft machte es ihm schwer, während des Rennens richtig atmen zu können. Daher hielt er mir nach Luft japsend die Eingangstür des Hotels auf.

Midnight Sun - Ein Jahr zum Verliebenजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें