1 | Überzeugungsarbeit

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»Wie geht es meiner wunderschönen Tochter?« Ist das erste, was ich zu hören bekomme, als ich am Samstagmorgen müde in die Küche schlendere, um mir etwas zum Essen zu holen.

Ich halte mitten in der Bewegung inne und lasse meinen Blick zu meiner Mutter schweifen, die mir mit einem großspurigen Lächeln entgegenblickt. »Ist alles gut?«, hake ich sichtlich verwirrt nach. Ich lasse sie nicht aus den Augen, während ich mich auf einen der freien Küchenstühle niederlasse und bekomme das Gefühl nicht los, dass sie irgendetwas von mir will.

»Was? Darf ich meiner einzigen Tochter nicht einen guten Morgen wünschen, ohne Hintergedanken dabei zu haben?«, kommt es prompt zurück und kurz verrutscht das strahlende Lächeln, das ihre Lippen ziert.

Ich seufze. »Na los, rück schon raus mit der Sprache. Was soll ich für dich tun?«

Sie sieht mich ertappt an, ehe sie große Augen macht und einen Schmollmund aufsetzt, was ziemlich amüsant ist, wenn man bedenkt, dass die Frau vor mir, - die gerade allen Ernstes versucht die Hundeblick-Nummer abzuziehen - meine Mutter ist.

»Ich brauche dringend einpaar Lebensmittel. Kannst du für mich in den Supermarkt um die Ecke flitzen und sie kaufen? Ich würde es selbst machen, aber ich habe wirklich keine Zeit. Du weißt, dass ich später zum Essen bei den Donovan's eingeladen bin und ich möchte nicht dorthin, ohne etwas mitzubringen. Sie denken sonst sicherlich, ich sei geizig und eine schlechte Nachbarin, was eine absolute Katastrophe wäre...«, sprudelt es auch schon wie bei einem Wasserfall aus ihr heraus.

Ich fasse mir an meinen pochenden Schädel, ehe ich ergebend die Hände hebe. »Okay, dass sind glaube ich genug Infos. Ich erledige das«, unterbreche ich sie stöhnend und rutsche nicht besonders begeistert vom Stuhl.

Mum weiß, wie sehr ich es hasse Einkaufen zu gehen. Ich hasse Läden mit vielen Menschen und die Hitze die draußen herrscht, macht das ganze nicht schmackhafter. Gott, ich muss nun tatsächlich raus an die frische Luft und das, obwohl ich mich doch so sehr auf einen Gammeltag in meinem Bett gefreut habe. Und zu diesem gehört sicherlich kein kleiner Spaziergang.

»Danke, du bist wirklich ein Engel! Hier die Einkaufsliste!«, ruft Mum, die mich aus meinen Gedanken reißt. Überrumpelt sehe ich zu ihr auf und bekomme im nächsten Moment auch schon einen Zettel in die Hand gedrückt.

»Mach schnell. Ich habe nicht den ganzen Morgen Zeit«, drängt sie dann, als ich mich nach einigen Sekunden der Stille immer noch nicht vom Fleck bewegt habe.

Ich seufze. »Ist ja gut. Du hast Glück, dass ich einigermaßen gut angezogen bin«, murmle ich zum Ende hin eher zu mir selbst, als zu meiner Mutter.

Dann gleitet mein Blick zur Bestätigung noch einmal an mir herunter und ich bin ziemlich glücklich darüber, dass ich mich gestern Abend für eine graue Jogginghose und einem normalen Shirt entschieden habe. Meine Haare sind zu einem ziemlich ordentlichen Dutt zusammengebunden und alles in einem sehe ich garnicht so schlimm aus, wie ich es an meinen sonstigen Gammel-Samstagen tue.

»Wie du meinst...«, höre ich meine Mutter murmeln, die sich keine Sekunde später wieder zum Ofen dreht und mir keine weitere Aufmerksamkeit schenkt.

Wow, dass ist mal wieder typisch. Jetzt, da ich zugestimmt habe, ihre Aufgabe zu übernehmen, kann sie sich wieder auf ihre anderen Sachen konzentrieren und ihr Part ist getan. Wenn ich es mir recht überlege, muss es diesmal anders sein.

Jetzt bin ich dran, etwas einzufordern.

Ich stemme meine Hände links und rechts in die Hüfte, ehe ich mich dramatisch laut räuspere und meiner Mutter ein hoffnungsvolles Lächeln schenke. »Da ich ja deine wunderschöne Tochter bin, die ihre Freizeit immerzu dafür opfert, um ihrer teuren Mutter einen Gefallen zu tun und ihr somit den Tag zu vereinfachen, kannst du dich sicherlich auch dazu herabsannen, mir eine kleine Freude zu bereiten.«

Sobald ich meine Rede vollendet habe, atme ich tief durch. Wow, dass war viel schwerer als gedacht. Ich kann mich um ehrlich zu sein garnicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal so formell mit meiner Mutter gesprochen habe. Ich schätze, dass war an dem Tag, an dem sie herausgefunden hat, dass ich es war, die ihre teure Lieblingsvase auf eBay versteigert hat.

Mum seufzt laut, ehe sie sich zu mir umdreht. Beim antworten lässt sie sich ziemlich viel Zeit, doch ob das nun gut oder schlecht ist, kann ich nicht genau sagen.

»Und was schwebt dir da vor?« Sie mustert mich kritisch und mit vor der Brust verschränkten Armen, was mich wenn ich ehrlich sein soll schon ein kleinen wenig einschüchtert.

Ich schlucke unmerklich. »Wie wäre es, wenn du mir erlaubst, zusammen mit Hanna und Diana zu der Mitternachtsvorstellung zu gehen?«

Mum zieht eine Braue in die Höhe. »Das meinst du doch nicht ernst, oder?«

Ich reiße verdattert die Augen auf. »Und ob ich das ernst meine! Du hast mich schon letztes Mal nicht auf diese Fete gelassen, bitte verdirb mir dieses Erlebnis zusammen mit meinen Freundinnen nicht auch noch!«

»Das war keine Fete, sondern eine Party mit Alkohol. Das ist nichts für ein siebzehnjähriges Mädchen. Du solltest dich lieber auf die Schule konzentrieren, als auf so einen Blödsinn.«, erwidert Mum ziemlich unbekümmert.

Das kann nicht ihr ernst sein.

»Was? Aber Liam durfte auf diese beschissene Party! Nur ich musste Zuhause bleiben und musste mir dumme Tierdokumentationen im Fernseher ansehen«, fauche ich verbissen.

Mum zuckt mit den Schultern. »Erstens hat dich keiner dazu gezwungen. Du hättest auch einfach schlafen gehen können. Und zweitens ist Liam schon volljährig und kann auf sich selbst aufpassen.«

Ich schnappe empört nach Luft. »Das ist total unfair!«

»Was ist unfair?«, ertönt es aus dem Wohnzimmer. Keine Sekunde später erscheint Liam an der Küchentür und lässt seinen Blick neugierig zwischen Mum und mir herschweifen.

Ich knirsche mit den Zähnen, während ich vorwurfsvoll auf ihn deute. »Es ist unfair, dass Mum dir alles erlaubt und mir nicht! Es ist unfair, dass du alles in den Arsch geschoben bekommst, während ich hart dafür arbeiten muss! Einfach alles in diesem Haus ist unfair!«

»Komm mir nicht so, Fräulein«, höre ich Mum sagen, doch ich ignoriere sie und schnappe mir das Geld, das auf dem Küchentisch liegt, um gleich darauf auf die Haustür zuzusteuern.

»Alana!«

Ich achte nicht auf die Rufe meines Bruders, sondern streife mir meine Schuhe über und verlasse geladen das Haus. Die Tür fällt mit einem lauten Knall ins Schloss, doch auch davon lasse ich mich nicht beirren. Ich umklammere den Zettel in meiner Hand fester, während ich den Fußgängerweg entlang laufe und versuche, meine Wut irgendwie wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Es war mal wieder sowas von klar, dass es so endet. Mum kann einfach nicht einsehen, dass sie mich in vielen Hinsichten wie ein kleines Kind behandelt, während Liam alles tun kann, was er will.

Scheiße, er ist doch nur zwei Jahre älter als ich!

Ich knabbere verärgert auf meiner Unterlippe herum.

Erst durfte ich nicht auf die Party und jetzt lässt sie mich nicht auf die Mitternachtsvorstellung am nächsten Samstag, auf die Diana, Hanna und ich schon so lange hingefiebert haben.

Gott, das Leben ist manchmal so unfair.



A/N:

Hier kommt das erste richtige Kapitel, hab es nur einwenig überarbeitet.
❤️

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