Kapitel 4.4

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Es brannte nirgends Licht als ich die Wohnung wieder betrat. Lediglich ein leises Murmeln drang aus dem Badezimmer und beim genaueren Hinschauen erkannte ich auch den schmalen Lichtstrahl, der unter der Tür hindurch in den Flur fiel. Für eine Sekunde hielt ich inne.

Shawn sang. Auch wenn es nur unter der Dusche war, aber ich hörte ihn seit Wochen wieder einmal singen. Bei einem dreiviertel von Kanadas Bevölkerung hätte ich mir vermutlich die Ohren zugehalten, wenn ich sie im Badezimmer singen gehört hatte. Aber bei seinem Gesang bekam man definitiv keinen Gehörschaden.

So geräuschlos wie möglich zog ich mir meine Jacke und Stiefel aus. Dass ich mir dabei extra ein wenig mehr Zeit nahm, konnte mir wohl keiner verübeln. Schließlich konnte ich so unbemerkt Shawns Gesang länger belauschen. Als er das Wasser abdrehte, beeilte ich mich ins Wohnzimmer zu kommen.

Zusammen mit der kleinen Box in meiner Hand ließ ich mich aufs Sofa fallen. Nachdem ich den Deckel abgehoben hatte, nahm ich die beiden DVD Hüllen heraus. Die Erste, die mit der blauen Aufschrift legte ich in den Player, die andere neben mich.

Meine Hände fühlten sich kalt an und mein Herz schlug ungewöhnlich schnell, als das leise Fiepen vom DVD-Player ertönte. Ich war nervös, denn ich hatte keine Ahnung was für ein Video sich gleich auf unserem Fernseher abspielen würde.

"Was zum-", flüsterte ich leise als das Bild für geschlagene 20 Sekunden schwarz blieb. Verwundert griff ich nach der Fernbedienung, weil ich dachte, irgendetwas stimmt beim Vorgang des Abspielens nicht, aber dann erklang ganz unvermittelt Shawns Stimme aus den Lautsprechern. Erschrocken zuckte ich zusammen. Dann erschien ein kurzer Videoclip von uns beiden.

Unserem Aussehen herzuurteilen muss dieser vor einigen Jahren aufgenommen wurden sein. Denn Shawn hatte auf diesem noch deutlich kürzerer Haare.

Ich starrte wie gebannt auf den Fernseher. Shawn hatte ganz viele kleine Videos zusammen geschnitten und sie mit seiner Stimme hinterlegt. Er zählte zu jeder noch so kleinen Sequenz etwas. Ob wir beide einfach nur dämlich in die Kamera grinsten, ich ihm die Zunge herausstreckte oder Mom unbedingt ein Foto von ihm und mir an unserem Abschlussball haben wollte. Alles wurde über die Jahre hinweg gefilmt und ich hatte nie wirklich etwas davon mitbekommen.

Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen.

Das war mein Geburtstagsgeschenk von Shawn gewesen und ich hatte es mir all die Jahre nicht angeschaut, weil ich so sauer auf ihn aufgrund unserer Trennung gewesen war.

Ich wischte mir die Tränen von der Wange, während die letzten Sekunden des Videos spielten. Dann herrschte Stille. Obwohl nichts mehr auf dem Bildschirm zu sehen war, starrte ich ihn noch immer an. Ich versuchte zu realisieren, was ich da gerade gesehen hatte.

"Verdammte Scheiße!", rieß mich Shawns Stimme aus meinen Gedanken, die von einem kurzen Poltern gefolgt war. "Warum denn immer der kleine Zeh", fluchte er leise vor sich hin und prompt darauf schepperte es laut im Flur. "Fuck Fuck Fuck", kam es aus dem Mund des Sängers während er durch den dunklen Wohnungsflur irrte.

Ich könnte mir ein kleines Lächeln, das gefolgt von weiteren Tränen war nicht verkneifen. Er machte nie das Licht an und beschwerte sich dann, wenn er irgendwo dagegen lief.

Schließlich hatte er nach dieser Reihe von Flüchen aufgegeben den Weg, ohne Helligkeit zu finden und ertastete schließlich den Lichtschalter. Augenblicklich war es hell.

Schniefend drehte ich mich zu meinem Freund um. Shawn stand mit einer Jogginghose und einem babyblauen Pullover bekleidet im Türrahmen. Seine Haare standen zu allen Seiten ab als hätte er bereits geschlafen. "Ich wollte schauen, ob du wieder da bist", kratzte er sich verlegen Kopf, "ich habe mir Sorgen gemacht, weil du so lange weg warst. Du bist auch nicht an dein Handy gegangen."

Mein Freund wackelte unruhig auf der Stelle umher und sah auf den Boden, währenddessen ich nicht fassen konnte, was er da gerade sagte. Allein, dass er ohne Frage meinerseits mit mir redete verblüffte mich. Schließlich war es in den letzten Wochen zu einer Seltenheit geworden seine Stimme unaufgefordert zuhören.

"Entschuldige, dass ich dich gestört habe", murmelte er und ließ seinen Blick kurz durch das dunkle Wohnzimmer Streifen, ehe er sich zum Gehen wandte. "Ich ... äh geh dann mal wieder."

Durch meinen Tränenschleier sah ich, dass Shawn aber nicht zurück ins Schlafzimmer ging, sondern mit dem Rücken zu mir gedreht in der Tür stehen blieb. Plötzlich atmete er hörbar aus und klopfte mit seiner Faust gegen den Rahmen. Anschließend drehte er sich wieder zu mir um und sah mich an.

. . .

i need you more
than you think.
by unknown

Vollidioten küsst man nicht | Shawn Mendes Fanfiction (Teil 1+2+3+4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt