46. my love

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Ungläubig sah ich sie an. Meine Lippen bewegten sich stumm, doch ich brachte keinen Ton heraus. Was wollte er denn hier? Es gab nicht mehr uns. Die Gefühle, die ich für ihn empfunden hatte, hatte er mit nach Portugal genommen und dort gelassen. Er hatte dort Joana kennengelernt und es war okay so. Wir gehörten nicht mehr zusammen, mit jeder Sekunde, die ich bei Niall verbrachte, wurde mir das klar. Es war eine wunderschöne Zeit gewesen, doch es war vorbei – endgültig.

„Wo ist der Mistkerl? Ich gehe ihm an die Gurgel, ich zerhackstückle ihn, wenn er irgendeine Dummheit macht!" Ich hörte Hollys wütende Stimme im Flur und kurz darauf fiel die Haustür ins Schloss.

„Ach, sei schon still, du Schlumpf!", knurrte eine wohlbekannte Stimme. Wieso? Wieso musste er genau jetzt auftauchen?

Er stieß die Tür zu meinem Zimmer auf und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Lottie, ich muss mit dir reden!" Holly zerrte mit aller Kraft an seinem Arm, doch er bewegte sich nicht von der Stelle. „Bitte, Lottie!" Beinahe flehend sah er mich an. „Willst du mit dem Nervenbündel reden oder soll ich mir was einfallen lassen?", fragte Holly misstrauisch und ließ endlich Alex Arm los. „Schon okay! Komm mit", antwortete ich ihr mit gerunzelter Stirn und ging mit schnellen Schritten in die Küche, Alex folgte mir zögernd. Ich wollte das Gespräch nicht in meinem Zimmer führen, ich brauchte momentan keine Erinnerungen, sondern neutralen Boden.

„Was willst du hier?" Mit verschränkten Armen musterte ich Alex. Was erwartete er sich? Dass alles so war wie früher? „Lottie, du musst mir verzeihen, das mit Joana war nichts Ernsthaftes, das haben wir letztens als sie hier war auch gesagt, es ist alles nur Spaß!" Die Worte sprudelten nur aus ihm heraus, er gestikulierte wild mit seinen Händen. „Moment – Joana war hier? In London?", unterbrach ich seinen Wortschwall. Ertappt biss er sich auf die Lippe, während sein Gesicht einen verräterischen Rotton annahm. Ich schnaubte ungläubig. Er sülzte mir vor, dass es nur ein Ausrutscher war und dann besuchte ihn seine Flamme in London. Das war doch Wahnsinn!
„Alex, ich bin dir nicht böse, aber ich mach da nicht mehr mit! Das ist nicht nur Spaß! Ich wünsche dir wirklich, dass du glücklich mit Joana wirst, aber wir beide werden es nicht mehr!" Ich war nicht wütend, ich war genauso schuld an der ganzen Sache wie er. Ich wollte mein Verhalten nicht schönreden – er hatte Joana geküsst und ich Niall, doch es war gut so. Wir hatten uns auseinandergelebt, wir hatten uns beide verändert.

„Lottie, ich lass dich nicht gehen!"

„Alex, es ist vorbei! Sieh das doch ein!"

„Ich weiß einige Sachen, die nicht an die Öffentlichkeit gehen sollten. Schon vergessen?"

In diesem Moment blieb die Welt stehen.

Mein Herz setzte kurz aus, es fühlte sich an, als hätte jemand die Zeit angehalten, als würde sich jemand mit aller Kraft an die Erdachse klammern und sie festhalten. Ungläubig sah ich ihn an. Nein, er konnte es nicht ernst meinen... Er konnte mir doch nicht damit drohen, alles zu verraten... Dass er mit allem an die Öffentlichkeit gehen würde - mit meiner vorgespielten Beziehung mit Harry, den Gefühlen, die ich für Niall empfand... Mit allem was passiert war?

„Das wirst du nicht tun", flüsterte ich, doch der wütende Blick in seinen Augen sprach Bände.

„Du hast die Wahl, Lottie Williams!"

Bisher war ich nicht wütend gewesen, doch jetzt brodelte es in meinem Inneren. Ich spürte den Groll, der aufstieg und die Wut, die in mir kochte. Geräuschvoll schnappte ich nach Luft. Nein, es war unmöglich... es konnte doch nicht wahr sein!

„Lottie? Alles okay?" Nialls sanfte Stimme ertönte im Flur, kurz darauf öffnete sich die Tür. Bis vor wenigen Minuten war alles so perfekt gewesen, es war wie ein Traum... doch dieser Traum war mit nur wenigen Worten wie eine Seifenblase zerplatzt. Alex hatte mich in der Hand, er konnte alles gegen mich verwenden.

Kaum erblickte Niall Alex verfinsterte sich sein Blick, misstrauisch musterte er ihn.„Sieh mal einer an. Der Flughafen-Typ!", knurrte Alex und sah Niall nicht weniger abschätzig an. Wütend funkelten sie sich an und instinktiv stellte ich mich zwischen die beiden. Ich hatte das ungute Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde und sie aufeinander losgehen würden.

„Niall?" Überrascht wirbelte ich herum, als ich Harrys Stimme hörte. „Er ist hier, du hattest Recht mit dem Auto!", rief Harry über seine Schulter jemandem zu und grinste mich schief an. Was in aller Welt machte Harry in meiner Küche? Wann war unsere  Wohnung zum Versammlungsort mutiert? „Hey, Lottie!" Normalerweise wäre ich mehr als nur verwirrt, wenn Harry Styles plötzlich neben meinem Backofen stehen würde, doch jetzt erschien es mir lächerlich, sich darüber Gedanken zu machen.

In meinem Kopf drehte sich das Karussell immer schneller. Alex wollte alles verraten und es war meine Schuld. Ich allein war dafür verantwortlich. Ich hatte ihm mein Vertrauen geschenkt und er rammte es mir wie einen Dolch in den Rücken, ohne Skrupel trat er darauf herum und lachte dabei hysterisch.

„Komm ich ungelegen?", fragte Harry und sah zwischen uns hin und her. „Eleanor hat mich angerufen, sie meinte, wir sollten mal vorbeischauen. Du warst nicht Zuhause und Lottie hat schon wieder ihr Handy verloren, also hab ich eins und eins zusammengezählt!", erklärte Harry und legte mein Smartphone auf den Tisch, doch ich hörte ihm nur mit einem Ohr zu, immer wieder spulte ich den einen Satz ab.

...Ich weiß einige Sachen, die nicht an die Öffentlichkeit gehen sollten...

„Sag mal, bist du wirklich so blöd? Du machst Männchen, wenn sie es dir sagen!"

Alex hatte mich noch nie angebrüllt, doch die darauffolgende Stille war nicht weniger laut. Sie dröhnte, schrie mich an. Das war doch der reine Wahnsinn!

„Kommst du jetzt mit?"

„Nein. Ich bleibe."

Die Worte rutschten unüberlegt über meine Lippen. In mir brodelte Wut, Adrenalin strömte durch meine Adern, doch ich wollte mich nicht von ihm erpressen lassen, ich würde mich nicht klein kriegen lassen. Wütend funkelte mich Alex an, fast unmerklich schüttelte er seinen Kopf.

„Die bezahlen dich dafür, dass du ihre Freundin bist. Ich wusste schon immer, dass du ein Flittchen bist, aber nicht, dass du dich auch dafür bezahlen lässt!"

Ich schnappte laut nach Luft, als ich die Worte hörte. Das konnte nicht sein Ernst sein! Noch nie hatte ich solche Wut empfunden, mein Herz begann schmerzhaft zu pochen. Das war nicht der Alex, den ich kannte.

Dann passierte alles blitzschnell. Niall regte sich neben mir, doch bevor ich dazu kam, ihn von irgendeiner Dummheit abzuhalten, packte ihn jemand anderes und hielt ihn an den Armen fest.

„Okay, Freundchen, du scheinst ja ne ziemlich große Klappe zu haben! Die wird dir aber leider nicht weiterhelfen!" Die helle wütende Stimme war so mir bekannt, überrascht wirbelte ich herum. Louis war aus dem Nichts aufgetaucht und hielt Niall mit aller Kraft fest. Mit tellergroßen Augen sah ich ihn an - nie im Leben hatte ich damit gerechnet, dass er Harry begleitet hatte. Ausgerechnet Louis! Ausgerechnet er half mir, obwohl er jeden Grund hatte, mich zu meiden. „C'mon - alle würden denken, dass du ein Heuchler bist, der nur neidisch ist. Und sie hätten sogar Recht damit! Also vergiss deine idiotische Idee, unterzeichne die Verschwiegenheitserklärung und die Sache ist erledigt."

Niall knurrte wütend und ballte seine Hände zu Fäusten und Louis lockerte seinen Griff.

„Ihr seid doch alle verrückt, ihr spinnt doch! Ich könnt mir alle gestohlen bleiben!", brüllte Alex mit hochrotem Gesicht und stürmte aus der Wohnung, eine Salve Schimpfwörter und Beleidigungen sprudelten aus seinem Mund.

Mit weit aufgerissenen Augen sah ich ihm nach, dann traf mein Blick Louis'. „So ein Idiot!", rief Harry aufgebracht, doch ich konnte meinen Blick nicht von Louis abwenden. Er hatte allen Grund, mich zu hassen und doch sprang er für mich und seine besten Freunde in die Bresche.

„Louis, ich weiß nicht, was ich sagen soll...", stammelte ich, doch Louis grinste mich nur schief an. „Ich sag's zwar nicht gerne, aber du bist jetzt eine von uns, my love!"

CluelessWhere stories live. Discover now