6 | Feminismus & Frauenpower

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Als wir zehn Minuten später im Büro des Direktors sitzen, fühle ich mich alles andere als wohl. Die Stille ist bedrückend und ich bin immer noch außer Atem von der kleinen Show, die Ace und ich dem Direktor und allen anderen Schülern die in Reichweite waren, gerade geboten haben. Es ist wirklich anstrengend gewesen, auf Ace's Rücken zu springen. Zumal er so groß ist und ich dazu auch noch verdammt unsportlich.

Ich seufze leise.

»Wo bleibt der Alte? Wir warten schon seit einer halben Ewigkeit!«

Wie aufs Stichwort schwingt die Tür des Büros auf und uns steht kein Geringerer, als Mr. Wilson persönlich gegenüber. Er ist noch immer verärgert, dass würde selbst ein Blinder bemerken, und ich sehe nun schon die nicht gerade schöne Strafe auf uns zukommen.

Nachsitzen bis ans Schulende.

Abschreiben bis unsere Finger wund sind.

Elternanrufe.

Und und und...

Gut, wenn ich ehrlich sein soll, wären mir die ersten zwei Dinge doch lieber, als ein Elternanruf. Denn das würde gleich auch Hausarrest für mich bedeuten. Das war bei dem letzten Anruf auch schon so gewesen, und da hab ich etwas wesentlich harmloseres getan, als mich mit meinem geliebten Kumpel zu prügeln. Wobei man das ja noch nicht einmal prügeln nennen kann.

Ich wollte ihm ganz einfach nur den Kopf abreißen.

»Ich höre.«

Erschrocken sehe ich zu Mr. Wilson. Ace tut es mir keinen Moment später nach.

»Wollt ihr nichts sagen? Eine Erklärung, oder nein, wartet, noch viel besser, - wie wäre es mit einer Entschuldigung?«, beginnt er erneut und stemmt allen Ernstes die Hände in die Hüfte.

Ich beiße mir fest auf Zunge, um mir ein Auflachen zu verkneifen. Doch als Mr. Wilson zu mir sieht, verziehe ich mein Gesicht schnell wieder zu einer ernsten Grimasse. Noch mehr Ärger will ich jetzt ungern auf mich laden.

Das ist auch der Grund, weswegen ich meinen Ellenbogen in Ace's Seite ramme. Dieser jedoch sieht mich nur genervt an, unterdrückt sich ein Augenrollen und tut aber dann doch das, was ich mit meiner stillen Aufforderung von ihm verlange: Er soll das Reden übernehmen.

»Also... das ganze vorhin war einfach nur ein großes Missverständnis. Ich und Alana...«

»Alana und ich«, verbessere ich ihn leise.

Ace rollt mit den Augen. »Alana und ich wollten nicht Unruhe stiften. Um ehrlich zu sein wollten wir nur... wir wollen nur... ähm... - den Ruf der Schule bewahren!«, schießt es zum Ende hin laut aus ihm hervor, was mich dazu bringt, die Augen aufzureißen.

Oh Gott, was erzählt er da für einen Mist?

Mr. Wilson hebt eine Braue. »Inwiefern? Für mich sah das eher nach einer Prügelei aus.«

Ace schüttelt den Kopf. »Nein, dass kam nur so rüber. Eigentlich wollten ich und Alana... - ähm, ich meine Alana und ich uns für... für... den Feminismus einsetzten! Ja, genau! Lag das denn nicht auf der Hand? Ich habe Alana vor allen Schülern erlaubt, mich fertig zu machen, damit endlich alle kapieren, dass Frauenpower herrscht und das Frauen nicht unterschätzt werden dürfen!«

Sobald Ace fertig mit seiner Rede ist, schlage ich mir innerlich die flache Handfläche gegen die Stirn. Und das nicht gerade sanft. Denn ich kann nicht glauben, was für unfassbar dumme Menschen es auf dieser Welt gibt.

Feminismus? Sein voller Ernst?

Mr. Wilson sieht mit großen Augen zwischen uns her. Im ersten Moment lächelt er und ich spüre, wie siegessicher Ace ist, doch als er im nächsten Moment wieder vollkommen monoton zwischen uns hersieht, rutscht mir mein Herz in die Hose.

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