Sicherheit geht vor

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Kapitel 10


*** Sicherheit geht vor ***



Bei dieser Familie war alles in Ordnung, doch sie hatten hier ein paar Strolche herumschleichen sehen, sich aber nichts weiter dabei gedacht. Also ordnete ich jetzt an, dass morgen früh alle Pächter, Arbeiter und ihre Familien beim Herrenhaus erscheinen sollten, dort würde ich alles weitere kundtun.
Gerade als ich das Begräbnis ansprechen wollte, unterbrach mich Alex, doch diese Familie hier bot sich sofort an, zu helfen.
Es dauerte nicht lange, da waren noch mehr von meinen Pächtern an der Behausung der kleinen irischen Familie und begannen ein Grab auszuheben. Trotz des gefrorenen Bodens ließen sich die Männer nicht davon abbringen und schafften es, eine tiefe Mulde auszuheben.


Als die Erde auf den Verstorbenen ruhte, reihten sich alle um das Familiengrab auf und ich sprach eine kurze irische Grabrede, an welche ich mich aus einem alten Buch erinnerte!

Steh nicht am Grab mit verweintem Gesichtich bin nicht da ich schlafe nicht.
Ich bin der Wind der weht über die See
ich bin das Glitzern im weißen Schnee.
Ich bin die Sonne auf reifender Saat
ich bin im Herbst in der goldenen Mad.
Wenn ihr erwacht im Morgenschein
werd ich immer um euch sein.
Bin im Kreisen der Vögel im Himmelszelt
ich bin der Stern der die Nacht erhellt.
Steh nicht am Grab in verzweifelter Not
ich bin nicht da, ich bin nicht Tod.


Mir tat dieser unsinnige Tod dieser Menschen leid, aber jetzt würde ich handeln. Meine in mir kochende Wut über mich selber konnte ich jedoch nicht unter Kontrolle halten, ich hätte viel früher für ihre Sicherheit sorgen müssen! Dieser Gedanke ließ mich nicht los!


Ich stellte jetzt meine Verlobte vor und sagte, dass man sich bei Fragen oder Problemen auch an sie wenden könne. Ein paar skeptische Blicke erntete sie, doch ich vernahm unter den Worten der Anwesenden auch deutsche Akzente und in Alex' Gesicht schlich sich ein glückliches Lächeln.
Ich konnte mir schon denken, dass sie sich freute, wenn sie auch mal in ihrer Muttersprache reden konnte. Trotzdem war ich immer noch erstaunt, wie fließend sie englisch sprach und man muss bedenken, sie übersetzte alles simultan. Da war wieder dieser Stolz in mir und ließ meine Wut etwas abflauen, doch nicht ganz.


Als wir wieder auf dem Rückweg waren, hing ich weiter meinem Plan nach, dass alle Pächter und Arbeiter mit Waffen versorgt werden und wir eine Art Wache aufstellen sollten.
Ich würde ebenfalls mit dem Aufseher morgen darüber sprechen, damit wir wissen, wie viele Männer noch eingestellt werden müssen!
Auf Alex' Frage hin, was ich morgen angedacht hatte, erzählte ich ihr davon.
Doch je länger ich darüber nachdachte, um so aufgebrachter wurde ich wieder.
Bei den Ställen angekommen übergab ich Isaac einfach meine Stute und ging ins Haus, ich musste mich irgendwie abreagieren. Alle Lehrstunden bei Reginald waren auf einmal vergessen, meine Emotionen konnte ich plötzlich nicht mehr zügeln!


Ich ging in mein Arbeitszimmer und warf die Tür mit einem lauten Knall hinter mir zu und streifte dann unruhig hin und her.
Ich entzündete die Kerzen auf meinem Schreibtisch und nahm mir den Plan der Plantage zur Hand und überflog die Örtlichkeiten. Ich konnte nur hoffen, dass in dieser Nacht keine weiteren Morde passierten, dieser Gedanke machte mich gerade wahnsinnig!
Im Geiste lief ich die Felder ab, damit ich mir ein Bild machen konnte, WIE man Wachen patrouillieren lassen sollte, am besten wäre es, man teilt das Gelände in Quadrate ein! Und langsam ebbte diese Wut ab und wich einem etwas anderen Gefühl, welches ich als Zufriedenheit bezeichnen würde.
Dann stieg mir der Geruch von Essen in die Nase und mir fiel ein, dass wir noch gar nicht zu Abend gegessen hatten.


Ich verstaute die Karte wieder, löschte die Kerzen und ging auf die Suche nach meiner Verlobten. Sybill meinte nur, dass Alex in ihrem Arbeitszimmer sei und versuche sich einzurichten.
Auf mein Klopfen reagierte sie nicht, also trat ich ein, auch das bemerkte sie nicht. Sie lehnte über einem Buch und schrieb konzentriert, genauso wie damals im Fort George, als sie sich mit der Recherche nach den Göttern in mein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte.
Ich betrachtete sie eine Weile, doch sie schien mit ihren Gedanken zu weit weg zu sein. Als ich sie ansprach, schrak sie auf und sah mich etwas böse an.
Ich ließ meinen Blick nun über die noch leeren Regale schweifen und meinte, diese würden vermutlich schneller voll sein, als man schauen kann!


Dieser Versuch sich hier einzurichten war für mich beruhigend und das sagte ich auch.
„Ich versuche es zumindest, Haytham. Ich hoffe, du hast dich wieder etwas beruhigen können. Ich... habe dich lieber alleine gelassen. Ich wusste nicht, ob du meine Gesellschaft wolltest."
Ich hoffe doch, dass ich ihr keine Angst gemacht hatte, ich weiß ich kann manchmal aus der Haut fahren, jedoch nicht vor anderen Menschen.
„Nein, Angst vor dir nicht direkt. Aber ich weiß ja nicht, was du brauchst oder wie du dich verhältst, wenn du so in Rage bist. Haytham, ich werde nicht einfach bei so etwas das Weite suchen. Doch ich muss mich noch daran gewöhnen und du dich auch. Wenn du möchtest, dass ich dir dann beistehe, dann sag es mir, oder eben du willst es nicht. Das ist völlig in Ordnung." das beruhigte mich jetzt, wir waren uns einig, dass wir BEIDE noch eine gewisse Eingewöhnungsphase brauchten.


Ich ging um den Schreibtisch herum, lehnte mich dann hinter ihr über ihre Schultern und schlang meine Arme um sie.
Jetzt sah ich auch, WAS sie schrieb.
Es war ihr Tagebuch und ich muss sagen, da ich selber ebenfalls meine Gedanken so niederschrieb, dass ich es durchaus begrüßte.
„Ja, das tue ich. Schon seit Jahren. Ich habe Yannick fast 20 dieser Bücher überlassen. Vom Tag seiner Geburt angefangen bis zu meiner Abreise. Da hat er erst einmal genug zu lesen und vergisst mich nicht so schnell!" als sie sich zurücklehnte, sah ich, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen und reichte ihr mein Taschentuch.
Ich zog Alex hoch und nahm sie in den Arm. Automatisch legte sie einfach nur ihren Kopf auf meine Brust und ihr Schluchzen wurde weniger.
Meine Erklärung, dass Kinder nie ihre Eltern vergessen würden, sie aber vermissen, brachte mir eine Entschuldigung von ihr ein. Meine Trauer um meine eigene Familie konnte ich nicht aus meiner Stimme verbannen!


Dann fiel mir das Essen wieder ein und ich sah, dass Alex dankbar für den Themenwechsel war.
Wir gingen hinüber ins Schlafzimmer, sie wollte sich frisch machen und umziehen, damit sie für mich keinen gruseligen Anblick bot. Doch ich konnte ihr versichern, dass sie mir selbst mit ihrer gebrochenen Nase keinen schlimmen Anblick geboten hatte, eher im Gegenteil und ich besiegelte meine Worte mit einem langen Kuss, welcher meine Verlobte leicht erschauern ließ.
Ich sah ihr dabei zu, wie sie sich Wasser ins Gesicht spritzte und stand angelehnt an einem Bettpfosten.
Plötzlich sah sie hoch und in den Spiegel, prompt konnte ich ihre Unsicherheit spüren.
„Habe ich etwas falsch gemacht oder vergessen?"
Erwähnte ich schon mal, dass ich ab und zu diese Freude in mir spürte, sie zu ärgern und zu verunsichern? Auch jetzt tat ich es und meinte nur, dass sie tatsächlich etwas vergessen hat.


Erschrocken sah sie mich an.
„Was denn?"
Ich schritt langsam auf sie zu und nahm ihr Kinn in meine Hände, sodass meine Verlobte mich ansehen musste, sagte aber nichts.
Sie wurde immer unruhiger und ich genoss es für einen weiteren Moment, dann erlöste ich Alex mit den Worten, dass sie vergessen hätte, mir einen Kuss zu geben und konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen.
„Wenn es nur das ist, mi amor. Ich dachte schon an das Schlimmste. Doch... WAS genau, wollte mir nicht einfallen!" lachte sie ihrerseits und dann bekam ich den vergessenen Kuss und als ich diesen Geschmack des Weines von ihren Lippen auf meinen hatte, wäre ich am liebsten mit ihr hier geblieben. Auch Alex fühlte sich mal wieder wie Wachs in meinen Händen an!


Mit einem Mal löste sich Alex von mir und meinte nur, ich solle schon mal runter gehen, sie müsse ihre Truhe wieder verschließen. Doch ich folgte ihr einfach und sie fing an, einiges in dieses schwere Behältnis zu packen, unter anderem so ein kleines schwarzes Brett oder was es auch sein mochte.
„DAS ist ein Gerät, mit dem ich in meiner Zeit über weite Strecken mit anderen kommunizieren kann. UND ich kann damit Fotos, Bilder machen. Ich glaube, ich werde es dir bald mal erklären."
Wieder einmal wurde mir klar, dass diese Frau einen ganz anderen Lebensstil vorher hatte, die Menschen dort hatten unglaubliche Errungenschaften und ich hatte ja auch diese Gebäude gesehen.
Als dann alles verstaut war und die Kerzen gelöscht waren, gingen wir hinunter.


Ich erzählte meiner Verlobten noch, dass ich eine Stellenausschreibung für eine Zofe verfasst hatte, jedoch bis wir aus New York zurück waren, würde sie sich anders behelfen müssen.
„Das eilt ja jetzt auch nicht unbedingt, Haytham. Aber denke an den Test, dass ist mir wichtig, ich möchte dieses Thema möglichst schnell vom Tisch haben."
Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht, doch als ich meinte, dass ich mir schon etwas an meinem Geburtstag einfallen lasse, sah ich eine hochgezogene Augenbraue und versicherte Alex sofort, dass ich nur über SIE herfallen würde.
Meine Verlobte war tatsächlich eifersüchtig und das schmeichelte mir einfach.


Wir saßen noch einen Moment im Lesezimmer beisammen und ich erzählte von einigen Büchern, wie ich sie erstanden hatte oder auch die Geschichte hinter dem eigentlichen Buch.
Mit einem Male fühlte ich mich beobachtet und als ich zu Alex sah, konnte ich lesen, dass sie sich fragte, womit sie meine Liebe verdient hatte.
Der große Auftritt damals hat es in die Wege geleitet, mutmaßte ich, damit hatte sie mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.
„Ja, mein Erscheinen hat Wirkung gezeigt, Master Kenway!" das lässt sich nicht leugnen und ihre Gedanken schweiften zu diesem Moment, wo wir uns das erste mal in New York gesehen haben.


Da beschloss ich, mich in ihren Geist einzuklinken, es war nicht abgesprochen, doch ich tat es einfach. Umgekehrt konnte ich sie in meinem Kopf spüren und wir beide waren immer noch nicht ganz vertraut mit dieser Art der Kommunikation.
Es dauerte nicht lange, bis wir beide das gleiche Bild vor Augen hatten, das Schlafzimmer. Das war wie mein Stichwort und ich nahm ihr das Glas ab, ergriff ihre Hand ohne weitere Worte und führte sie die Treppe hinauf.
Es stand ja auch noch meine Drohung im Raum für ein Nachspiel wegen des Ornats!
Als Alex nun in meinem Kopf herumgeisterte und sah, was ich vorhatte, schoss ihr vor Verlegenheit diese zauberhafte Röte ins Gesicht!


Wie Gott sie schuf stand sie vor mir und sah zu mir auf. Bei diesem Anblick konnte ich einfach nicht an mich halten und hob sie auf meine Hüften.
So einfach ließ ich sie aber nicht davon kommen, erst die Lektion, dass ich es nicht gerne sah, dass sie immer noch diese Garderobe trug.
Wir brauchten aber keine ausgesprochenen Worte, es war völlig still, nur ab und an hörte man ein wohliges Raunen von meiner Verlobten.
Meine Hände hinterließen wieder einige Spuren auf ihrem Hintern, was mich aber immer weiter zu meinem Höhepunkt trieb und als ich mich nicht mehr beherrschen konnte und wollte, befahl ich ihr lauter als beabsichtigt, mich gefälligst anzusehen.
Es war wieder dieser eine Satz, dieser Moment, der auch Alex hinübertrieb.


Meine Hand ließ ihre Arme frei, welche sich sogleich um mich schlangen und mich festhielten.
Langsam wurden ihre Augen wieder klarer und unser beider Atem ging gleichmäßiger. Als ich uns dann beide zudeckte, hörte ich sie leise sagen „Du bist ein guter Lehrmeister, Haytham!" mit einem tiefen Seufzen.
Dieser Satz entlockte mir ein breites zufriedenes Lächeln und wir konnten beide friedlich in den Schlaf finden.

Dieser Satz entlockte mir ein breites zufriedenes Lächeln und wir konnten beide friedlich in den Schlaf finden

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Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten Part 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt