Kapitel 65

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Summend holte ich die letzten Pepperkakar aus dem Ofen und warf Adrian, der gerade den Teig für Peanut Butter Plätzchen herstellte, einen warnenden Blick zu. Wenn ich nicht hinsah, verschwand jedes Mal ein weiterer Keks, daher ahnte ich, dass ich die fertigen und noch warmen Plätzchen mit meinem Leben beschützen musste.

Sven war dabei, die am Vortag gebackenen Kokosmakroner gleichmäßig auf mehrere weihnachtliche Keksdosen zu verteilen. Wir hatten beschlossen, jedem Angestellten selbstgemachte Plätzchen zu schenken. Daher mussten wir von jeder geplanten Sorte eine immense Summe herstellen, doch das trübte unsere Freude nicht. Bereits seit Tagen waren wir dabei, sämtliche Rezepte in die Tat umzusetzen. Zwischen den traditionellen Norwegischen Plätzchen wollten wir drei Sorten aus Amerika miteinbeziehen.

Nach unserer Arbeit beschlagnahmten wir unsere Küche bis in den späten Abend hinein. Dabei stellte ich fest, dass Sven eine große Hilfe war. Früher war er nur halbherzig bei der Weihnachtsbäckerei anwesend gewesen, doch nun war er derjenige, der es eilig hatte, nach Hause zu kommen und weiterzumachen. Ob es daran lag, dass er die Sache mit Merrit vergessen und seinen Kummer überspielen wollte? Oder es machte ihm tatsächlich Spaß. Ich hoffte, dass zweiteres zutraf, denn ich wollte nicht, dass er seine Gefühle versteckte.

„Adrian!", rief Sven und zog die Keksdose, die Adrian am nächsten stand, zu sich. „Lass die Finger davon! Die sind für Bjørn!"

Prustend sah ich Adrians schmollendes Gesicht und bemerkte, wie er seine Hand hinter dem Rücken verschwinden ließ. Gleichzeitig lehnte er sich lässig an die Kochinsel und schien eine Pause machen zu wollen. Jedoch durchschaute ich ihn!

„Wenn du noch einmal einen Pepperkakar klaust, fessle ich dich und quäle dich damit, dass ich Plätzchen vor deine Nase stelle und du sie nicht bekommst", warnte ich scherzend.

„Ich muss doch probieren, ob sie etwas geworden sind! Wir können doch keine schlechten Plätzchen weggeben!", verteidigte sich Adrian.

Sven und ich lachten.

„Und wie sollen wir etwas verschenken, wenn du alles restlos wegfutterst? Gut, dass Nic nicht da ist, ihr würdet ratzefatz wie ein Staubsauger durch die Küche rollen und alles einsaugen, was nicht niet- und nagelfest ist", behauptete ich.

„Solange wir noch hier sind, müssen wir die Leckereien genießen. In Amerika habe ich noch nie norwegische Plätzchen gesehen", meinte Adrian und schob sich mit einem frechen Grinsen einen Lebkuchenstern in den Mund.

Tief in mir bohrte sich die Spitze eines glühenden Messers in mein Herz und ich sah zu Boden. Nur noch ein halbes Jahr ... dann würden Adrian und sein Sohn zurück in Amerika sein. Der Gedanke war schrecklich und schürte einen Kloß in meinem Hals, den ich nicht einmal durch mehrmaliges Schlucken beseitigen konnte. Ich durfte jetzt nicht daran denken, sondern musste im Hier und Jetzt leben. Alles, was ich konnte, sollte ich genießen.

„Du kannst doch einige Rezepte mitnehmen und selbst backen", bemerkte Sven, ehe er leise Nummern vor sich hinmurmelte. Scheinbar hatte er sich bei einer Dose verzählt.

„Klar, aber die schmecken nicht so gut wie die, die wir gerade machen."

„Wenn du, Nic und Liz sie zusammenbacken, schmecken sie garantiert genauso gut." Ich versuchte mir meine Traurigkeit nicht anmerken zu lassen und war um eine fröhliche Stimme bemüht.

Abwehrend hob Adrian seine Hand und schnappte sich in der gleichen Bewegung einen weiteren Lebkuchen. Meine zu Schlitzen verengten Augen ignorierte er. „Liz ist absolut untalentiert, wenn es ums Kochen und Backen geht. Würde ich ihr eine Ausstechform in Pferdeform liefern, würde sie vielleicht mitmachen, aber sie ist lieber draußen bei den echten Tieren."

Midnight Sun - Ein Jahr zum VerliebenWhere stories live. Discover now