42. Oops

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Ich sah sie einige Sekunden lang mit aufgeklappter Kinnlade an, dann hielt ich mir blitzschnell die Hand vor die Augen. „Oh Gott, ich hab nichts gesehen, sorry!" Ich hörte Niall hinter mir glucksen und die beiden sprangen hastig auseinander. Harry sah mich mit weit aufgerissenen Augen an und grabschte nach seinen Shorts, während Louis fluchend nach seinem Shirt suchte. 

„Was machst du hier?", fragte er mich atemlos. Peinlich berührt ließ ich meine Hand wieder sinken. „Du hast mein Handy!", erklärte ich kleinlaut und lächelte ihn verlegen an. Er runzelte die Stirn und sah mich verwirrt an, während mir die Röte ins Gesicht kroch. Lottie Williams hatte wie immer ein perfektes Timing, ganz große Klasse.

Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen, während ich buchstäblich sehen konnte, wie es in Harrys Kopf ratterte, doch nichts, was er sagen würde, würde die Situation anders aussehen lassen. Eng umschlungen waren sie dagestanden und hatten sich geküsst, als gäbe es kein Morgen mehr.

„Lottie, ich kann das erklären, uhm... also...", stammelte Harry. „Harry, ist schon gut!", unterbrach ich den aufgewühlten Lockenkopf vor mir sanft. Harry und Louis waren ein wunderschönes Paar. Sie waren wie zwei Puzzleteile, die sich endlich gefunden hatten. 

Immer wieder versuchte man sie irgendwo anders zu platzieren, doch das Bild ergab keinen Sinn, wenn sie nicht an ihrem richtigen Platz waren. Ein grünes Puzzleteil gehörte nicht an eine beliebige Stelle im blauen Himmel auf dem Bild, es gehörte genau zu seinem Gegenstück. Genau wie Harry zu Louis. 

„Harold, dein Stottern wird jetzt auch nichts mehr ändern!" Louis streifte sich sein Shirt über und stellte sich mit verschränkten Armen neben Harry. Er war ein ganzes Stück kleiner als er, seine Haare waren verwuschelt und zahlreiche Tattoos schmückten seinen Körper. Misstrauisch funkelte mich Louis an. „Okay, die Bombe ist anscheinend geplatzt. Hör zu - ich mag Menschen, die nichts sagen, wenn sie nichts zu sagen haben. Kannst du schweigen?" Nervös biss ich mir auf die Lippe. Harry und Louis schienen nicht erfreut darüber zu sein, dass ich ihr Geheimnis herausgefunden hatte - vor allem nicht auf diese Weise.

„Ich habe niemanden was davon erzählt und das wird auch so bleiben, versprochen. Wieso sollte ich auch?" Zaghaft lächelte ich Louis an. Noch immer sah er mich mit gerunzelter Stirn an, doch sein Blick war weicher geworden. Schon so oft hatte er mich wütend gemustert, etliche Male waren wir uns über den Weg gelaufen und nie war mir bewusst gewesen, wer er wirklich war. 

Ich spürte Nialls Blick auf mir, doch ich mied ihn anzusehen. Ich wollte die Situation nicht  noch komplizierter machen, als sie ohnehin schon war. Es war gut so. Harry liebte Louis, Louis liebte Harry und ich... ich war irgendwo mittendrin, hin- und hergerissen zwischen meinen Gefühlen.

„Wieso zum Teufel spricht du in der Vergangenheitsform?" Louis sah mich fragend an und verschränke seine Arme vor der Brust, nun schien es auch Harry aufzufallen. Verwirrt musterte er mich, während ich knallrot anlief. Ich Idiot! Ich suchte nach Worten und wollte mir irgendeine dumme Erklärung einfallen lassen, doch mein Kopf war wie leergefegt. Stumm bewegte ich meine Lippen, während ich sie mit geweiteten Augen ansah.

Verlegen biss ich mir auf die Lippe und sah Niall hilfesuchend an. Dieser senkte schnell die Augen, doch Louis war meinem Blick gefolgt. Überrascht sog er die Luft ein, dann sah er Niall wütend an.

„Glaubst du es tut ordentlich weh, wenn ich meine Fäuste schwinge?", rief Louis aufgebracht und warf seine Hände unkontrolliert in die Luft, doch auf seinen Lippen bildete sich ein kleines Grinsen. „Mann, Nialler, ich hab keine Ahnung, was dich so dumm macht, aber funktionieren tut's auf jeden Fall!" Unwillkürlich musste ich schmunzeln, als ich Nialls Blick traf, auch er verkniff sich ein kleines Grinsen. 

„Ups!", nuschelte er und zwinkerte er mir verschmitzt zu. Sofort machte mein Herz einen kleinen Hüpfer und ein breites Lächeln formte sich auf meinen Lippen. „Wie lange weißt du es schon?", frage Harry entgeistert und versuchte seinen nackten Oberkörper mit seinen Händen zu verstecken, doch richtig gelingen wollte ihm das nicht. 

„Uhm... seit deinem Konzert in L.A.?", sagte ich kleinlaut und sah ihn schuldbewusst an. Seine Augen weiteten sich und er begann die Wochen an seinen Fingern abzuzählen. „Das ist eine Ewigkeit!", rief er entrüstet und sah zwischen Niall und mir hin und her. „Es tut mir so leid, Harry! Ich hätte dir sagen müssen, dass ich es weiß, aber..." Ich unterbrach mich selbst und sah unsicher zu Niall. 

„Ich habe es versprochen!", flüsterte ich leise, während ich meinen Blick nicht von ihm abwandte. Niall hatte mir vertraut und um nichts in der Welt hätte ich mein Versprechen gebrochen. Er vertraute mir, genauso wie ich es ihm tat, auch wenn die Vertrautheit zwischen uns ganz weit weg schien.

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„Lottie? Können wir kurz miteinander reden?" Erstaunt sah ich Niall an, nickte dann aber schnell. Endlich hatte ich mit Harry gesprochen und ein erstaunlich großer Stein war mir dabei vom Herzen gefallen - ich wollte ihm nicht länger verschweigen, dass ich von seinem Geheimnis wusste. Ich mochte Harry - er war ein so toller Freund, egal ob für die Presse oder für mich. 

Zögernd folgte ich Niall in Harrys Küche und blieb etwas verloren mitten im Raum stehen. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, doch das Kribbeln in meinem Bauch verstärkte sich. Wir hatten so lange nicht mehr richtig miteinander gesprochen, doch unsere Gespräche fehlten mir. Bei Niall fühlte ich mich sicher, gut aufgehoben und geborgen. 

„Danke, dass du ihm nichts gesagt hast. Das war sicher nicht so einfach für dich!" Ich lächelte leicht und sah ihn unsicher an. Es war nicht einfach gewesen, damit hatte er Recht. „Lottie, ich hab mich daneben benommen. Ich hab den Kontakt zu dir gemieden und das war nicht okay, ich weiß, aber... naja, ich musste über ein paar Dinge nachdenken", sagte er leise und fuhr sicher unsicher durch die Haare. 

Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich mich an Harry Worte erinnerte. Ich liebte Nialls Haare, ganz egal, welche Farbe sie hatten. 

„Niall, du musst dich nicht entschuldigen! Es ist allein meine Schuld, ich würde es dir nicht mal übel nehmen, wenn du mich anbrüllen würdest!" Ein verschmitztes Grinsen erschien auf seinen Lippen. „Als würde ich dich jemals anbrüllen können!", sagte er und lachte leise. Verlegen lächelte ich und senkte meinen Blick. Ich hatte sein Lachen so vermisst, mit jeder Sekunde, die ich hier in dieser blitzblanken Küche mit ihm verbrachte, wurde mir klarer, wie sehr er mir gefehlt hatte. 

Plötzlich veränderte sich sein Blick und langsam kam er auf mich zu. Verwirrt sah ich ihn an, während mein Herz immer schneller zu klopfen begann. In rasender Geschwindigkeit pochte es, als wäre ich gerade eben einen Marathon gelaufen, eine Gänsehaut kroch über meinen Rücken, als er mir immer näher kam. 

Was in aller Welt stellte Niall mit mir an? Jedes Mal, wenn ich in seiner Nähe war, wurden meine Knie weich, ich konnte nicht mehr klar denken! Vorsichtig legte er seine Hand an meine Wange, nur noch wenige Zentimeter trennten uns voneinander. Er starrte mit seinen blauen Augen geradewegs in meine braunen.

„Sorry, Lo!" Nur ein Flüstern kam über seine Lippen, langsam ließ er seine Hand sinken. Zögernd sah er mich an, dann drehte er sich blitzschnell um und lief aus dem Raum. Nur wenige Sekunden später hörte ich wie die Haustür ins Schloss fiel, doch ich blieb wie erstarrt mitten im Raum stehen. Noch immer klopfte mein Herz in rasender Geschwindigkeit. 

Ich hatte keine Ahnung, was gerade eben passiert war, alles stand Kopf. Nichts ergab einen Sinn - am allerwenigsten meine Gefühle. Nur ein Gedanke wurde immer klarer und drängte sich unaufhaltsam in den Vordergrund. 

Ich hatte mich verliebt. 

CluelessWhere stories live. Discover now