27. Versprochen

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In meinem Kopf ratterte es, doch die Puzzleteile wollten sich nicht zusammenfügen. Es entstand ein reiner Wirrwarr, kein vollständiges Bild. Ich war mehr als nur verwirrt. 

„Harry heißt William?"

Verzweifelt raufte sich Niall die Haare. „Nein, Harry heißt Edward", erklärte er mir ungeduldig und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Ach, vergiss es einfach. Es war dumm von mir, ich darf ohnehin darüber nicht sprechen!"

„Niall, sag mir was los ist!" Was wollte er vor mir verbergen? Und wer war William? Oder Lottie? „Bitte!", fügte ich leise hinzu und sah ihn flehend an. Ich wollte endlich wissen, was Sache war, ich hielt das Unwissen nicht mehr aus, ich wollte nicht mehr ahnungslos im Dunkeln tappen. 

„Sieh mich nicht so mit deinen Bambi-Augen an!", rief er plötzlich laut, ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen, doch der verzweifelte Ausdruck in seinen Augen war immer noch nicht verschwunden. Schnell wandte ich mich um, um zu sehen, ob Holly aufgewacht war, doch sie schlief seelenruhig weiter.

„Versprichst du mir, dass du niemandem etwas davon sagst? Dass auch Harry nicht erfahren wird, dass ich es dir gesagt habe? Du musst es mir versprechen, Lottie, ich muss dir vertrauen können!"

„Versprochen."

_______

„Lottie, aufwachen! Wir haben verschlafen, steh auf!" Hollys Stimme hallte durch den großen Raum. Müde öffnete ich meine Augen, gleisendes Sonnenlicht blendete mich. Wo war ich, wie spät war es? 

Schlagartig fiel mir letzte Nacht wieder ein. Wie einen Film spulte ich meine Erinnerungen zurück. Was Niall mir gesagt hatte war unglaublich, noch immer konnte ich es nicht begreifen. Harry Styles. Nie hätte ich daran gedacht, es schien so unwirklich...

„Lottie!" Schnell warf ich einen Blick auf die Uhr, es war kurz nach neun. Ruckartig setzte ich mich auf und löste ächzend ein haariges Bein von meinem Körper, das scheinbar aus Stahl war. Mühsam drehte ich mich um und erblickte den schlafenden Iren, der mich mit seinem Bein im Klammergriff festhielt. Hatte er mich etwa die ganze Zeit im Schlaf festgehalten?

„Scheiße!", fluchte ich und sprang auf. In knapp einer Stunde mussten wir am Flughafen sein und unser Gepäck war noch immer im Hotel. Niall regte sich leicht, doch er schien mitten im Tiefschlaf zu sein.

Nach unserem Gespräch gestern Nacht wollten weder Niall noch ich allein sein, schweigend hatten wir nebeneinander auf dem Sofa gelegen, während Holly im Schlaf immer wieder ulkige Geräusche gemacht hatte. Irgendwann mussten auch wir eingeschlafen sein. Lächelnd sah ich auf sein friedliches Gesicht. Er wirkte so glücklich, frei von all dem Trubel um ihn, beinahe wie ein kleiner Engel.

„Lottie, beweg dich, wir müssen los!" Hastig sammelte ich meine Sachen auf, zum Glück war ich nicht so chaotisch wie Holly und hatte gestern Abend alles in meiner Tasche gelassen. „Mein Kopf!", stöhnte meine blauhaarige Freundin, während sie auf dem Boden kriechend ihr Handy suchte. „Mir wird schlecht! Nie wieder trinke ich mit diesem Monster, er will mich jedes Mal abfüllen!"

Besagtes Monster regte sich immer noch nicht, obwohl Holly und ich einen Höllenlärm veranstalteten, doch wahrscheinlich brauchte er den Schlaf. Von Harry war keine Spur zu sehen – war er überhaupt noch hier? Nachdem ich gestern sein Telefonat belauscht hatte, hatte ich ihn weder gesehen oder sonst etwas von ihm gehört.

Ich schnappte mir mein Handy und bestellte ein Taxi, sobald ich unseren Standort überprüft hatte – für den Bus war es ohnehin zu spät. Wenn wir den Flieger verpassen würden, würde mich Amanda ohne Zögern auf den Mond schießen, schließlich hatte sie ein wichtiges Interview in London für mich vereinbart.

„Komm schon, ich möchte mich wirklich ungern übergeben, ich muss an die frische Luft!", rief mir Holly zu, dann lief sie aus dem Appartement. Schnell folgte ich ihr, blieb dann aber an der Tür stehen und sah zögernd zu Niall. Zusammengerollt lag er auf dem Sofa, die Augen immer noch geschlossen, tief atmend. 

Meine Gedanken schweiften zu gestern Nacht zurück. Noch nie hatte ich mich einem Menschen so nahe gefühlt, noch nie fühlte ich mich so Zuhause. Niall hatte mir die Augen geöffnet, hatte mir sein Herz geöffnet. Eines war sicher: ich würde meine Erinnerungen an gestern Nacht wie einen Schatz hüten.

Wir waren ihm eine Erklärung für unser plötzliches Verschwinden schuldig, ich wollte seine Wohnung nicht so fluchtartig verlassen. Hektisch sah ich mich nach einem Stift und Zettel um und schnappte mir die Rückseite einer Einkaufsliste.

Mussten gleich los, haben verschlafen, wollten nicht aufwecken.

Danke für gestern, es hat mir viel bedeutet.

Versprochen.

L.

„LOTTIE!"

Holly kreischte sich die Seele aus dem Leib. Schnell sprintete ich aus dem Appartement und trat in den Aufzug, sofort schlossen sich die Türen hinter mir. Holly sah furchtbar aus – bleich, unausgeschlafen und genau so, als hätte sie einen schlimmen Kater.

Es dauerte nicht lange, dann hielt das quietschgelbe Auto neben uns.

„Zum Holidays Inn und danach zum Flughafen. Und das ganze ratzfatz bitte!", keuchte Holly, dann ließ sie sich auf die Rückbank plumpsen. 

CluelessWhere stories live. Discover now