37. New York, Lissabon, Frankfurt, Paris,...

417 37 30
                                    

„Wir könnten am Samstag gemeinsam zurück nach London fliegen, wenn du willst. Freitag ist dein letzter Drehtag, oder?" Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Niall war so aufmerksam, jedes Detail, das ich ihm verriet, schien er in seinem Kopf abzuspeichern.

„Kann ich dich die nächsten Tage begleiten? Also zum Set?", fragte mich Niall. Erstaunt sah ich ihn an, nickte dann aber.

Ich war froh, dass er mich begleiten wollte, doch mein schlechtes Gewissen plagte mich. Niall kam nicht mit, weil er sich das Set ansehen wollte oder weil er neugierig war, sondern tat es mir zuliebe.

„Niall, du musst nicht mitkommen! Ich freue mich natürlich darüber, aber... ich schaff das schon!", murmelte ich leise. Überrascht sah er mich an, dann wurde sein Blick weich. „Ich komme gerne mit!", flüsterte er, dann hauchte er mir einen Kuss auf die Wange.

Sofort begann die Stelle zu kribbeln. Verlegen schlug ich die Augen nieder, Niall sollte nicht sehen, dass mir schon wieder Röte ins Gesicht schoss. Was war nur los mit mir? Wieso wurde ich wahnsinnig, wenn er mich berührte, wieso begann es in meinem Bauch zu flattern und warum in aller Welt genoss ich dieses Gefühl? Niall lächelte mich verschmitzt an und griff nach seiner Gitarre. Gedankenverloren zupfte er eine Melodie auf den Saiten.

„Ich lass dich nicht alleine, Lottie. Versprochen!"

____

Es war der letzte Drehtag und Niall hatte mich seit dem Vorfall jeden Tag begleitet. Zwischendurch war er zwar immer wieder kurz verschwunden, doch das machte mir nichts aus - immerhin war er in L.A., um seine Songs aufzunehmen. Allerdings tauchte er immer rechtzeitig auf, um mich abzuholen und wartete geduldig auf mich, wenn wir den Dreh noch nicht beendet hatten.

Ab und zu begegneten wir auf dem Heimweg Fans oder Fotografen, doch Niall hatte die Gabe, immer irgendwo ein Schlupfloch zu entdecken und rechtzeitig in abgelegenen Seitenstraßen zu verschwinden, bevor die Situation eskalierte - wahrscheinlich wollte er genauso wenig wie ich, dass wir von allen Seiten belagert wurden. Ich erinnerte mich daran, dass er mir vor Wochen von seiner Platzangst erzählt hatte, er wusste bestimmt, wie man damit umging.

Seit dem Vorfall war ich nur kurz in meiner kleinen Einzimmerwohnung gewesen, um meine Sachen zu holen, dann hatten wir alles zu Niall geschafft. Kurzerhand hatte er beschlossen, dass ich die letzten Tage meines L.A.-Aufenthalts bei ihm verbringen sollte und auch wenn mich mein schlechtes Gewissen plagte, war ich froh darüber. Ich sollte auf Abstand gehen, doch ich brauchte Niall, ich wollte in seiner Nähe sein.

Mein Rucksack blieb genau wie mein Handy verschollen - mit Nialls Handy hatte ich Holly eine kurze Nachricht gesendet und ihr erklärt, dass ich es am Set verloren hatte. Sicher würde sie es Liz ausrichten, immerhin verstanden sich die beiden mittlerweile richtig gut.

Ich wollte ihnen nicht die Wahrheit sagen, ich wollte nicht das Mädchen sein, das überfallen wurde, wollte nicht der Schwächling sein, auf den man aufpassen musste. Es war kindisch und dumm von mir, das wusste ich, doch ich konnte nicht darüber sprechen.

Niall versuchte mich jeden Tag aufzumuntern und mir Mut zu machen, doch er respektierte meine Entscheidung: niemand würde davon erfahren.

Glücklich umarmte ich ihn, als ich sein lachendes Gesicht zwischen all den Statisten entdeckt hatte. Die letzte Szene war im Kasten, alles war abgedreht. Alle applaudierten, riefen durcheinander und öffneten Champagner, doch ich hatte nur Augen für Niall.

Stevie, einer unserer Kameramänner, huschte zwischen den Produzenten, Schauspielern und Stylisten herum. „Ich mache nur Erinnerungsfotos!", nuschelte er, dann drückte er ab und verschwand in der Menge. Erstaunt sah ich Niall an, doch dieser lächelte mich nur an und zog mich an sich. Sofort begannen die Schmetterlinge in meinem Bauch Salsa zu tanzen.

CluelessWhere stories live. Discover now