2. Kapitel

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Ich brach in lautes Lachen aus. Natürlich, ich und der Mädchenschwarm schlechthin. Doch Amandas Miene regte sich nicht, sie schaute mich ruhig an. „Amanda, du scherzt!", sagte ich monoton. Harry Styles. Ich war kein großer One Direction Fan – das war ich noch nie gewesen, doch die Musik war nicht schlecht. Und auch nachdem die Jungs die Pause eingelegt hatten, hatte ich sie ein wenig verfolgt und ihre Musik gehört. Harry Styles war davon nicht ausgeschlossen. 

Seine Songs waren wirklich wunderschön, doch mehr interessierte er mich auch nicht. Ich wusste nur dass er eine der größten, wenn nicht DIE größte Berühmtheit, der Welt war. „Amanda, das geht nicht!", murmelte ich geistesabwesend. Erst jetzt realisierte ich ihre Worte. ...den perfekten Freund... du bist die perfekte Freundin...

Mein Mund stand immer noch weit offen, der Schock saß immer noch tief in mir. Hatte Amanda tatsächlich das gesagt, was ich dachte? Oder hatte ich mich verhört? Es konnte nicht wahr sein, das war unmöglich. Doch ihr selbstgefälliges Grinsen bestätigte mir das Gegenteil. „Amanda, ich... ich weiß nicht was ich sagen soll!", platze es aus mir heraus. Schockiert versuchte ich die Neuigkeit zu verarbeiten. Harry Styles. Und ich. Lottie.

„Hör zu, Lottie, niemand zwingt dich – aber das ist deine Chance. Du und er – ihr seid ein Traumpaar, die Presse wird euch lieben. Hör dir doch morgen alles an, du wirst sehen, wie perfekt der Plan ist! Harry und Lottie! Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir!", quiekte sie. Wow. Einfach nur wow. So aufgedreht hatte ich sie noch nie erlebt, auch nicht, als sie mir von ihrer Verlobung erzählt hatte. Ich versuchte die Neuigkeiten zu verdauen. Ich und Harry Styles. Harry Styles und ich. Es musste sich um irgendeinen schlechten Witz handeln, sie hatte sicher irgendwo eine Kamera aufgestellt und würde sich schlapp lachen, wenn sie meine Reaktion später nochmals sah, doch keine Kamera war zu sehen. Es war ihr voller Ernst. 

„Wir sehen uns morgen, die Details werden mit ihnen gemeinsam besprochen!", sagte Amanda wieder einigermaßen gefasst und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, die sich aus ihrem perfekten Dutt gelöst hatte. Abwesend nickte ich. Ihre Worte gingen mir nicht aus dem Kopf. Eine Beziehung. Mit einem Weltstar. Amanda erhob sich, strich ihren ohnehin schon faltenlosen Bleistiftrock glatt und schnappte sich einen ihrer dicken schwarzen Ordner. An der Tür wandte sie sich nochmals um. „Ich zähl auf dich, Lottie", meinte sie leise und lächelte mich noch einmal kurz an. Dann ließ sie mich im großen schwarzen Ledersessel allein zurück.

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„Ich weiß, Alex, ich weiß!", murmelte ich leise und kickte die Kieselsteine vor meinen Füßen hin und her. „Mann, ich fass es einfach nicht!", rief Alex aufgebracht und ich konnte mir gut vorstellen, dass er sich dabei seine blonden Haare raufte. „Du bist bereits vergeben, Lottie, das ist dir doch hoffentlich bewusst!", fügte er hinzu. Ich seufzte. Er hatte Recht – ich war bereits in einer Beziehung und war überglücklich, dass Alex seit zwei Jahren an meiner Seite war. 

Kaum hatte ich mich wieder ein wenig gefasst, war ich sofort nach draußen gegangen und hatte Alex angerufen. Meinen besten Freund, meinen Seelenverwandten und meinen Freund. Die Nachricht, die mir Amanda überbracht hatte, wühlte mich auf – ich wusste, dass das Showgeschäft so ablief, doch ich hatte nie daran gedacht, dass es auch mich treffen würde. Ich würde Millionen von Menschen vorspielen müssen, in einer Beziehung mit Harry Styles zu sein! Nun – er war keine schlechte Partie, doch Alex hatte Recht – ich war bereits glücklich an ihn vergeben. Doch ich wusste, dass es Amanda egal sein würde, um mein Privatleben hatte sie sich noch nie wirklich gekümmert. Bis jetzt. Ihr war bloß wichtig, dass ich in der Öffentlichkeit gut dastand und bei jedem einen positiven Eindruck hinterließ. Wow. Harry Styles. 

„Hör zu, Lottie", hörte ich Alex warme Stimme an meinem Ohr. Anscheinend hatte er sich wieder ein wenig beruhigt. „Ich weiß, wie sehr du deinen Job liebst. Und du weißt, dass ich dich immer unterstützen werde, das hab ich dir versprochen." Tränen schossen mir in die Augen. Nein, ich wollte keinen anderen, ich wollte nur Alex! Er war mein Ein und Alles, er hatte immer zu mir gehalten und mich immer unterstützt. 

Egal, wie sehr es meiner Karriere helfen würde, ich würde niemals unsere Beziehung in Frage stellen oder gefährden, ich konnte es einfach nicht. Ich wusste, wie sehr sich Amanda für das Treffen ins Zeug gelegt hatte, doch es ging nicht. Ich konnte das Angebot einfach nicht annehmen. Ich konnte es Alex nicht antun. „Lottie, hörst du mir noch zu?". Seine weiche Stimme holte mich zurück in die Realität. Ich gab ein leises Brummen von mir und hörte Alex am anderen Ende der Leitung leise aufseufzen. „Tu es, Lottie, ich mein es ernst. Geh einfach hin zum Treffen und vielleicht entspricht es ja überhaupt nicht deinen Vorstellungen. Noch ist nichts unterschrieben. Aber ich will nicht, dass du dir den Weg zu deinem Ziel wegen mir verbaust", murmelte er leise und ich konnte ihn schlucken hören. 

„Alex-", fing ich an, doch ich wurde von ihm unterbrochen. „Ich mein's ernst, Kleines. Ich vertrau dir". Stille. Schnell wischte ich mir die Tränen von der Wange, bevor Alex merkte, dass ich heulte. 

Mensch, ich konnte mich auch nicht zusammenreißen! Keiner von uns beiden sagte ein Wort, doch ich wusste genau, was er dachte. Niemals würde er wollen, dass ich mich mit einem anderen treffen würde – auch wenn es nur gespielt war. Doch er wollte es für mich. Er wusste genau, wie weit ich kommen würde, wenn ich mit Harry Styles ausging. „Ich liebe dich", flüsterte er nach einer gefühlten Ewigkeit, dann beendete er das Gespräch. Seufzend steckte ich mein Handy in meine Hosentasche und machte mich auf den Weg zur U-Bahn. 

Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen – ich war überwältigt, verwirrt, überfordert. Alex war so verständnisvoll und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn bei mir zu haben. Zurzeit war er in Portugal, um dort zu surfen und ich hatte ihn schon mehrere Wochen nicht gesehen. Er fehlte mir schrecklich und ich zählte bereits die Tage bis zu seiner Rückkehr.

Ich machte mich auf den Weg nach Hause, wo meine beste Freundin Liz schon auf mich wartete. Vor einigen Monaten hatten wir beschlossen, uns gemeinsam eine Wohnung in London zu suchen und es war definitiv eine unserer besten Entscheidungen gewesen. „Hey LottieKarotti, schau mal was ich hab!", hörte ich sie rufen, als ich die Wohnungstür aufschloss. Ich streifte meine Schuhe ab und nahm einen herrlichen Geruch aus der Küche wahr. „Meine kleine Küchenfee", dachte ich und musste schmunzeln. 

Nur wenige Augenblicke später stand sie neben mir. Sie hatte sich eine Schürze umgebunden und streckte mir einen Teller mit Karottenkuchen entgegen, den sie wohl gerade aus dem Backofen geholt hatte. Wie ich dieses Mädchen liebte! Dank ihr wurde ich immer mit Essen versorgt und sie kannte jede meiner Vorlieben. Genüsslich sog ich den Geruch ein und griff nach dem Kuchen, doch Liz zog den Teller weg. „Was ist los, Lo?", fragte sie mich misstrauisch und brachte den Teller aus meiner Reichweite. Ich seufzte leise auf – anscheinend war ich doch nicht eine so tolle Schauspielerin wie ich immer gedacht hatte. „Darf ich den Kuchen haben?", fragte ich sie bettelnd. Sie musterte mich noch einmal, reichte mir dann aber den Teller. „Also? Was hat Amanda dieses Mal vorgeschlagen?", fragte sie mich ein weiteres Mal und ich musste wieder schmunzeln. Liz kannte mich besser als ihre Westentasche, was manchmal wirklich unheimlich sein konnte. Und dann sprudelte die ganze Geschichte auch schon aus mir heraus. 

CluelessWhere stories live. Discover now