219. Das Kommende

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Die blauen Seelenspiegel wurden immer größer, indes ihr Blick über die Gestalt glitt, die dort stand und auch die Männer schauten verblüfft drein. Die Erscheinung war seltsam blass und man konnte durch sie hindurch sehen. Lange Haare, schlanke Figur und ein Kleid waren das, was man erkannte. "Ein Geist?", brachte Shiroi ungläubig hervor. "Diese Bezeichnung finde ich ein wenig abgedroschen und doch ist sie wohl treffend gewählt.", lächelte die Frau leicht. "Wer bist du?", stützte sich Seren auf ihre Oberschenkel und richtete sich etwas mehr auf. "Ach, mein Kind, Namen sind Schall und Rauch. Von Menschen erfunden, um Personen und Dinge zu benennen, damit sie jene auseinander halten können.", schüttelte sie leicht den Kopf. "A... a... aber.", stammelte Kuzan umher, konnte es nicht fassen. "Mir war nicht klar, dass Kinsuji und Chikei mit dir reisen. Sonst hätte ich mich gar nicht eingemischt und den Dingen ihren Lauf gelassen.", ignorierte die Unbekannte Aokiji. "Auch wenn meine Anwesenheit trotzdem erforderlich ist, wie ich sehe.", kam sie auf die Blondine zu. "Keinen Schritt weiter.", sprang Shiroi auf die Beine. "Sonst bereust du es.", funkelte er sie bedrohlich an. "Schatz, lass das.", meinte seine Frau ruhig, "Sie ist nicht hier, um jemandem zu schaden." "Nicht nur schön, sondern auch klug.", kniete sie sich vor die Blondine. "Es freut mich sehr, dass aus dir so eine Frau geworden ist.", legte sie ihr eine Hand an die Wange, was Seren einen Schauer über den Körper gehen ließ. Diese Berührung strahlte eine angenehme Kälte aus, die sie noch nie gefühlt hatte.

"Kennst du mich?", wollte die Piratin tonlos wissen, war sie sich nicht im Klaren, was sie davon halten sollte. "So könnte man es wohl nennen.", meinte sie ruhig. "Ich weiß, was dir noch alles bevorsteht und was du verlieren wirst, bereit bist zu opfern. Deine Angst verstehe ich, doch wird alles gut werden. Solange du daran glaubst, kann es gelingen.", flüsterte sie der Blondine ins Ohr. Unfähig die Zusammenhänge zu erfassen, furchte Seren die Stirn. "Ich konnte nicht ahnen, dass eine der meinen eines Tages von diesem Fluch beeinträchtigt werden könnte, vielleicht hätte ich ihn sonst niemals ausgesprochen.", blickte sie ihr entschuldigend ins Gesicht. "Warte mal. Bedeutet das, du bist sowas wie meine Vorfahrin?", kam es leise von der Kapitänin. "Nicht sowas, sondern genau das.", nickte sie leicht. "A... Aber... Wie?", hauchte sie verwirrt, "Wie kannst du dann jetzt hier sein?" "Der Grund dafür bist du.", lächelte sie ehrlich. "Es war mir nicht möglich, dabei zuzuschauen, wie deine Seele geopfert wird, damit diese elendigen Diebe frei sein konnten. Deswegen habe ich dafür gesorgt, dass dein Misstrauen nicht ruht und du wachsam geblieben bist. Sie bekamen von mir, was sie verdienten und selbst auch willentlich in Kauf nahmen, als sie mich bestahlen.", erklärte sie ernst und Seren spürte, dass sie es auch genauso meinte, wie sie es sagte. "Ich konnte es ja, wie bereits erwähnt, nicht ahnen, dass ausgerechnet die Zwei mit dir reisen.", deutete sie auf die Katana. "Wieso konnten sie etwas ausrichten?", legte die Blondine fragend den Kopf schräg. "Wenn der Zorn des Himmels und das Höllenfeuer am selben Ort entfesselt werden, können sie jeden Fluch brechen. So heißt es in einer Legende, die schon eine war, als ich geboren wurde. Offensichtlich ist auch sie wahr.", zuckten ihre Mundwinkel. "Scheint so.", nickte die Piratin leicht.

"Darf ich auch mal was fragen?", kam es vorsichtig von Aokiji. "Tu dir keinen Zwang an.", erhob sich der Geist und drehte sich zu ihm. "Warum bist du jetzt tot? Warst du auch verflucht?", brachte er ahnungslos heraus. Seren schmunzelte und ihre Ahnin lachte auf. Da der Mann ein Stück entfernt gewesen war, konnte er lange nicht alles hören. "Nein.", antwortete sie schlicht. "Wir werden deine Besitztümer zurück in die Gruft bringen und sie sicher verschließen, bevor wir ablegen.", stand die Kapitänin mit wackeligen Beinen auf. "Das ist nicht nötig. Der Fluch existiert nicht länger und kann niemanden mehr heim suchen. Ich bin unendlich dankbar für die Gewissheit, dass meine Tochter es von hier weg geschafft hat. Du bist der lebende Beweis dafür, mein Kind.", lächelte sie warm. "Es wird Zeit zu gehen. Meine Existenz endet heute.", sagte sie dann. "Bitte, warte noch. Ich habe soviele Fragen.", meinte die Blondine mit einem verzweifelten Blick. "Das glaube ich dir. Aber ich muss jetzt wirklich.", ging sie auf die Piratin zu. Der Geist legte die Stirn an ihre. "Glaub an dich, dann kannst du alles schaffen.", hauchte sie noch, bevor ihre Gestalt in der Blondine verschwand.

Mehrmals atmete sie tief durch. "Alles in Ordnung?", wollte Shiroi besorgt wissen. Auf seine Frage nickte sie lediglich. Sie fühlte sich eindeutig wesentlich kräftiger und das war auch gut so. Durch die heutigen Ereignisse hätte sie eventuell erklären können, wieso sie so abgeschlagen war, doch wäre es für das Kommende nicht hilfreich gewesen. Sicherlich wäre die komplette Crew auf die Barrikaden gegangen, wenn sie sich kampfbereit gemacht hätte. Es war schon besser so, dass sie sich wieder gestärkt fühlte. Aber bedeutete das nun, dass ihre Ahnin ihre Existenz für sie aufgegeben hatte? Aus dem Gespräch konnte man das schon so ableiten. Traurig umarmte sie ihren Mann und vergrub das Gesicht an seiner Halsbeuge. "Wir sollten auch los.", flüsterte er ihr zu. "Ja.", nickte die Blondine verhalten und löste sich von ihm. Zu dritt gingen sie in Richtung Hafen, wo die Moby schon bereit zum Ablegen gemacht wurde.

Flamme der Freiheit Teil 2 🗸Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt