18. Pizza, Pasta und andere Katastrophen

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„Aussteigen wäre 'ne Option" Ich hörte Peters Stimme neben mir, doch ich nahm sie nicht wirklich wahr. Wie versteinert starrte ich auf den eingehenden Anruf. Ich hatte seit Tagen nichts von ihm gehört, nicht nach meiner letzten Nachricht. 

Wieso rief er mich jetzt an? Warum hatte er sich nicht schon früher gemeldet? Wieso genau jetzt, wenn ich ohnehin schon am Ende mit meinen Nerven war? 

„Entweder du gehst ran oder steigst aus – aber bitte mach den ätzenden Klingelton aus!" Peters tiefe Stimme holte mich zurück in die Realität.

Green Day ist nicht ätzend!", murmelte ich geistesabwesend und starrte weiterhin auf den Bildschirm. Wieso genau jetzt? Dann hörte Billie Joe Armstrong auf zu singen. „Lottie?"

Ich steckte mein Handy in meine Tasche. Nein, ich durfte mich nicht ablenken lassen, ich musste mich konzentrieren. Heute dufte nichts schiefgehen, alles musste perfekt sein, ich durfte mir nicht schon wieder einen Fehler erlauben.

 Ich klappte die Sonnenblende des Autos herunter und überprüfte mein Aussehen im kleinen Spiegel ein letztes Mal. Die Hochsteckfrisur sah unglaublich aus, Holly hatte wirklich gezaubert. Dazu das Make-Up, der schulterfreie Jumpsuit, die kleine rote Tasche... es war alles perfekt. Nur fühlte ich mich nicht so. Ich fühlte mich wie eine kleine Kirchenmaus, ich wollte mich verkriechen, niemanden sehen und mich in meinem Selbstmitleid suhlen. Wieso musste alles so kompliziert sein?

Ein sanftes Klopfen am Fenster ließ mich zusammenfahren. Na prima – immer noch schreckhaft wie eh und je. Harry öffnete die Tür des Jeeps und reichte mir seine Hand.

„Hallo", sagte er und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Wieso sah er so verdammt gut aus? „Hi", hauchte ich leise. Seine grünen Augen fesselten mich, sie verschlangen mich beinahe! Wie zwei große, wertvolle Smaragde funkelten sie mich an. Fragend sah er mich an. „Ähm ja klar, ich komme!", beeilte ich mich zu sagen. 

Ich Idiot war einfach sitzen geblieben und hatte ihn angestarrt. Der Abend konnte ja heiter werden. Selbstverständlich würde ich nicht von einem Fettnäpfchen ins andere treten – ich hatte ja auch nicht gerade eben damit angefangen. Dummkopf. Ich ergriff seine Hand, die er immer noch ausgestreckt hatte und kletterte aus dem Wagen.

„Du siehst wirklich wunderschön aus!", meinte er und musterte mich dabei von oben bis unten. Mit seinen umwerfenden Augen scannte er jeden Millimeter meines Körpers, so, als hätte er mich noch nie zuvor gesehen. Das erste Mal nahm er mich richtig wahr.

„Danke, Peter, ich werde sie später nach Hause bringen!", rief er dem Rotschopf über meine Schulter hinweg zu, dann wandte er sich wieder an mich. Unbehaglich biss ich mir auf die Unterlippe. Ich wollte nicht, dass er mich so ansah. Ich wollte nur von Alex so angesehen werden. Nur von ihm und sonst von niemandem. 

Wegsperren, hinter Schloss und Riegel! Pfui! Nein, ich dufte nicht an ihn denken. Es war mein großer Auftritt – meine große Chance, der Welt zu zeigen, dass ich mehr war als lediglich das ohnmächtige Mädchen.

Harry verschlang seine langen, schlanken Finger mit meinen, in seiner Hand fühlte sich meine ganz klein an. Ich konnte mein Herz klopfen spüren, Adrenalin rauschte durch meine Adern, ich wollte rennen, schreien, weg von hier, doch ich war gefangen in den roten Lippen und dem schwarzen Jumpsuit.

„Na los, komm. Ich pass auf dich auf!"

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„Harry Styles, wir haben telefoniert." Harry hatte mich an der langen Schlange vorbei gezogen, nicht auf den Protest der wartenden Gäste geachtet und redete nun leise mit dem Portier. Entschuldigend sah ich eine ältere Dame an, doch sie schnaubte nur und funkelte mich wütend an. Die ganze Zeit ließ Harry meine Hand nicht los, mit leichtem Druck hielt er mich fest. Als würde er tatsächlich meine Hand halten wollen. Wie irrsinnig das ganze doch war!

„Mr. Styles! Wie schön. Folgen Sie mir!" Mit einem kleinen Augenzwinkern grinste mich Harry verschmitzt an und ich stolperte ihm nach. Holly musste natürlich die höchsten Schuhe aussuchen, die sie in ihrem Wunderschrank verstaute – warum konnte ich nicht in meinen bequemen, ausgelatschten Sneakern ausgehen? Du bist ja auch mit Harry Styles unterwegs, du bildungsresistente Intelligenzallergikerin. Wie charmant.

„Wie schön, dass tatsächlich alle glauben, dass ich mit ihnen telefoniere. Als würde ich es hinkriegen, irgendwelche Termine zu vereinbaren!", lachte er leise in mein Ohr. Sofort musste ich grinsen. Natürlich hatte Jeff alles organisiert, wer auch sonst!

Der Portier flüsterte einem Kellner im Vorbeigehen etwas zu, welcher sofort große Augen bekam und Harry und mich erstaunt ansah. Dann nickte er schnell und hastete in die entgegengesetzte Richtung davon. Wie ein kleiner Welpe trottete ich Harry hinterher, während ich mich im Restaurant umsah. Es war groß und geräumig, sah unglaublich nobel und schick aus, hatte aber trotzdem etwas Familiäres. Typisch Italiener eben.

Charmant zog er meinen Stuhl etwas zurück, damit ich mich setzten konnte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Er war tatsächlich ein richtiger Gentleman.

Billie Joe Armstrong begann wieder in meiner Tasche zu singen und hastig drückte ich den Anrufer weg. Das war mein Moment, meine große Szene. Er dufte ihn nicht zerstören. Ich durfte ihn nicht von ihm zerstören lassen.

when september ends? Du stehst auf Green Day?", fragte mich Harry schmunzelnd. „Was ist los, schlechte Nachrichten?" Natürlich war ihm mein Gesichtsausdruck nicht entgangen. Wieso musste er auch so unglaublich aufmerksam sein? Kinn hoch, Schultern zurück, Bauch rein. 

„Alles gut!", versicherte ich ihm und zwang mich zu einem schiefen Grinsen.

„Erzähl mir was über dich – ich weiß eigentlich gar nichts über dich", meinte Harry und griff nach meiner Hand. Das nervöse Kribbeln in meinem Bauch verstärkte sich. Man hielt schließlich nicht jeden Tag Harry Styles Hand!

„Ich... ähm...", stammelte ich. Ich dachte an Alex. Seine Berührungen, seine tiefe Stimme, seinen Geruch... dann schob ich den Gedanken schnell beiseite. Ich war hier mit Harry, nur mit ihm und kein Alex der Welt sollte mich jetzt ablenken.

„Lächle mal kurz und schau mich an!", murmelte Harry beinahe lautlos. Verdutzt hob ich meinen Blick – wieso das denn? Fast unmerklich deutete Harry mit seinen Augen nach draußen und formte mit seinen Lippen lautlos das Wort Foto.

Sofort verstand ich was er meinte. Wir waren geschickt platziert worden, sodass man uns von draußen sehen konnte. Jeff hatte an alles gedacht.

Schnell schluckte ich den dicken Kloß in meinem Hals. Ich würde es durchziehen – ich hatte es mit selbst eingebrockt und würde nun das Beste daraus machen.

Mit einem breiten Lächeln beugte ich mich nach vorne und nahm Harrys Hand in meine Hände. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt, ich konnte jeden Grünton seiner Iris erkennen. Wenn schon denn schon.

„Nun – normalerweise sitze ich nicht mit fremden Männern in Restaurants und schmachte sie an.", sagte ich zuckersüß und grinste Harry an. „Aber für die netten Herren da draußen machen wir doch gerne eine Ausnahme! Ich muss sie doch überzeugen, dass du bei mir tatsächlich Ohnmacht und Heulkrämpfe auslöst!" Ich wisperte nur ganz leise, doch Harry schien jedes Wort zu verstehen. Schnell warf ich ihm einen affigen schmachtenden Blick zu. Entgeistert sah er mich an, dann warf er seinen Lockenkopf in den Nacken und fing lauthals an zu lachen.

Harry gluckste leise und verdrehte die Augen. „Ich hab' die Artikel gelesen – ich raube dir tatsächlich den Atem!" Zufrieden lehnte ich mich zurück, doch Harry dachte nicht daran, meine Hand auszulassen. Strahlend sah er mich an.

„Ich glaube, wir sind ein gutes Team, Lottie Williams!"

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