217. Menschlichkeit

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"Ah!", entfuhr es Vinzenz und die kleine Klinge fiel zu Boden, weil ein anderer Dolch in seinem Handgelenk steckte. "Loslassen und zwei Schritte zurück." In den Worten schwang eine klirrende Kälte mit, die einen schaudern ließ. Alle Blicke huschten zu der Besitzerin der Stimme. Die Luft um sie herum flimmerte geradezu vor energetischer Ladung. Selbst die Piraten mussten schlucken. So hatte noch keiner von ihren Isis jemals gesehen. Die Mimik verhärtet, völlig emotionslos und kühl. Ihre Augen sprühten jedoch beinahe Funken und die Pupillen zitterten vor Zorn. "Du wagst es.", flüsterte sie bedrohlich. "Ihr alle wagt es tatsächlich!", fegte eine geringe Hakimenge über die Anwesenden. "Dorothea, was hat das zu bedeuten?!", harschte die Rothaarige ihre Tochter an. Schützend stellte die Kapitänin sich vor die Jüngere. "Sie hat mir die Wahrheit erzählt.", sagte sie gelassen.

Flashback

Völlig aufgelöst hatte Dorothea das Gesicht in ihren Händen verborgen und Seren streichelte ihren Rücken, während sie unterbrochen beruhigend auf die Rothaarige einredete. Kuzan lehnte mit verschränkten Armen an der Wand, konnte er in der Situation sowieso nicht groß helfen.

Langsam wanderten die caramelfarbenen Seelenspiegel zu der Kapitänin. "Geht es wieder?", fragte die Ältere vorsichtig. "Hmhm.", nickte sie sachte. "Wieso hast du geweint?", blickten die blauen Augen fest in ihre. "Weil es mir so leid tut.", hauchte sie traurig. "Was ist es denn?", lächelte sie aufmunternd. "Ich... Ich habe dir und... und Shiroi doch von IHR er... erzählt.", stotterte die Jüngere. "Du meinst diese alte Schauergeschichte?", wollte sie ruhig wissen. "Es... es ist keine Geschichte, sondern die Wahrheit.", betonte sie das letzte Wort extra. "Wie meinst du das?", runzelte die Kapitänin die Stirn. "Diesen Fluch gibt es wirklich. Er liegt auf allen Bewohnern dieser Insel. Sie haben damals die Gruft aufgebrochen und ausgeraubt.", knetete sie nervös ihre Hände. "Viel zu spät erst hat mein Vater begonnen, das Buch zu lesen, welches er dort unten gefunden hatte. Dadurch haben wir dann von dieser Legende erfahren und es auch erst als Unsinn abgetan.", schluckte sie hart. "Ich habe dir einen Teil verschwiegen und daran haben wir auch gemerkt, wie wahr es ist. Niemand auf dem der Fluch liegt, kann diese Insel verlassen. Kaufleute, die hier vor Anker lagen, mussten das einige Tage später feststellen.", gab sie dann zu. "Das ist nun über zweihundert Jahre her.", flüsterte Dorothea.

Die Blondine blinzelte einige Male und in ihr keimte eine beunruhigende Erkenntnis. "Und weiter?", ergriff sie die Hände der Anderen. "Hier kommen ganz selten Schiffe an, weil diese Insel wandert. Deswegen richtet sich der Log Port auch so ewig lange aus, wenn er es überhaupt schafft.", meinte sie tonlos. "Es gibt einen Weg, den Fluch zu brechen.", schielte sie unsicher zur Blondine, die sie abwartend anschaute. "Man muss ihr in einer Blutmond Nacht Seelen opfern.", gab sie kleinlaut zu. "Habt ihr uns deswegen bis heute hier in Sicherheit gewogen?", bildeten ihre Lippen eine schmale Linie. "Auch, ja... Und ihr musstet vorbereitet werden.", schluckte sie trocken. "Für die... Opferung." Seren hatte sichtlich Mühe, noch ruhig zu bleiben. "Wie?", presste die Blondine heraus. "Dieser Wein, den alle so mochten, ist nicht gewöhnlich. Er wird aus Beeren hier von der Insel hergestellt und naja... Den muss man vorher trinken, sonst funktioniert die ganze Sache nicht.", erklärte sie zaghaft, "Außerdem werden dadurch Teufelskräfte und andere Fähigkeiten unterdrückt." Die Augen der Älteren huschten angestrengt umher. Sie brauchten einen Plan, der effizient und verdammt gut sein mussste.

"Weshalb erzählst du uns das?", legte sie den Kopf schräg. "Ich glaube, dass wir es verdient haben, zu leiden und ich mag euch. Ihr sollt nicht sterben.", meinte sie leise. "Zweihundert Jahre lebt ihr also schon. Dann ist Selbstmord wohl keine Option.", überlegte die Kapitänin laut. "Leider nein.", seufzte sie matt. "Was passiert denn, wenn ihr den Fluch brecht?", fragte sie nach. "Die Zeit holt uns ein und wir zerfallen zu Staub.", hauchte die Jüngere. "Also ist heute so oder so euer Todestag.", stand die Blondine auf. "Ja... Nur kann uns nichts töten. Weder Kugeln, noch Schwerter oder irgendwas anderes, was wir kennen.", erklärte sie betrübt. "Wie gut, dass ihr mich noch nicht kennt.", zwinkerte sie mit einem mitfühlenden Lächeln auf den Lippen. Dorothea tat ihr wirklich leid und die anderen Leute hier waren bemitleidenswert. Scheinbar hatten sie lange ihre Menschlichkeit verloren oder aufgegeben. Eine andere Wahl blieb ihnen ja streng genommen auch nicht. So viele Jahre zu überdauern, war nicht normal und konnte einen sicherlich in den Wahnsinn treiben, wenn sie so darüber nachdachte. Was bot das Leben noch für einen Anreiz, wenn es unendlich war? Im ersten Moment mochte Unsterblichkeit ja verlockend klingen, doch das war sie nicht, wenn man es genauer betrachtete. Dazu noch der Umstand, dass man sich nichtmal die Welt anschauen konnte.

"Was hast du vor, Käpt'n?", wollte Kuzan wissen. "Wir beide sind die Einzigen, die den Wein nicht angerührt haben.", fuhr sie sich durch die Haare. "Der Rest von euch dürfte für jeden Kampf zu geschwächt sein.", nickte die Rothaarige zustimmend. Sauer ballte sie die Fäuste, denn nun war eindeutig der Punkt gekommen, dass es ihr reichte. "Niemand legt Hand an unsere Familie.", warf sie Aokiji einen entschlossenen Blick zu, der direkt neben sie trat. "Was?", riss die Jüngere entgeistert die Augen auf. "Dann wollen wir doch mal sehen, was ich ausrichten kann.", ergriff Isis je eine Hand von Dorothea und dem Mann.

Flamme der Freiheit Teil 2 🗸Where stories live. Discover now