Kapitel 52

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Vorsichtshalber wurden Adrian und ich eine Nacht im Andenes Helsesenter einquartiert. Ich kann nicht behaupten, dass es mir gefiel, aber ich hatte keine Kraft, mich gegen die schlagfertigen Argumente des Arztes, Adrians und sogar Svens durchzusetzen. Unter anderen Umständen hätte ich mich selbst entlassen, doch es ging mir hundeelend. Ob es an dem Rauch lag oder an dem Vorfall und den negativen Gedanken, konnte ich jedoch nicht sagen.

Sobald Sven mit dem Versprechen, sich mit Idun um alles weitere zu kümmern, gegangen war, lag ich mit einem Krankenhaushemd im Bett und starrte an die Decke. Adrian, der ebenfalls eins trug, belegte das andere und schwieg, wofür ich ihm dankbar war. Seltsamerweise konnte ich seine Anwesenheit gerade kaum ertragen, dabei hatte ich mich vor wenigen Stunden noch nach seine Nähe gesehnt.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ohne, dass meine negativen Gedanken von meinen Lippen kamen. Langsam setzte sich ein Puzzle in meinem Kopf zusammen, von dem ich nicht einmal wusste, ob es der Wahrheit entsprach. Seit Adrian in Andenes war, geschahen immer wieder Vorfälle, die eigentlich jederzeit hätten passieren können, wenn einer der Angestellten etwas damit zu tun haben sollte.

Nach und nach kamen mir die kleinen Dinge in den Sinn, denen wir keine zu große Beachtung geschenkt hatten, wie ein falsches Datum bei einer Buchung, obwohl ich mir hundertprozentig sicher war, dass ich es richtig eingegeben und abgespeichert hatte. Oder ein Zahlendreher in einer Rechnung, die ich zusammen mit Idun erstellt hatte, als Adrian seine handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis gestellt und das Eingangstor nach einem Sturm repariert hatte.

Irgendetwas war faul, das spürte ich deutlich. Wenn er reparieren konnte, konnte er doch auch zerstören und manipulieren, oder?

Das Pochen in meiner Hand holte mich für einen Augenblick in die Wirklichkeit zurück und ich hob sie, um den Verband darum zu betrachten. Leichte Verbrennungen, die laut dem Arzt kaum oder keine Narben hinterlassen würden. Und wenn schon, das war mir egal. Meine Welt brach immer wieder zusammen und gerade, wenn ich glaubte, mich zu erholen, geschah etwas Neues. Als würde jemand darauf warten, mich systematisch an den Rand des Wahnsinns zu treiben.

Erneut zog sich mein Magen zusammen und die Enge in der Brust ließ mich den Atem anhalten. Was hatte ich getan, so gestraft zu werden?

„Freyja?"

Ausgerechnet jetzt. Kann er nicht ruhig sein?

„Was?", brummte ich, ohne zu Adrian hinüberzusehen. Sein Seufzen schnitt mir ins Herz und bekam aus den Augenwinkeln mit, dass er sich im Bett aufrichtete.

„Wie geht es dir?", fragte Adrian.

Deutlich spürte ich seinen Blick auf mir und ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm. Gerade ärgerte ich mich über alles und jeden! Vor allem über mich selbst. „Was glaubst du, wie es mir geht?", erwiderte ich barsch.

„Hör mal ...", begann Adrian und ich hielt den Atem an. Wollte er mir etwas gestehen? Angestrengt lauschte ich, ob er sich bewegte, doch alles, was ich hörte, war mein rasendes Herz. „Es tut mir leid."

Seine Worte ließen mich schlagartig hochfahren und aus dem Bett springen. Ungeachtet des Schwindelanfalls blieb ich stehen und sah ihn mit verengten Augen an. „Was tut dir leid? Dass du das Hotel ruinierst, nur damit du deinen Charme einbringen kannst?", fauchte ich.

Adrians Augen weiteten sich und er setzte zum Sprechen an, schüttelte dann jedoch den Kopf und senkte den Blick. „Wie kommst du darauf, Freyja? Denkst du wirklich, ich bin so hinterhältig?" Genau wie damals mit der Überflutung klang er enttäuscht und bitter.

In meinem Inneren versuchte ich, die abgebrochenen Stücke meines Herzens aufzusammeln und die Blutung zu stoppen, aber es half nicht. Mit jeder vergehenden Sekunde bröckelte es weiter. „Was weiß ich, Adrian? Seit du aufgetaucht bist, passieren immer wieder Dinge. Das ist nicht normal. Und dann kommst du auch noch mit Brinja, die einfach mal eben so gerne ihr Geld einem Hotel in Norwegen hinterherwirft. Wäre dir das nicht suspekt?", fragte ich, wobei ich mich bemühte, eine neutrale Stimme zu halten. Innerlich bebte ich vor Zorn.

Midnight Sun - Ein Jahr zum VerliebenWhere stories live. Discover now