40. Der Streit

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Cami stand am Grab ihres Zwillingsbruders Sean im Lafayette Friedhof und schrubbte das Graffiti von seinem Grabstein. "MÖRDER" prankte in großen roten Buchstaben quer über seinem Grab.
Sie schrie verärgert und ließ ihrer angestauten Wut freien Lauf, als sie wie eine Verrückte auf und ab wischte. Tränen kullerten ihr die Wange hinunter, als Pater Kieran sie fand.
"Ich war auf dem Weg nach Hause und hab dich hier reingehen sehen", erklärte er.
Cami hatte aufgehört zu putzen und sah ihn an. "Das wird langsam langweilig", schimpfte sie, während sie sich die Tränen wegwischte. "Es ist schon das zweite Mal diese Woche."
"Das dritte", korrigierte Kieran sie. "Ich hab's vorgestern auch schon mal weggeputzt."
Cami stöhnte frustriert auf und rieb sich die Stirn.
"Die Leute brauchen Zeit, um zu heilen. Sean hat unschuldige Menschen getötet. Darüber wird niemand so schnell hinwegkommen", meinte Kieran und sah sie entschuldigend an.
"Ich denke... Ich glaube, ich verliere den Verstand, so wie Sean es getan hat", fing Cami mit zitternder Stimme an. "Ich habe das in meiner Tasche gefunden." Sie zeigte Kieran das Papier mit dem kunstvoll gezeichneten Symbol. "Die Linien... das ist ein Geheimcode, den Sean und ich benutzt haben, als wir Kinder waren. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, es gezeichnet zu haben. Irgendetwas stimmt nicht und ich kann es einfach nicht verstehen." Sie schluchzte laut.
"Komm her." Tröstend ging Kieran auf sie zu und nahm sie fest in den Arm.
"Vielleicht... solltest du für eine Weile die Stadt verlassen", schlug er vor. "Auf andere Gedanken kommen, den Kopf frei bekommen. Ich kenne deinen Dekan. Du könntest deine Dissertation eine Zeit lang auf Eis legen und deine Eltern besuchen."
"Das kann ich nicht", erwiderte Cami. "Ich muss herausfinden, was passiert ist."
"Manchmal muss man einfach loslassen, Cami. Du solltest New Orleans verlassen."

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"Ich bin sicher, du hast Fragen", meinte die Frau zu Hayley, nachdem sie zusammen, den ohnmächtig gewordenen, Elijah zurück ins Bett gelegt hatten.
"Nur ein paar tausend", antwortete Hayley. "Zum Beispiel, wer bist du? Warum verfolgst du mich? Wo zum Teufel sind alle? Und wenn die Leute in diesem Buch wirklich meine Familie sind, was ist mit ihnen passiert?"
"Ich bin Eve", erklärte die Frau. "Ich folge dir, weil du einen Urvampir in unser Territorium gebracht hast, was so ziemlich derselbe Grund ist, warum alle anderen abgehauen sind. Wenn du wissen willst, was mit den Leuten von diesem Stammbaum passiert ist, dann fasse ich es kurz und bündig zusammen: Marcel ist passiert."
"Was hat er getan?", fragte Hayley schockiert.
"Manche hat er getötet", erwiderte Eve. "Und später hat er die Nachkommen derjenigen, die dem Tod entkommen sind, mit einem Fluch belegt."
"Was für ein Fluch?"
"Er vertauschte die Natur des Werwolfseins. Er machte sie zu Wölfen, die nur bei Vollmond wieder zu Menschen werden. Wir werden aufgrund des Mondsichel-Mals gejagt. Deshalb bin ich meines losgeworden. Ich wollte nicht gefunden werden." Eve zeigte Hayley die Stelle an dem ihr Mal war. Jetzt war dort nur noch eine Narbe erkennbar.
Die beiden wurden von Elijah unterbrochen, der plötzlich aufstand und sich stöhnend den Pflock aus der Brust zog.
In dem Moment rannte Eve zur Tür hinaus und verschwand. Hayley sah ihr verdutzt hinterher.
Dann wandte sie sich an Elijah. "Elijah, wie geht's dir?", fragte sie ihn besorgt.
Elijah fasste sich an den Hals. Die Wunde war geheilt. "Es geht mir wieder gut. Der Biss ist verheilt", antwortete er. "Es tut mir leid, dass ich versucht habe, dich zu verletzen. Das würde ich nie wollen. Der Fiebertraum, ich dachte du wärst..."
"Klaus", fiel ihm Hayley ins Wort. "Ich weiß. Nicht's passiert, Eve hat mich beschützt."
"Hast du herausgefunden, wer sie ist?", wollte Elijah wissen.
"Ja, sie gehört zu meinem Rudel", sagte Hayley und lächelte glücklich. "Ich hab endlich jemanden aus meiner Familie getroffen." Elijah lächelte ebenfalls.
"Aber du bist mir noch eine Erklärung schuldig", forderte Hayley. "Elijah, sag mir, was mit Celeste passiert ist."
"Das ist doch nicht wichtig", meinte Elijah.
"Es ist wichtig", widersprach Hayley. "Tausend Jahre Erinnerungen und das ist es, an was du dich im Fiebertraum erinnerst? Ich will es wissen. Sag's mir!"
"Sie war eine Hexe", fing Elijah an. "Und ich habe sie geliebt. Aber damals war es eine grausame und blutige Zeit für Hexen, dank meines wunderbaren Bruders. Deshalb wurde sie umgebracht."
"Sie ist also wegen Klaus gestorben?", fragte Hayley.
"Nein, sie ist meinetwegen gestorben", erwiderte Elijah. "Weil ich mich zu sehr um sie sorgte. Ich hatte nicht mehr auf das Handeln meines Bruders Acht gegeben, weil Celeste mich jeden Moment in Anspruch nahm. Ich hatte ihn im Namen meines eigenen Glücks im Stich gelassen. Celeste hat den Preis dafür bezahlt."
Verwirrt schüttelte Hayley den Kopf. "Ich versteh's einfach nicht. Warum versuchst du, deine Familie zusammenzuhalten, wenn es so offensichtlich ist, dass ein Teil davon völlig kaputt ist?"
"Für mich bedeutet das Wort "kaputt", dass etwas repariert werden kann", erklärte Elijah. "Ich habe eine ganze Ewigkeit Zeit, um eine einzige Aufgabe zu erfüllen: die Erlösung meines Bruders. Wenn ich das aufgebe, welchen Wert hätte ich dann für meine Familie? Für mich selbst? ...für dein Kind?"
Sanft legte Hayley ihre Hand auf die von Elijah und drückte sie leicht, aber Elijah zog seine Hand weg.
Er schüttelte verzweifelt den Kopf. "Bitte, Hayley. Ich hab dir doch gerade erzählt, was passiert."
Plötzlich klingelte Elijahs Handy.

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