Kapitel 11

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Bereits nach wenigen Minuten wusste ich, dass ich Adrian abgrundtief hasste und eine längerfristige, erfolgreiche Zusammenarbeit aussichtlos war. Die Art, wie er bei meinen Erklärungen stillschweigend die Nase rümpfte, brachte mein Blut zum Kochen. Nur mühsam hielt ich mich zurück, nicht die nächstbeste Vase zu nehmen und sie ihm über den Kopf zu hauen. Wie versprochen, sagte er nichts, aber ich wusste, was er dachte.

Klein, schlicht und überhaupt nicht lohnenswert.

Ich zeigte ihm die Zimmer mit dem besten Ausblick, auf die wir stolz waren.

Plötzlich brach er sein Schweigen. „Denken Sie, dass die Gäste überhaupt ein Auge zumachen können, wenn es 24 Stunden hell ist?", fragte er skeptisch.

Hinter meinem Rücken ballte ich die Hand zur Faust. „Ja, dessen bin ich mir sicher", zwang ich mich versucht ruhig. „Bisher hat sich keiner der Gäste jemals darüber beschwert."

Um nicht noch mehr Worte im heißen Sand zu versenken, ging ich den Flur entlang auf das große Fenster zu und ließ die Jalousie herunter. Zusätzlich zog ich die Gardinen zusammen, sodass es dunkel auf dem Flur wurde.

„Außerdem haben wir noch Fensterläden aus Holz, wenn Stürme das Land heimsuchen", erklärte ich, doch als ich ein Schnauben hinter mir hörte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Abrupt drehte ich mich auf dem Absatz um und kam Adrian näher. Mit zu Schlitzen verengten Augen piekte ich seine Brust.

„Jetzt hören Sie mir mal genau zu", fauchte ich.

Oh Herr im Himmel, ich komme gerade in Teufelsküche ...

Scheinbar unbeeindruckt sah mich Adrian von oben herab an.

„Ich höre?"

Ich flippe gleich aus!

„Ich denke, es ist am besten, wenn Sie gleich zurück nach Texas fliegen, Ihre Pferde oder Kühe oder Rinder hüten, sich dazugesellen und das Hotel einfach vergessen. Ihnen gefällt hier sowieso nichts. Bleiben Sie in Amerika und genießen sie den amerikanischen Traum", presste ich betont hervor.

Adrian brach in dunkles, fast schon klangvolles Lachen aus, das mich unter anderen Umständen mitgerissen hätte, doch jetzt machte er mich noch wütender.

„Wer sagt, dass es mir hier nicht gefällt?"

Die Frage blockierte meine Worte in der Kehle. Wie bitte? Was meinte er? Seine Anzeichen waren eindeutig!

„Sie selbst, auch wenn Sie nichts sagen. Allein ihr Augenrollen und Naserümpfen sprechen Bände", knurrte ich verstimmt.

Erneut lachte Adrian dunkel und ich ärgerte mich, dass mich die Art und Weise trotz meiner Abneigung faszinierte.

Ohne Vorwarnung stupste er meine Nase an und ich taumelte perplex zurück. Ehe ich den Boden küsste, griff er meinen Arm und stellte mich ordentlich auf die Beine.

Ich war so überrascht, dass ich kein Wort herausbringen konnte. Was fiel ihm ein? Ausgerechnet jetzt kam er meiner prickelnden Nase so nahe, dass ich seinen warmen, nach Kaffee riechenden Atem einatmete.

„Ich habe mit keinem Wort erwähnt, dass es mir nicht gefällt", stellte er flüsternd klar.

Selbst jetzt brachte ich nichts hervor, sondern starrte abwechselnd von seinem blauen zu seinem grünen Auge. Verflixt, warum faszinierten sie mich genauso wie sein dunkles Lachen?

„Mir mag vielleicht nicht jedes Detail zusprechen, weil ich es anders gewohnt bin, aber das heißt nicht, dass ich nicht damit einverstanden bin. Ihre Eltern hatten einen guten Geschmack, der dem Hotel einen eigenen Charme gibt", erklärte Adrian, ohne mich loszulassen.

Mein Handgelenk wurde so warm, als würde es brennen, und ich zog hastig meinen Arm zurück. Unwohl rieb ich mir die Stelle und versuchte, mich nicht einschüchtern zu lassen. Seine Nähe war irgendwie bedrohlich, weshalb ich einen kleinen Abstand zwischen uns brachte. „Warum rümpfen Sie dann Ihre Nase und rollen mit den Augen?", wollte ich fast schon kleinlaut wissen.

„Weil ich am überlegen bin, wie viel Auseinandersetzungen wir haben werden, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen", sagte Adrian mit verschränkten Armen. „Ich habe nicht vor, Ihr Hotel von Grund auf zu verändern, aber wenn ich weiterhin als Investor bleibe, würde ich gerne einen winzigen Teil von mir hier sehen."

Baff versuchte ich, wenigstens ein Wort herauszubringen, allerdings scheiterte ich kläglich. Was genau meinte er jetzt schon wieder damit? Einzig, was mir gefiel, war, dass er scheinbar nicht vorhatte, das Hotel zu verändern. Aber gleichzeitig irgendwie doch? Wie sollte ich das verstehen.

Sekunden verstrichen, in denen wir einen Starrwettbewerb ausfochten.

„Wie genau meinen Sie das?", flüsterte ich schließlich und ärgerte mich, dass meine Stimme nicht so fest klang, wie ich es gerne wollte.

„Das wird sich im Laufe der Zeit herausstellen, Freyja."

Durch seinen amerikanischen Akzent klang mein Name niedlich und fast schon weich und meine Mundwinkel hoben sich ein winziges Stück an.

Warum lachst du?

Eine gute Frage, auf die ich keine Antwort fand. Mein Körper war einfach seltsam.

Mein Schweigen nahm Adrian als Aufforderung, weiterzusprechen. Zuvor fuhr er sich seufzend durch sein schwarzes Haar und ging an mir vorbei, um den Flur wieder in Licht zu tauchen.

Ich wagte nicht, mich umzudrehen. Irgendwie hatte ich Angst, dass mein Körper falsche Signale aussandte. Das wäre das Letzte, was ich im Moment gebrauchen könnte.

„Ich möchte mit Ihnen in den nächsten Tagen darüber sprechen, was man verbessern oder ändern könnte. Sicherlich gab es in der Vergangenheit ein paar Probleme und ich denke, dass Ihre Eltern sich nicht auf fünfzehn Gästezimmer beschränken wollten, richtig?"

Damit konnte er zweifelsohne recht haben. Ich wusste, dass meine Eltern in den nächsten Jahren ausbauen wollten. Unser Hotel war zwar nicht so groß wie andere, überzeugte jedoch durch Komfort, Aussicht und Bedienung.

„Ja", antwortete ich und holte tief Luft. „Ich weiß, dass meine Eltern in den kommenden Jahren ausbauen wollten. Nur ist es nicht so einfach, weil sich die Grundstücksverwaltung bisher querstellte, obwohl es Platz genug gibt", erklärte ich leise.

„Das bekommen wir hin", sagte Adrian sanft und ich hörte, wie zuversichtlich er klang.

Vielleicht war er doch kein so schlechter Typ ...

In dem Moment rauschte er an mir vorbei und warf mir einen Blick über die Schulter zu. „Was ist? Wollen Sie mich weiterführen oder soll ich alles auf eigene Faust erkunden?", fragte er plötzlich wieder ganz der Alte – überheblich, arrogant und belustigt.

Erneut brachte er mich aus dem Konzept und ich blinzelte mehrmals, bis ich mich von seinem Stimmungswechsel erholt hatte. Wie hatte ich mich doch in ihm getäuscht ...

Dennoch bemerkte ich plötzlich so etwas wie Zuversicht, die mich mit Hoffnung erfüllte. Adrian sprach so, als wäre die Angelegenheit mit der Grundstücksverwaltung nichts, was ihn aufhielt. Seltsamerweise machte mir das Mut, denn ich wollte, dass das Hotel ein wenig größer wurde und mehr Menschen die Chance bot, einzigartige Urlaube in Andenes zu verbringen.

Noch ahnte ich nicht, wie viel Kraft mich der Tag noch kosten würde ...

Midnight Sun - Ein Jahr zum VerliebenOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz