40. haarige Probleme

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„Ernsthaft, Lottie. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass Niall-" „Holly!" Ich unterbrach sie scharf und funkelte sie wütend an. „Ich sag ja nur die Wahrheit!", entgegnete sie mir missmutig und stapfte weiter. Schweigend lief ich neben ihr her.

Seit meiner Ankunft in London wollte sie ständig mit mir über Niall reden, doch ich versuchte dem Gespräch seit Tagen auszuweichen. Sein Blick am Flughafen ging mir einfach nicht aus dem Kopf... Er hatte so enttäuscht, so verletzt gewirkt.

Um ehrlich zu sein konnte ich es ihm nicht verübeln - ich hatte ihn nicht angelogen, doch ich hatte ihm genauso wenig die Wahrheit gesagt.

„Tut mir leid, Holly. Ich wollte dich nicht so anfahren", murmelte ich leise und hakte mich bei ihr ein. „Schon gut!", antwortete sie mir mit einem schiefen Grinsen. „Es ist wohl momentan nicht so einfach, hm?"

Nein, es war nicht einfach. Alles andere als das. Ich sollte unglaublich froh sein, dass Alex wieder da war, doch das beklemmende Gefühl in meiner Brust wurde von Tag zu Tag stärker, es nahm immer mehr Platz ein.

„Na los, Bambi. Harold wartet bestimmt schon auf uns!", sagte Holly und schüttelte sich die Regentropfen aus den Haaren, bevor sie in das große Gebäude vor uns trat.

Ich erblickte seinen Lockenkopf schon von Weitem, breit lächelnd winkte er mir zu. Ich würde Harry heute zum ersten Mal zu einem Interview begleiten. Ganz zufällig sollte ich im Backstage-Bereich auf ihn warten und dann auf die Bühne geholt werden.

Es war unser allererster Auftritt als Pärchen im nationalen Fernsehen und die Tatsache, dass es live übertragen wurde, machte meine Nervosität auch nicht besser. In der letzten Zeit hatte ich es geflissentlich gemieden, die vielen Nachrichten auf Instagram und Twitter zu lesen - Holly hatte es mir nahezu verboten. Sie kannte mich zu gut, um nicht zu wissen, dass mir negative Nachrichten und Hassbotschaften nahe gingen.

Seufzend verdrängte ich die Gedanken. Ich sollte mich heute nicht ablenken lassen, Harry zählte auf mich.

„Na du?", rief Harry und zog mich in eine Umarmung. „Bereit für den großen Auftritt?" Verschmitzt grinste er mich an und für einen Augenblick verzogen sich die dunklen Wolken in meinem Kopf. Schon seit unserem ersten Treffen fühlte ich mich in seiner Nähe wohl, es war beinahe unheimlich, welche Wirkung er auf mich hatte.

„Klar doch!", antwortete ich ihm und zwang mich zu einem Lächeln. Das ganze Interview war geplant, es war ein abgekartetes Spiel. Der Moderator kannte die Antworten, wir wussten die Fragen. Alles war einstudiert, eine große Lüge. Wie so vieles andere auch.

Nur wenige Minuten später machte sich Holly ans Werk und begann mich für den Auftritt schick zu machen. Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich mich daran erinnerte, dass sie sogar Peter von Niall und mir überzeugen wollte.

Der Arme war laut singend in seinen furchtbaren Sandalen von ihr davongelaufen und hatte sich die Ohren zugehalten, während sie alle Argumente, die ihr eingefallen waren, aufgezählt hatte und ihm nachgeeilt war. Holly war beinahe wie Tom Holland, wenn es darum ging, die Klappe zu halten!

Wie immer brauchte sie eine halbe Ewigkeit, um mich menschlich aussehen zu lassen, doch ich wusste mittlerweile genau, dass Holly eine Künstlerin war. Sie zupfte meine Locken zurecht, dann lief sie laut fluchend im ganzen Abteil herum, um ihre Pinsel zu suchen, die anscheinend jemand geklaut hatte.

Ich spürte leichten Druck auf meinen Schultern und erspähte Harry hinter mir. „Du siehst toll aus, ehrlich!", sagte er und strahlte mich an. „Du bist auch nicht ohne!", entgegnete ich schmunzelnd und lehnte meinen Kopf an seinen Arm. Nachdenklich betrachtete ich unser Spiegelbild. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, wir wären ein schönes Paar. Ein Traumpaar, wie man es nur aus Filmen kannte. War das nicht ironisch?

Wir waren dabei, ein Leben zu leben, das nicht wirklich existierte, wir schlüpften in eine Rolle, die es in Wahrheit überhaupt nicht gab. Es war alles ein Spiel, wir waren die Schachfiguren auf dem Feld und ließen uns wie ein Springer von B1 auf C3 kommandieren.

„Ich brauche wieder eine Haarveränderung. Wie wäre es mit Bandanas?", fragte er mich plötzlich und zupfte unzufrieden an seinen Locken. Lachend verdrehte ich die Augen - bisher hatte Harry immer etwas an seiner Haarpracht auszusetzten, was sich wohl nicht so schnell ändern würde.

„Niall überlegt sich die Haare wieder blond zu färben - so 'ne dumme Idee! Er wollte sie eigentlich nie wieder blond haben. Frag nicht mich, wer ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt hat!", murmelte er, während er mit einer widerspenstigen Haarsträhne kämpfte.

Unwillkürlich musste ich lächeln, als er Niall erwähnte. Ich vermisste ihn, das war klar. Wir hatten beinahe jede freie Minute miteinander verbracht und auch wenn es nicht einfach war, wollte ich den Iren in meiner Nähe haben. Plötzlich erstarrte ich, mein ganzer Körper spannte sich an. Ein Bild drängte sich immer weiter in den Vordergrund und wurde immer schärfer, die Konturen nahmen immer mehr Form an.

Na, wie laufen die Dreharbeiten? Ist dein Traumprinz blond und blauäugig, genau wie du es wolltest?

Genau das waren Harry Worte gewesen, als er Niall in L.A. besucht hatte. ..blond und blauäugig... Ich schnappte laut nach Luft und Harry sah mich verdutzt an. „Alles okay?", fragte er mich irritiert, doch ich sah ihn nur mit großen Augen an. Ich Idiot hatte begonnen von blonden Locken zu schwärmen, weil ich an Alex gedacht hatte... Nein, es war Unsinn, Niall würde sich doch niemals die Haare wegen mir blond färben, das wäre schwachsinnig.

Unwillkürlich breitete sich ein breites Grinsen auf meinen Lippen aus. Niall war so verrückt! Und du nach ihm! Missmutig brachte ich meine kleine Stimme zum Schweigen. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war jemand, der mir irgendwelchen Unsinn einreden wollte.

____

Konzentriert lenkte Harry den Range Rover durch die Straßen Londons. Kurzerhand hatte er beschlossen, mich nach Hause zu fahren, damit ich nicht durch den strömenden Regen laufen musste. Das Interview war genauso verlaufen, wie es sich Jeff und Amanda vorgestellt hatten: turtelnd waren wir auf dem hellen Sofa gesessen und hatten uns verliebt angesehen. Mein Handy leuchtete auf und ich blickte auf den Bildschirm.

Bin stolz auf dich, love ya! Liz

Mit einem kleinen Lächeln tippte ich eine Antwort, dann verstaute ich das Handy wieder in den tiefen Taschen meiner Regenjacke. Harry schaffte es zwar immer, den Fragen aus dem Weg zu gehen, mit ,uhms' und viel Stottern zu antworten, doch wir konnten zufrieden sein - die Show war toll gewesen.

„Ich setzte dich gleich ab, ich muss nur jemandem meine Schlüssel überreichen, ist das okay?", fragte mich Harry plötzlich und kam am Straßenrand zum Stehen. Schnell nickte ich und kuschelte mich in meinen Pulli. Harry war wie gewohnt einen riesigen Umweg durch das Nobelviertel in London gefahren, doch das machte mir nichts aus. Ich liebte es, die Stadt zu beobachten, während der feine Nieselregen an die Fensterscheiben prasselte.

Harry lief mit eingezogenem Kopf auf einen Jeep mit abgedunkelten Scheiben zu und wechselte einige Worte mit dem Fahrer, dann kam er zurück zum Auto. „Okay, ab nach Hause!", meinte er und startete den Motor. „Dieser Leprechaun hat sich geweigert auszusteigen und in den Regen zu gehen. So viel zum Thema, Iren seien robust!"

Empört schnaubte er, doch ich hörte ihm gar nicht mehr richtig zu, das Karussell in meinem Kopf begann seine üblichen Runden zu drehen. Niall war in dem Auto gewesen? Ich hatte seit unserer Ankunft in London nichts mehr von ihm gehört, doch es gab mir einen kleinen Stich ins Herz, als er ihn erwähnte. Niall mied mich absichtlich, das war mir klar. Der Regen würde ihm bestimmt nichts ausmachen.

Ich machte ihm etwas aus.

CluelessOn viuen les histories. Descobreix ara