Kapitel 39

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Die darauffolgenden Tage war ich nicht sonderlich gut gelaunt. Die kürzer werdenden Tage und ein Mix aus Regen, kräftigem Wind und kurzen Abschnitten mit Sonnenschein drückten meine Stimmung weiter in den Keller.

Idun bot an, dass ich eine Woche Urlaub nehmen sollte, aber ich weigerte mich, tagein tagaus zuhause zu sitzen und Däumchen zu drehen. Ihr tat es unendlich leid, dass wir bei dem Vorfall auf uns allein gestellt waren, doch da nun alles geregelt und erledigt war, konnte sie wieder voll mitarbeiten.

Wie so oft in den letzten Tagen, saß ich mit einer Tasse Kaffee an meinem Schreibtisch und starrte auf die Blumen aus der Wohnung meiner Eltern. Diese waren aufgeteilt und sorgten für farbenfrohe Fleckchen im Hotel.

Ich konnte die Hiobsbotschaft des Gutachtens nicht ertragen und verstehen, geschweige denn akzeptieren. Einzig Sven, aber auch Idun, würden alles in ihrer Machtstehende tun, um die Wahrheit herauszufinden. Auch die Sache mit dem Vorfall im Hotel nahmen Idun und ich in Angriff. Meine Befürchtung und Annahme, Adrian steckte hinter der Überflutung, nahm sie ernst und willigte ein, ihn nicht um Hilfe zu bitten. Einerseits war es falsch, ihn auszuschließen, andererseits könnte er als tatsächlicher Täter sämtliche Spuren verwischen, wenn wir ihm auf die Schliche kamen.

Dieses Hin- und Her ging mir auf die Nerven, die sowieso dünn waren und jederzeit zu zerreißen drohten.

Eine Windböe ruckelte an den Fensterläden und ließ mich nach draußen sehen. Der nächste Sturm kündigte sich bereits an und wenn meine Vermutung richtig war, würde er den Sommer endgültig mit sich nehmen. Graue Wolkentürme zogen am Himmel in rasanter Geschwindigkeit vorbei. In der Ferne erkannte ich eine Art Nebelwand, die allerdings kräftiger Regen war. Sowohl der Wind als auch der Regen bauschten das Meer bedrohlich auf und waren sogar für erfahrene Fischer eine Gefahr.

„Ich sollte Birger anrufen und nachfragen, wann er wieder fischen geht", murmelte ich und griff im gleichen Atemzug nach meinem Smartphone. Auch hatte ich vor, in den kommenden Wochen jagen zu gehen. Allerdings allein, denn Sven war für solche Dinge nicht gemacht.

Mein Telefonat mit Birger dauerte weniger als eine Minute. Zufrieden legte ich auf. Das war erledigt und ich versuchte mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren. Mein Kopf hatte andere Pläne. Immer wieder schweifte er zu der Frage ab, was ich mit der Wohnung meiner Eltern tun sollte. Sie zu Gästezimmern umbauen? Oder vielleicht zu einer Art Unterhaltungskomplex mit Billard und weiteren Tischspielen? Eine Bibliothek wäre ebenfalls eine Option.

Seufzend legte ich meinen Kopf auf meinen Händen ab und grübelte. Zu einem Entschluss kam ich jedoch nicht, da ich mich nicht wirklich konzentrieren konnte. Erst das Klopfen ließ mich meinen Kopf heben.

„Ja?"

Adrians Haarschopf lugte zaghaft hinein. „Stör ich?" In seiner Stimme hörte ich, dass irgendetwas los war.

„Nein, komm herein. Was kann ich für dich tun?", erkundigte ich mich, als er die Tür hinter sich schloss und auf den Schreibtisch zukam. Bedrückt sah er aus, das musste ich zugeben. Seine sonst so strahlenden Augen wirkten traurig und fast schon entschuldigend.

„Ich ... wollte fragen, ob dein Verdacht unserer Freundschaft schadet und du vorhast, mich zu ignorieren", sagte Adrian langsam.

Überrascht über sein Geständnis legte ich meine Hände aufeinander und musterte ihn. Tatsächlich war ich diejenige, die das Gefühl hatte, dass sich einiges zwischen uns änderte, aber das lag ganz allein an mir. Ich konnte Adrian gegenüber nicht mehr so unbefangen wie sonst sein, und das tat mir merkwürdigerweise weh. Was also sollte ich sagen?

Nervös begann ich meine Hände zu kneten und seufzte schließlich. „Nimm erst einmal Platz", bat ich und wartete, bis er meinen Worten nachkam. „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, Adrian. Ich möchte dich nicht ignorieren, habe aber Angst, dass ..." stotterte ich. Verdammt, die Worte wollten einfach nicht flüssig über meine Lippen gleiten!

Midnight Sun - Ein Jahr zum VerliebenWhere stories live. Discover now