25. blaue Teufelchen sind blau

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„Harold!"

„Nialler!"

Lachend fielen sich die Freunde in die Arme, dann zog Harry auch mich in eine Umarmung. Holly hatte ich seit Längerem nicht mehr gesehen, doch ich machte mir keine Sorgen um sie, denn sie schien sich hier wie Zuhause zu fühlen. 

„Du warst Klasse, es war wirklich toll!", sagte ich und strahlte Harry an. 

Meine Wangen glühten rot, noch immer spürte ich Adrenalin durch meine Adern rauschen. Die ganze Zeit waren Niall und ich zusammen geblieben, ohne Weiteres schleppte er mich durch die Sicherheitssperren in den Backstage-Bereich. Ganz selbstverständlich hatte er sich mir angenommen und mich nicht alleine gelassen. 

Nicht wenige der Konzertbesucher hatten begonnen zu tuscheln, als sie Niall erblickt hatten, doch erstaunlich wenige hielten uns auf, um ihn um ein Autogramm zu bitten. 

„Ich hab euch tanzen sehen – lasst es das nächste Mal lieber bleiben!", meinte Harry und grinste spitzbübisch, woraufhin Niall ihm lachend gegen den Arm boxte. 

Sofort stimmte ich in sein Lachen ein: es war bestimmt das ansteckendste, welches ich jemals gehört hatte. Es machte mir nichts aus, dass Harry sich über meinen äußerst interessanten Tanzstil lustig machte, nichts würde diesen Moment zerstören können.

„Grinst mal schnell!" Niall zückte sein Handy und ehe ich mich versah, schoss ein Foto von uns dreien. „Es war eines deiner besten Konzerte, Harold, ich brauche eine Erinnerung an diesen Wahnsinnsabend!", erklärte er und zwinkerte mir verschmitzt zu. Sofort musste ich wieder lachen – ich würde den Abend genauso wie er in guter Erinnerung behalten.

Plötzlich entdeckte ich Holly, die gerade eine hitzige Diskussion führte. Schnell versuchte ich sie auf mich aufmerksam zu machen, doch es schien beinahe unmöglich, sie von ihrem Gesprächspartner zu trennen.

„Was meinst du, Harry? Treffen wir uns später auf einen Drink bei mir?" Harry nickte und streckte mit einem breiten Lächeln beide Daumen nach oben. „Es wird schwierig werden, Holly von Harry Lambert loszureißen – sie vergöttert ihn! Wir sehen uns dann später!", raunte mir Niall zu, dann verschwand er zwischen den breiten Security-Schränken und ließ mich allein bei Harry stehen. 

Nervös blickte ich wieder zu Holly. Jetzt, da Niall weg war, fühlte ich mich nicht mehr ganz so wohl. Ich hatte nichts mehr von Harry gehört, seitdem ich so fluchtartig sein Auto verlassen hatte, unsere Kommunikation verlief hauptsächlich über Jeff. Schüchtern biss ich mir auf die Lippen. Wieso hatte Niall gehen müssen? Sein Redefluss war kaum zu stoppen, während Harry jedes Wort dreimal zu überdenken schien.

„Das Konzert hat mich wirklich vom Hocker gehauen, Harry! Wir sehen uns dann vermutlich in London wieder!", sagte ich nervös und zwang mich zu einem Grinsen. Erstaunt sah er mich an.

„Ihr wollt nicht mitkommen? Holly liebt Nialls Hausbar, ich glaube nicht, dass sie nein sagt!" Jetzt war ich an der Reihe, verblüfft zu sein. Sie wollten den Abend also tatsächlich mit uns ausklingen lassen, sowohl Niall als auch Harry!

Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen. „Wir würden uns freuen!", antwortete ich leise und lächelte Harry an. Nichts in aller Welt würde diesen perfekten Abend zerstören können.

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„Holly, möchtest du auch Mojito?" Nialls Stimme dröhnte durch den Raum. Er hatte nicht wenig Alkohol intus, doch seinem Körper schien der hohe Alkoholkonsum nichts auszumachen – im Gegensatz zu Holly. 

Mit einem breiten Grinsen wankte Holly zu Niall und hielt ihm ihr leeres Glas hin. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen, wie viel sie getrunken hatte, doch ihre taumelnden Schritte verrieten, dass es eindeutig zu viel war. 

Die letzte Stunde hatte Niall mit Begeisterung damit verbracht, uns alle möglichen Cocktails zu mixen. Mit leuchtenden Augen stand er hinter der Bar und mischte konzentriert verschiedene Spirituosen zusammen. Leicht angeheitert beobachtete ich, wie Holly mit Niall anstieß und lauthals begann, die irische Nationalhymne zu schmettern. Sofort stimmte Niall ein und grölte eine zweite Stimme dazu, allerdings war ich mir nicht sicher, ob sie die gleiche Tonart gewählt hatten.

„Diese Idioten!" Harry setzte sich grinsend neben mich und bot mir sein Getränk an. „Wenn sie zusammen feiern, endet es immer damit, dass Holly übel ist und Niall hicksend und wie ein begossener Pudel daneben steht und sich nicht erklären kann, wieso ihr so schlecht ist!" Nun musste auch ich lachen. Holly und Niall schienen wirklich gute Freunde zu sein.

„Hey, darf ich dich was fragen?"

„Klar." Skeptisch schnupperte ich an seinem Getränk. Ich roch Zitrone, einen Hauch von Minze und definitiv zu viel Alkohol für meine Leber. Zaghaft nippte ich am Drink und sofort begann meine Kehle zu brennen. Laut dem Brennen bestand das Getränk zu 95% aus purem Alkohol. Was in aller Welt hatte Niall fabriziert?

„Wieso bist du am Sonntag weggelaufen?"

In meinem angeheiterten Zustand hätte ich auf alles eine schlagfertige Antwort parat gehabt, doch nicht darauf. Mit großen Augen sah ich Harry an, dann kippte ich kurzerhand das gesamte Getränk runter.

Mit offenem Mund sah Harry abwechselnd zwischen mir und dem geleerten Becher hin und her, dann brach er in Lachen aus. „Wow, das war anscheinend die falsche Frage!", gluckste er.

„Weil er ein Arsch ist, deshalb!", rief ich wütend. Harry sah mich überrascht an, erwiderte jedoch nichts darauf. Vielleicht war es auch besser, dass er nichts von Alex wusste. Alex sollte mein Geheimnis bleiben und ich würde daran nichts ändern.

„Niall, ich will noch so ein Ding!", rief ich dem singenden Iren zu und wedelte mit Harrys Becher. Ich wusste genau, dass ich es spätestens morgen bereuen würde, so viel zu trinken, doch das Brennen in meiner Kehle fühlte sich gut an. Ich brauchte den physischen Schmerz, um den meines Herzens zu übertrumpfen, ich wollte mich ablenken, wollte den blonden Lockenkopf aus meinem Kopf vertreiben. Und doch wünschte ich mir nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein.

Sanft nahm mir Harry den Becher ab, Niall war immer noch beschäftigt, Lieder mit Holly zu schmettern. „Tut mir leid", murmelte er sichtlich bedrückt. Sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen. Er konnte nichts dafür, es war einzig und allein meine Schuld.

„Hör zu-", begann er, dann unterbrach ihn das laute Klingeln seines Telefons. Mit gerunzelter Stirn sah er auf den Bildschirm seines Handys. „Sorry, ich muss da ran. Aber versprich mir, dass du nicht noch so einen von Nialls ekeligen Cocktails trinkst, bis ich wieder da bin, okay?" Wütend starrte ich auf den Couchtisch. Blöder Alex, blödes Portugal. Blöder Tisch.

„Lottie, versprichst du es mir?"

Endlich sah ich auf. Besorgt sah er mich an. Beinahe so, als würde ich ihm etwas bedeuten. Langsam nickte ich, gefesselt von seinem Blick.

„Versprochen!"

CluelessWhere stories live. Discover now