Der Spur folgen

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Kapitel 23
*** Der Spur folgen ***


Im Esszimmer waren bereits alle versammelt und ich warf gleich einen mahnenden Blick Richtung Master Cormac, welchen ich mir heute noch zur Brust nehmen sollte. Nicht nur wegen dieses Weckkommandos, sondern immer noch wegen seiner monatelangen unentschuldigten Abwesenheit vom Orden!
Faith und Alex warfen sich ähnliche Blicke zu und es kam nur ein Danke fürs Zurückschicken der Kinder und meine Verlobte meinte, dass hätte sie doch gerne gemacht! Ja, dieses extrem zynische Verhalten war durchaus reizvoll, musste ich mir eingestehen.

Alex kam auf die Puppe zu sprechen, doch Faith war nur erstaunt, dass sie überhaupt an diesen Geburtstag gedacht hatte und siedend heiß fiel mir nun auch ein, dass ich dem Hausherrn noch gar nicht gratuliert hatte. Auch meine Verlobte gratulierte nun etwas verlegen, weil sie nicht gleich daran gedacht hatte.
Für eine Weile widmeten wir uns einfach dem Frühstück, bis Alex plötzlich einfach los preschte.
„Shay, habt ihr zufällig Zimmermänner und Handwerker an der Hand, welche die Schäden an meiner Brig zu einem guten Preis beseitigen könnten?"
Shay fragte lachend, ob wir uns mit einem Eisberg angelegt hätten und ich bemerkte, dass meine Verlobte etwas sagen wollte, sich aber dagegen entschied.

Also erzählte ich, was vorgefallen war und alle Anwesenden am Tisch bekamen große Augen. Als ich dann auch noch sagte, dass wir das erstaunlicherweise heile überstanden hatten, fuhr mich Alex wütend an.
„Erstaunlicherweise? Ich wusste was ich da tue, Haytham!"
Sie zu ärgern machte mir Spaß, eindeutig!
Außerdem sprachen wir noch Zoe und Jones an und den Eigentümer der versenkten Fregatte, mit den Worten, dass wir nun abwarten mussten.
Nach dem Frühstück ging ich mit Alex zur Anlegestelle, Shay hatte Gist beauftragt, nach Handwerkern zu schicken!

Als wir nun bei Tageslicht vor der Jackdaw standen, wurde mir ganz anders. Sie hatte ziemlich gelitten und sah wirklich sehr mitgenommen aus. Ich hoffte, dass die Reparaturen schnell erledigt werden konnten.
Dann erschien auch Christopher und bestaunte die Brig seinerseits.
„Sie ist eine Schönheit, Mrs. Frederickson. Ich habe gerade nach dem Zimmermann und einigen Handwerkern geschickt. Ich vermute aber mal, die Jackdaw wird an Land leichter zu reparieren sein. Dort drüben ist der Trockendock-Bereich, sie wird mit Sicherheit dorthin geschleppt."
Und nun kam wieder das schlechte Gewissen bei meiner Verlobten durch! Sie konnte es nicht ertragen, dass sie nicht selber für den Schaden aufkommen und dass sie keinerlei finanzielle Hilfe leisten konnte. Auch als ich ihr wiederholt versicherte, dass sie sich keine Gedanken zu machen brauchte, war Alex bockig wie ein kleines Mädchen!

Sie drehte sich jetzt zur Morrigan um und stand für einen Augenblick mit einem völlig versonnen Blick da. Master Cormac sah auch oft so aus, wenn er sein Schiff betrachtete und ich musste schmunzeln, eine solche Liebe für ein Segelschiff zu empfinden ist schon seltsam.
Wir wurden aus den Gedanken gerissen, der Zimmermann war eingetroffen und sprach mich auch gleich an.
„Du meine Güte, Mister! Gegen was wolltet ihr antreten, gegen drei Men of War?" es war Alex, welche antwortete und erntete für einen Bruchteil einer Sekunde einen erstaunten Ausdruck im Gesicht des Mannes. Er riss sich aber sofort zusammen und überging seinen Fehler gekonnt.
„Verzeiht, Ma'am, ich ... das kriegen wir aber schon wieder hin, wir werden sie rüber zu den anderen bringen und auf Land hieven. Ist einfacher dann!" seine Manieren hatte er anscheinend vergessen und stellte sich nun vor als Julian Tobbsen!

Nach einem ausführlichen Gespräch und der Begehung des Schiffes, klärte man die Einzelheiten mit der Instandsetzung. Mr. Tobbsen sollte regelmäßig Bericht erstatten und er ging von ungefähr 14 Tagen aus, doch es könnte auch etwas länger dauern. Neben mir sah ich, wie Alex schweren Herzens ihre Brig diesen Herren überließ, doch sie konnte ja schlecht den ganzen Tag die Arbeiten überwachen!

So langsam wurde es Zeit fürs Mittagessen, doch wir trafen nur Lucius im Esszimmer an, welcher alle Hände voll zu tun hatte mit den beiden Kindern. Wo waren Faith und Shay schon wieder abgeblieben?
Als die Kinder nun ihren Mittagsschlaf antraten, saßen wir im Salon und meine Verlobte meinte etwas gedankenverloren, dass sie sich eine Beschäftigung suchen musste, damit sie Geld verdiente. Gerade als ich sie wieder darauf hinweisen wollte, dass das nicht nötig sei, sprang Lucius dazwischen.
„Könnt ihr mit Zahlen umgehen, Mrs. Frederickson?" in ihren Augen konnte ich plötzliche Begeisterung sehen!
„Ja, kann ich. Wir sprechen hier von Buchführung, Haushalts- und Geschäftsführung nehme ich an?" fragte sie aufgeregt nach.
„Ganz genau so ist es, stimmt es nicht, Haytham? Das Geschäft von Faith wäre ja fast vor die Hunde gegangen, dank dieses... unfähigen Tölpels Lee!" Also suchte er eine Art Stellvertreter für diese Angelegenheit und ich muss gestehen, dass er nun meine Verlobte einbinden wollte, erfüllte mich mit einem gewissen Stolz.

Master Williams erzählte noch, dass Charles einfach alles aufs Spiel gesetzt hatte, ohne einen Gedanken an den Verlust zu verschwenden! Lee hatte es nur Lady Melanie zu verdanken, dass er noch lebte, weil sie große Stücke auf ihn hielt.
Bei mir flaute diese Euphorie immer weiter ab. Dachte ich bei meiner Ankunft damals '54 in Boston noch, dass dieser junge Mann es weit bringen würde, war es jetzt nur noch der Gedanke „Hoffentlich überlebt er".

Lucius bat uns nun, ihm in Master Cormacs Arbeitszimmer zu folgen. Dort fing er an, Alex alles zu erklären, wie die Waren von A nach B kommen, wer zuständig ist, wo man Hilfe bekommt.
Die Schiffe und entsprechende Waren wurden erläutert, er listete sie alle auf. Es war ein mittlerweile doch sehr umfangreiches Unternehmen geworden, allmählich konnte ich verstehen, warum Faith so ihre Probleme bekam. Es fehlte die Übersicht und da meine kleine Schwester es nicht so mit Zahlen hatte, fiel es ihr natürlich immer schwerer. Was mir leid tat, im Grunde liefen diese Verkäufe und Einkäufe fast wie von alleine.
Charles hatte nur einfach nicht dieses diplomatische Wesen, um sich mit den Geschäftspartner auch zu einigen. Sondern er hat einfach abgerechnet, im wahrsten Sinne des Wortes. Er hatte keinerlei Gespür für Gewinn oder Verlust!

Plötzlich meinte Master Williams, dass ich mir doch bitte die Füße vertreten sollte und es war ein eindeutiger Hinweis, dass ich ab jetzt nicht mehr zuhören sollte. Also gab es tatsächlich einige Geschäfte welche unter ferner Liefen gehandelt wurden, geahnt hatte ich es schon, doch jetzt wurde es zur Realität. Ich hoffte, dass Alex alles unter einen Hut bringen konnte!

Da es für mich nicht viel zu erledigen gab, machte ich mich auf den Weg zum Trockendock um die Reparatur der Jackdaw zu inspizieren.
Die Handwerker hatten gerade begonnen, das Schiff lag erst zwei Stunden hier, doch alle waren begierig darauf zu erfahren, wie die Beschädigungen zu Stande gekommen sind.
Also fing ich an, ihnen von einer Fregatte zu erzählen... ich spann Seemannsgarn würde man sagen. Doch es dauerte nicht lange und die anwesenden Herren lauschten der Geschichte. Man wollte die Schätze der Jackdaw rauben, welche noch vom alten Besitzer in Verstecken verblieben waren... Irgendwie machte es mir Freude, solche Hirngespinste zu verbreiten und ich sah, dass man mir gebannt zuhörte.

Endlich erschienen am späten Nachmittag dann auch Faith und Shay wieder im Fort, aber eine Erklärung erhielten wir nicht.
Als meine kleine Schwester jedoch mit einem Glas Portwein aus der Küche kam, nahm Alex es ihr mit den wütenden Worten ab, sie sei noch krank!
Wir versammelten uns alle im Salon und feierten die Ehrentage meiner Patentochter und ihres Vaters.
Während des Abendessens sah ich, wie Alex mal wieder nur einige Bissen zu sich nahm, mit der Begründung das Korsett sei schuld. Ich sah aber, dass es einen anderen Grund hatte. Hase! Sie konnte es nicht essen, ihre Erklärung damals war erschreckend. Sie hätte zugesehen, wie ihr eigener Hase geschlachtet wurde als sie noch klein war und dann auf dem Tisch zum Mittag landete. Danach habe sie nie wieder diese Tiere angerührt.
Gegen Abend bekamen Cadan und July ihr versprochenes Bad, sie hatte nämlich eine Miniatur der Morrigan bekommen und wollte sie auch gleich einweihen.

Lucius, Alex und ich warteten derweil im Salon und unterhielten uns über die Geschäfte. Master Williams erklärte unter anderem noch, dass meine Verlobte in den nächsten Tagen die anderen Geschäftspartner kennenlernen sollte. Von Alex ging eine gewisse Aufregung im positiven Sinne aus, sie schien sich auf diese Aufgaben zu freuen.

Etwas später erschienen Eheleute Cormac auch wieder und man berichtete uns, was heute Nachmittag alles vorgefallen war.
Shay hatte Caroline fortgeschickt, mit der Bitte sich bei den Grants im Appel Pie einzufinden. In seinem Hause wollte er sie nicht mehr untergebracht wissen, wie ich schon schrieb, verständlich in meinen Augen!
Jedoch war Faiths Freundin nicht dort angekommen! Sie fanden den kleinen Cillian fast erfroren bei einer toten Bettlerin und einen Abschiedsbrief seiner Mutter! Diesen reichte mir meine kleine Schwester nun mit den Worten, ich solle ihn bitte in Augenschein nehmen. Das tat ich und nahm eine eigenartige Aura und leichte Spuren wahr, welche aber nicht von Caroline stammen konnten.
Mich beschlich ein ungutes Gefühl und ich bat alle, mir zu folgen. Ich hatte eine Vorahnung, man mag es auch Eingebung nennen, wo wir suchen mussten.

Ich war schon fast draußen mit den anderen, als Alex meinte, sie müsse sich wohl erst umziehen. Sie verschwand in Windeseile mit Magda nach oben und erschien kurz darauf im Ornat wieder in der Eingangshalle!
Lucius blieb im Fort um auf die Kinder aufzupassen, während wir unterwegs seien.

Ich nahm kurzerhand den Weg über die Dächer, so hätten wir einen besseren Überblick und ich konnte die Spur weiter ausmachen.
Wir blieben aber nicht lange alleine, um uns herum schlichen rote Auren vorbei und verteilten sich. Also bildeten wir für einen Teil dieses Trupps einfach einen kleinen Hinterhalt auf einem der Flachdächer.
Ich nahm vier Männer war, welche sich gezielt auf uns zubewegten. Faith und Alex hatten sich hinter zwei Vorsprüngen versteckt, während Shay und ich bei zwei kleinen Schuppen ein Versteck fanden.

Die ersten beiden Assassinen wurden von den Frauen niedergestreckt, während Shay leise den Dritten ausschaltete.
Der Vierte im Bunde kniete nun vor mir und ehe ich ihm den Tod bringen konnte, sprach er „Schöne Grüße vom Duke, er weiß wo ihr und eure Hure sich verstecken!" ohne ein weiteres Wort stieß ich ihm meine Klinge ins Herz.
Diese Meuchelmörder waren also von Ironside geschickt worden, das ging zu schnell für meinen Geschmack. Wie konnte er in so kurzer Zeit benachrichtigt werden? Shay bot noch seine Hilfe bei diesem Problem an, in meiner Wut jedoch, meinte ich nur, er hätte ja wohl selber genug eigene Aufgaben zu erledigen!
Für weitere Überlegungen hatten wir keine Zeit, unten in einem der Hinterhöfe machte ich eine Leiche aus. Ich ließ mich ohne ein weiteres Wort vom Dach hinunter gleiten und trat neben die Tote.

Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Faith sie erkannte und es musste Caroline sein.
Ich aktivierte meinen Blick erneut, nahm aber überhaupt keine Spuren, keine verblassenden Auren wahr! Nichts! Es war wie verhext, wie konnte es angehen, dass ich nichts sah? Es war, als hätte man sie hier nur abgelegt und anschließend alles gesäubert!
Ich gab Alex den Befehl, dass sie meine kleine Schwester umgehend zurück zum Fort bringen soll, wir würden uns hier um die Tote kümmern. Sie tat wie ich befahl und die beiden zogen sich zurück.

„Master Cormac, wir müssen Caroline jetzt erst einmal an einen sicheren Ort bringen." und er hatte auch schon eine brillante Idee, er griff seinen Vorschlag wieder auf und meinte, das Appel Pie sei die perfekte Lösung und die Grants seien vertrauensvolle Personen.
Gesagt getan und kurz darauf hatten wir die Tote in ein altes Laken gewickelt und sie auf einen Karren gelegt.
In der Taverne angekommen, wurden wir etwas verwirrt angesehen, als wir unser Anliegen unterbreiteten. Doch Alexander nickte nur und wir brachten Caroline in ein Hinterzimmer, wo sie bis zur Beisetzung bleiben würde. Shay und Faith würden sich dann um alles weitere kümmern.

Auf dem Rückweg zum Fort Arsenal fragte mich Master Cormac, ob ich bei der Verstorbenen irgend etwas ausmachen konnte. Leider musste ich das Verneinen und es war seltsamerweise unangenehm, es fühlte sich wie ein Versagen an!
Wieder kochte leichte Wut in mir hoch, welche noch von dem Hohn des getöteten Assassinen zu meinen Füßen angestachelt wurde.
Alex und ich würden die kommenden Tage mit der Suche nach dem Duke verbringen müssen, er musste in der Nähe sein. So schnell konnte kein Bote sein, wenn Ironside eigentlich noch in Philadelphia sein sollte!

Beim Fort angekommen sahen wir von weitem schon, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte.
Es lagen einige Leichen auf dem Vorplatz, welche von den hier stationierten Soldaten und der Morrigan Besatzung beiseite geschafft wurden. In mir stieg die Angst hoch, dass meiner Verlobten etwas zugestoßen ist und auch Shay eilte nun Richtung Eingang.
Im Salon wurden wir fündig und erleichtert stellte ich fest, dass es allen gut ging. Nur Master Williams hatte eine tiefe Schnittwunde an der Schulter, welche Faith behandeln wollte.

Sie erschien einen Augenblick später mit dem Verbandsmaterial und machte sich an die Arbeit. Alex hatte sie kurzerhand zur Assistentin ernannt, welche ihr nun half. Während dieser Arbeit sah ich, wie meine kleine Schwester aufblühte und es genoss, endlich wieder jemandem helfen zu können. Leider würde sie diese Tätigkeit hier nicht mehr ausüben dürfen, es sei denn, sie wollte wirklich noch auf dem Scheiterhaufen landen!
Als Master Williams versorgt war, setzten wir uns im Salon noch zusammen und ich erklärte Lucius, was alles vorgefallen war. Ich konnte Faith ansehen, dass sie diesen Verlust nicht so einfach wegstecken würde und sie tat mir unendlich leid.

 Ich konnte Faith ansehen, dass sie diesen Verlust nicht so einfach wegstecken würde und sie tat mir unendlich leid

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Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten Part 3Where stories live. Discover now