38 | Nähe

4.8K 251 115
                                    



Ich fühle mich wie gelähmt.

Alles rauscht für die nächsten paar Minuten teilnahmelos an mir vorbei. Ich meide den Blick von Diana und Ryle und sehe die ganze Zeit nur auf die sich drehende Flasche, bis sie zum Stillstand kommt und auf Liam zeigt. Ich atme tief durch, ehe ich zu meinem Bruder sehe.

Eine Freundin von Hana, dessen Namen ich gerade vergessen habe, sieht Liam an und lächelt. »Wahrheit oder Pflicht?«

»Pflicht«, entgegnet Liam. Er hat sowieso keine andere Wahl, da Aaron gerade die neue Regel eingeführt hat, dass es erstmal nur noch Pflicht gibt. Zu viele haben seiner Meinung nach haben die ganze Zeit über Wahrheit gewählt.

Sie grinst. »Küsse eine deiner Nachbarinnen.«

Meine Augen weiten sich, als ich ihre Forderung realisiere. Auch Liam scheint komplett überrascht. Neben ihm sitzt Hana und auf der anderen Seite Lina. Lina ist eine Freundin aus unserer Schule, Liam kennt sie jedoch nicht.

Mein Bruder scheint mit sich selbst zu hadern, denn den Blick den er drauf hat kenne ich nur zu gut. Als er sich dann jedoch urplötzlich zu Lina dreht und sie küsst, bin ich im ersten Moment so geschockt, dass ich mit halb offenem Mund dastehe. Was um alles in der Welt tut er da? Warum hat er nicht die Chance genutzt? Er steht doch total auf Hana, verdammt!

Ich schlucke, als ich es wage, zu Hana zu sehen. Diese wirkt überraschenderweise... verletzt. So kommt es mir zumindest vor. Denn ihre Schultern sind leicht angezogen und sie bemüht sich darin, nicht zu Liam und Lina zu sehen, wahrscheinlich da ihre Augen wie zuvor bei mir direkt verraten würden, was sie empfindet...

Oh man...

Liam löst sich nach sehr kurzer Zeit wieder von Lina. Während sie wie hin und weg scheint, ist Liam total unberührt. Er schluckt merklich, ehe er stumm nach der Flasche greift und sie mit Schwung dreht.

Und wer hätte es gedacht, – sie bleibt genau bei mir stehen.

Ich stoße die angestaute Luft aus, als mein Bruder fragt: »Wahrheit oder Pflicht?«

»Ich hab ja keine andere Wahl«, beginne ich und sehe Aaron an, »also: Pflicht.«

Liam überlegt einen Moment, ehe er zu sprechen beginnt. »Besorg uns einpaar Getränke von drinnen.«

»Oha, was soll das Liam!«, beschwert sich Aaron prompt und bekommt Beifall von einigen anderen, die am Tisch sitzen. »Was soll die Scheiße, Alana ist doch kein kleines Kind.«

Ich blicke genervt zu Aaron. »Dann kriegst du eben kein Getränk.«

Aaron funkelt nun Liam böse an.

»Was wollt ihr von mir? Sie ist meine Schwester«, verteidigt sich dieser nur und er weiß gar nicht, wie dankbar ich ihm dafür bin, dass er mir eine kurze Auszeit ermöglicht hat. Diese habe ich nämlich nach allem, was gerade passiert ist, mehr als nur nötig.

Ich erhebe mich erleichtert vom Tisch und laufe mit zügigen Schritten auf die offene Terrassentür zu, um dann ins Hausinnere zu verschwinden. Während ich also in die Küche laufe und einpaar Getränke aus dem Kühlschrank hole, kann ich meine Gedanken nicht davon abhalten, immer wieder das Bild von Diana und Ryle aufzurufen, wie ihre Lippen aufeinander liegen.

Wieder fühlt es sich in meinem Bauch so an, als wäre alles durcheinander und ich halte einen Moment inne, um nach Luft zu schnappen.

Was geht nur in mir vor...

»Alana.«

Ich fahre erschrocken herum und sehe direkt in einpaar klare graue Augen. Dafür muss ich meinen Kopf leicht in den Nacken legen, da Ryle direkt vor mir steht. Die Luft um uns herum scheint sich mit einem Mal elektrisch aufzuladen, denn das Atmen fällt mir wieder schwerer und mein Herzschlag beschleunigt sich.

Matching Hearts ✓Where stories live. Discover now