23. Ich glaub mich knutscht ein Elch!

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„Du weißt gar nicht, wie viele Models da rumgelaufen sind! Also echt – so aussehen möchte ich auch! Und der Regisseur hat mich sogar nochmals nach meinem Namen gefragt! Ich hab echt ein gutes Gefühl", erzählte ich Holly und grinste breit. 

Zum wiederholten Mal rückte sie meinen Kopf zurecht, doch ich konnte nicht still sitzen. Das Casting war besser verlaufen als erhofft, außerdem war es ganz anders gewesen als jenes bei Ridley Forster. Niemand hatte mich wie bei seinem Casting wegen den dummen Schlagzeilen verurteilt, nur ein Mädchen hatte mich schüchtern gefragt, ob sie ein Foto mit mir machen dürfte. Vermutlich weil es sich nicht um eine derartig wichtige Rolle handelte, eine Rolle, die meine gesamte Karriere auf den Kopf stellen könnte. 

„Lottie, soll ich dich frisieren oder verunstalten?", herrschte mich Holly an und ich lächelte sie strahlend an. Sie war genauso ausgeflippt wie ich, als ich ihr von dem Erfolg erzählt hatte. Nun hieß es abwarten. Ich würde erst nächste Woche von Ridley Forster Bescheid erhalten, bis dahin wollte er sich noch weitere Kandidatinnen ansehen. 

Genauso hatte ich es mir vorgestellt: zu Castings gehen, für Rollen vorsprechen, von verrückten Mädchen frisiert werden... Eigentlich müsste dies der glücklichste Moment meines Lebens sein. Der Moment, in dem sich alle Puzzleteile zu einem Bild zusammenfügen, ein Bild mit leuchtenden Farben.

Schlagartig verfinsterte sich meine Miene und ich blickte nachdenklich auf Alex Chat. Er hatte mir nur eine kurze Nachricht hinterlassen, sonst nichts.

Ich hoffe du bist mir nicht böse, wie hören uns. Kuss

Nein, ich war nicht böse. Nicht mehr. Ich war enttäuscht. Seit Sonntagabend klaffte diese schmerzende Wunde in meinem Herzen und jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, wurde sie tiefer. Von wegen Zeit heilt alle Wunden!

„Den Kuss kann er sich sonst wohin stecken!", ertönte Holly Stimme hinter mir, die mir wohl über die Schulter gespäht hatte. Seufzend legte ich mein Handy auf den Schminktisch. 

Wir wussten, dass eine Fernbeziehung nicht einfach werden würde, wir wussten, dass meine Beziehung zu Harry eine Herausforderung werden würde, doch ich hatte niemals gedacht, dass wir so schnell einknicken würden. Ich hatte gedacht, dass wir darüber stehen könnten, dass wir zusammen alles schaffen könnten.

„Okay, Lottchen, hör mich an. Alex ist in meinen Augen ein Arsch, aber anscheinend scheinst du den Arsch echt zu vermissen. Du läufst an deinen großen Tagen wie ein Häufchen Elend durch die Stadt, ich hab nicht ein lächelndes Foto von dir geschossen! Amanda wird mich umbringen! Und Liz erst! Doppelmord! Jetzt antworte ihm schon, du bringst Londons Regenwetter allein mit deiner Miene hierher!" L

iebevoll knuffte sie mir in die Seite. „Oh, wie nett!", grummelte ich, doch dann griff ich wieder nach meinem Handy. Holly hatte Recht, mit allem, was sie sagte. Sie war in der kurzen Zeit eine tolle Freundin geworden, ich vertraute ihr.

Nachdenklich starrte ich sein Profilbild an. Da war er, mein Freund. Strahlend wie die Sonne, braungebrannt, die blonden Locken vom Sonnenlicht aufgehellt, mit einem Surfboard in der Hand. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Ich konnte ihn nicht verlieren, ich brauchte ihn so sehr!

Hey, ich hoffe es geht dir gut. Ich muss später auf ein Konzert, doch ich denke an dich. Ruf mich an, wenn du willst. Ich liebe dich, Lo x

Schnell schickte ich die Nachricht ab, ich wusste genau, dass ich es mir sonst anders überlegen würde. Doch es war an der Zeit, von meinem hohen Ross herunterzukommen, ich musste endlich lernen, abzusteigen. Das Problem war, dass ich Angst hatte, mich danach nie mehr in den Sattel schwingen zu können.

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„Hey, du! Wir wollen da rein!" Holly quetschte sich durch die Menge und ich hatte Mühe mitzuhalten. Sofort machte sich wieder ein beklemmendes Gefühl in mir breit, doch ich versuchte mich auf das Konzert zu konzentrieren und an Harry zu denken. Ich würde nicht schon wieder in Panik ausbrechen! 

Wir hatten das Gebäude nicht durch den Haupteingang betreten, doch auch hier wimmelte es von Fans, Türstehern und Vätern, die ihre Töchter zum Konzert kutschierten. Jemand zog an meinem Arm und rief meinen Namen, doch ignorierte es und heftete mich an Hollys Fersen: wenn ich sie im Getümmel verlieren würde, wäre ich aufgeschmissen.

„Wir sind Ehrengäste, Harry erwartet uns!", begann sie zu mit einem der breiten Schränke zu diskutieren, doch dieser schüttelte bloß den Kopf und stellte sich breitbeinig vor den Eingang. Schnell zückte ich mein Ticket. „ViP-Bereich, wir haben die Karten wirklich!", versuchte ich nun Holly zu unterstützen, doch er schien nicht nachzugeben. 

Ich konnte schlecht verraten, dass ich Harry Styles Freundin war – das würde Amandas Plan zunichte machen und außerdem würde es mir Mister Gernegroß bestimmt nicht abkaufen. 

Ängstlich sah ich mich um, ich wollte endlich zu unseren Plätzen und weg vom Getümmel. Im ViP-Bereich würde hoffentlich alles ein bisschen anders aussehen, leerer und entspannter als hier. Plötzlich hörte ich wie Holly aufkreischte, doch ein weiterer der Schränke stellte sich nun vor mich und begann mit dem anderen Türsteher zu plaudern, wodurch mir die Sicht endgültig versperrt wurde. Na toll – wieso ließen sie uns nicht einfach durch?

„Was machst du denn hier? Ich hab dich ewig nicht mehr gesehen! Du siehst fantastisch aus, komm her, lass dich drücken!" Murrend machte mir der Türsteher Platz, als ich mich an ihm vorbeidrängte und endlich konnte ich Hollys blauen Schopf erkennen. Schnell bahnte ich mich zu ihr und sah wie sich angeregt mit jemandem unterhielt, der sich hinter der Absperrung befand. Als sie mich erblickte, winkte sie mir strahlend zu.

„Lottie, komm her, ich muss dir jemanden vorstellen! Oh, ich glaub mich knutscht ein Elch! Ich dachte niemals, dass ich dich heute wiedersehe! Lottie, das ist mein allerliebster Lieblingsire!"

CluelessWhere stories live. Discover now