Klatsch- und Tratschgeschichten

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Kapitel 16
*** Klatsch- und Tratschgeschichten ***


Irgendwann gegen Mittag erhob ich mich, nahm noch einen Schluck Tee, welcher mittlerweile kalt war und ging auf die Suche, mal wieder, nach meiner Verlobten.
Ihre Worte hatte ich nicht vergessen und machte mich in einen Umhang gehüllt auf den Weg zum Stall. Alex war in ein Gespräch mit Mr. Mackenzie vertieft, welcher aber, als er mich sah, dieses unterbrach und mir zu meinem Ehrentage gratulierte.
Ich erinnerte meine Verlobte daran, dass das Essen gleich fertig sei und sie verabschiedete sich noch von Isaac und ihrem Hengst und zusammen gingen wir langsam zurück.

Auf der Veranda stand sie für einen Moment versonnen da und sah auf die Auffahrt und umliegenden kleinen Waldstücke. Sie würde sich umgucken, wenn erst Frühling sei, wie es dann hier aussehen würde. „Das offene Buch schon wieder, oder?"

Als wir bei Tisch saßen, sah ich immer wieder Alex' Blick Richtung Küche wandern. Sie nahm den regen Betrieb dort wahr und ich spürte, dass sie gerne einen Blick darauf geworfen hätte und nicht nur das, sondern auch noch am liebsten selber Hand mit angelegt hätte!
Aber das wäre etwas, was ich unter keinen Umständen dulden würde! Es gehörte sich für meine Frau nicht, solche Tätigkeiten zu verrichten!
Frustriert seufzte sie nur und ich versuchte sie mit der abendlichen Sitzordnung vertraut zu machen. Auch wenn sie sich selber nicht darum kümmern musste, ihr Platz war wie immer links neben mir.

Man konnte spüren, dass Alex froh war, dass Eheleute Pitcairn und Johnson anwesend sein würden. Wenn auch nur flüchtig, kannte sie diese bereits und bei allen anderen würde ich ihr dann helfen und sie entsprechend vorstellen.
Auf meine Bemerkung, sie solle einfach ruhig bleiben, da es kein Staatsakt wird und nicht zappeln, fiel sie mir mit leichter Angst in der Stimme ins Wort.
„Das sagst du so leicht, dass ist erst das zweite Mal, wo ich mit dir einen offiziellen Anlass erlebe. Was soll ich überhaupt sagen und..." meine Verlobte hatte Recht, wir waren erst einmal zu einem größeren Anlass zusammen aufgetreten, bei der Hochzeit der Cormacs.
Um ihr diese Panik zu nehmen, lobte ich sie noch einmal, wie damals, für ihre Souveränität und dass ich zuversichtlich bin, dass sie auch diesen Abend meistern wird. Ich erntete mal wieder einen Kuss, bei welchem ich mich fragte, wofür. Ich sprach ja nur die Wahrheit aus.

Wir hatten also alles besprochen, meine Verlobte war ruhiger und mir fiel noch ein, dass ich die Jackdaw bereits habe beladen lassen, damit wir morgen dann zeitig aufbrechen konnten.
Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht und in ihren Gedanken sah ich, sie freute sich auf Faith, was mir wieder diese leichte Eifersucht brachte. Doch ich überging diesen Gedanken, ich vertraute BEIDEN Frauen!
Es wurde jetzt Zeit fürs Umziehen und ich rief nach Magda. Für einen Moment sah ich Alex noch hinterher, wie sie mit ihrer provisorischen Kammerzofe nach oben ging um sich einkleiden zu lassen. Ich war gespannt darauf, wie sie in diesem doch recht freizügigen Kleid aussah, der Ausschnitt ließ im wahrsten Sinne des Wortes tief blicken. Doch im Grunde wusste ich, meine Verlobte würde es zu verdecken wissen, nur SIE musste ja nicht wissen, dass ich genau darauf spekulierte. Ich würde ihr schon ein schlechtes Gewissen einreden.
Ich erwähnte vermutlich einige Male meine sehr böse Freude daran, sie zu necken und zu ärgern? Meine Gedanken wandern aber wieder in Bereiche, die jetzt nicht hierher gehören...

Kurz nach den Damen ging ich ebenfalls nach oben und fing an mich umzuziehen, auch ich hatte vorübergehend einen Diener als Ersatz für Jones, welcher mir nun half in den Anzug zu kommen.
Diese Westen waren nicht unbedingt nach meinem Geschmack, sie waren seit neuestem auch im Rücken zu schnüren, was den Tragekomfort sichtlich einschränkte. Aber warum beklage ich mich eigentlich? Schlimmer als ein Korsett konnte es nicht sein, oder?
Als der Diener dann mit seiner Arbeit zufrieden war und meine Haare in einem glatten Zopf in meinem Nacken lagen, konnte ich hinunter gehen. Am Fuße der Treppe wartete ich auf meine Verlobte, doch ich musste nicht lange dort stehen.

Auf dem Absatz sah ich Alex für einen Moment still stehen und zu mir hinunter sehen. Über ihr Gesicht lief die Frage, ob sie mir so gefällt und ob es so ist, wie ich es gewünscht habe. Ich sah sie meinerseits einfach nur an und betrachtete sie, wie sie langsam die Stufen herunterkam. In meinem Kopf spielten sich einige Szenarien ab, welche in die Gosse gehörten, doch ihr Anblick brachte meine Phantasie auf Hochtouren und meine Handflächen wurden nass.

Ich konnte nur ein „Du siehst hinreißend aus" über die Lippen bringen und ließ dann meinen Blick langsam über diesen wunderschönen Körper gleiten. Ich bemerkte das Spitzentuch, welches sie gesittet über ihrem Ausschnitt trug und meinte nur, dass das nicht die Absprache war und wir uns später noch darüber unterhalten würden.
Natürlich versuchte sie sich zu verteidigen, dass sie sich sonst so nackt gefühlt hätte diesen fremden Menschen gegenüber. DAS war mir bewusst, ich beließ es aber dabei, mein Plan war aufgegangen und ich würde ihr weitere Lektionen angedeihen lassen können. An ihrer Reaktion sah ich, dass sie sich dafür wappnete und auch darauf freute!
Bei allen Göttern, mussten wir heute Besuch bekommen?, ging es mir durch den Kopf, in meinen Gedanken war ich mit ihr im Schlafzimmer!

Ich nahm ihre Hand und wir blieben einfach hier stehen und begrüßten nach und nach die eintreffenden Gäste.
Wie erwartet, übernahm Alex wie selbstverständlich die Rolle der Hausherrin, was ich sehr begrüßte. Man sah ihr an, dass sie wusste, was man von ihr erwartete und an manchen Stellen hatte man den Eindruck, sie hätte ihr Leben lang nichts anderes gekannt.
Meine Verlobte wurde misstrauisch, fragend, lächelnd oder auch säuerlich beäugt.
Mrs. Donovan zum Beispiel warf ihr einen doch sehr bösen Blick zu, ihr eigener Mann war um einiges älter und ich wusste, sie hatte sich Hoffnung auf mich gemacht. Mr. Donovan sah kränklich aus und man könnte meinen, er würde den nächsten Frühling nicht mehr überleben. Die Dame musste nun aber mit ihrem Gatten weiter leben, sie war, wenn ich ehrlich sein darf, auch einfach nicht mein Typ.

Als dann die Eheleute Doyle vorstellig wurden, konnte ich für einen winzigen Augenblick in Alex Augen einen belustigten Ausdruck sehen. Mr. Doyle reichte sogar IHR nur bis zum Ausschnitt, welcher Gott sei Dank nun mit diesem Tuch bedeckt war und Mrs. Doyle war um einiges Größer als Alex selber. Sie waren einfach ein unglaublich ungleiches Paar, aber ich wusste, sie liebten sich und man spürte es, sobald man nur in ihrer Nähe war. Auch meine Verlobte hatte diese innige Liebe bemerkt und strahlte dann die Eheleute einfach an.
Und endlich erschienen dann auch William und Jonathan mit ihren Ehefrauen! Mit einem Male konnte man einen Wandel bei Alex verspüren, es war Erleichterung, Freude und einfach so etwas wie Zufriedenheit!

Der Aperitif wurde gereicht und natürlich kam ein Wasserfall an Fragen auf uns zu, womit wir beide ja gerechnet hatten.
Plötzlich spürte ich, wie meine Verlobte sich an mich krallte und etwas nervös schien. Wir hatten aber eine wunderbare Geschichte zu erzählen, woher Alex kam, was sie hier tat und so weiter. Weil, ohne uns wirklich abgesprochen zu haben, uns die Fragerunde bei Lady Melanie damals wieder einfiel. DARAUF bauten wir und erzählten sie im Endeffekt nur weiter.
Und natürlich kam die heißersehnte Frage, wann wir nun endlich heiraten würden! Ich sah zu Alexandra und nahm ihre Hand.
„Wir haben uns für März entschieden. Mrs. Frederickson sollte sich erst einmal hier richtig eingewöhnen, wir waren sehr lange getrennt." DAS war hoffentlich Erklärung genug und jeder würde dafür Verständnis haben.

Als wir dann bei Tisch saßen, ließen wir Herren die Politik und die Geschäfte außen vor, doch der eine oder andere anzüglich Witz durfte nicht fehlen. In Alex Augen sah ich, dass sie so etwas kannte und sich nicht, wie so viele Frauen, pikiert zurückzog. Ihre Aufgeschlossenheit war stellenweise einfach Goldwert!
Sie unterhielt sich angeregt mit William, was mich nicht wunderte, ihre Ansichten glichen sich. Natürlich bemerkte ich, dass sie mal wieder nur sehr wenig aß und zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass Frauen sich wahrlich zurücknahmen und beherrschten. Oder besser beherrschen mussten, diese Disziplin musste ich meiner Verlobten zu Gute halten!
Sie hatte ihr Leben, wie sie es kannte aufgegeben, sie hatte sich auf einen Lebensstil eingelassen, welcher nicht ihrem angeglichen war, bei weitem nicht! Alex durchlief im Grunde gerade einen Trainingsparcours, den sie zu bewältigen hatte und sie ließ sich nichts anmerken!
Auch wenn es sich schleimerisch anhören mag, doch ich war sehr, sehr stolz auf sie. Sie wusste sich zu artikulieren, sie konnte sich benehmen und hatte immer ein Thema auf den Lippen. Es wurde nicht langweilig mit ihr und das sah ich auch in den Gesichtern unserer Gäste. Sie alle waren ihr zugetan, nur Mrs. Donovan würde ihre Probleme haben, aber das war weder mein noch Alex' Problem.

Nach dem Essen zogen sich die Damen dann zurück, auch das hatte ich ihr erklärt. Doch das war etwas, was sie aus geschichtlichen Aufzeichnungen wusste, auch wenn es ihr nicht gefiel, jetzt mit diesen Frauen alleine sein zu müssen. Im Stillen baute ich auf Mrs. Johnson, sie war sehr fürsorglich und die beiden mochten sich.
Trotzdem ließ ich sie nur ungern alleine, aber nun war der nächste Schritt für sie angedacht in ihr neues Leben mit mir! Alex Blick war etwas ängstlich, doch ich lächelte ihr nur zuversichtlich zu und dann gingen die Damen hinüber in den Salon.

Wenn ich ehrlich sein darf, dieser Moment des „wieder alleine" seins, auch wenn er nur temporär ist, war etwas seltsam. Ich genoss dieses Gefühl dennoch und konnte frei mit den Herren über die Geschäfte und ... die Frauen reden. Man mag es nicht glauben, doch auch wir Männer können tratschen und Geschichten und Gerüchte verbreiten!
Vor allem ließ Mr. Donovan tief blicken, seine Frau weigerte sich seit Monaten mit ihm das Bett zu teilen und er hatte seine Mätresse zum Ausgleich. Ihm selber war es noch nicht einmal unangenehm, es war für ihn selbstverständlich!
„Master Kenway, dieses junge Ding gibt mir einfach wieder diese Lebenslust zurück, welche mir immer mit meiner Frau fehlt! Glaubt mir, ihr solltet euch beizeiten nach etwas jüngerem umsehen, sie bleiben nicht alle so jung und willig!" hörte ich ihn sagen und musste arg an mich halten um ihm nicht noch mitzuteilen, dass er sich gefälligst zur Ruhe setzen sollte und den Frauen abschwören sollte in seinem Alter.

Das Gespräch mit Mr. Donovan erinnerte mich an eines, welches ich mit Benjamin Franklin damals in Boston hatte. Dieser hatte mir ausdrücklich geraten, eine ältere Frau als Geliebte zu nehmen und eine Jüngere zu ehelichen, welche mir Kinder schenken könne.
So unterschiedlich sind die Geschmäcker, ging es mir mal wieder durch den Kopf!
Es war William, welcher plötzlich auf die Tür deutete und als ich meinen Kopf wandte, sah ich, wie seine Frau mit Alex am Arm nach draußen eilte! Für einen Moment war ich in Versuchung, hinterher zu gehen, ging aber davon aus, wenn es etwas gravierendes war, würde man mich unterrichten.

Also unterhielten wir uns noch über die nächste Tabak- und Weizensaison, auch über die armen Kolonisten, zu welchen wir ja auch gehörten und darüber kamen wir auf die üblichen Themen zu sprechen. Wir alle fragten uns, WER hier bald das Sagen haben würde, würde es überhaupt soweit kommen. Und wenn ja, wen würde man an der Spitze sehen wollen?
Mir fiel niemand ein, Jonathan hatte zwar erwähnt, dass Charles theoretisch ein mehr als geeigneter Kandidat wäre, doch dieser war gerade in England und nicht verfügbar. Wer weiß, was die Zeit noch bringen würde und in diesem Moment keimte wieder dieser Wunsch auf, dass ich wissen wollte, was meine Verlobte bereits über diese Kolonien erfahren hatte. An ihrem Gesicht sah ich oft, dass es nicht immer nur positiv war und sie hatte ja auch angedeutet, dass es Krieg geben wird, dennoch war sie wieder hier! Sie ließ ihre friedliche Zeit hinter sich, um an meiner Seite sein zu können, in einer Zeit, welche völlig ungewiss sein wird.

Gegen Mitternacht konnte man die ersten Ermüdungserscheinungen aufgrund des großzügigen Alkoholkonsums erkennen und wir beschlossen, unseren Frauen zu folgen und sie auf die späte Uhrzeit hinzuweisen.
Durch die Bank weg, ernteten alle Herren einen müden und dankbaren Blick. Dieser war nicht unserer Gastfreundschaft geschuldet, sondern einfach nur der Uhrzeit. Wir waren alle seit etlichen Stunden auf den Beinen!
Als dann Jonathan und William als letzte mit ihren Frauen in die Nacht verabschiedet worden waren, sie übernachteten übrigens im Gästehaus, ging ich kurz hinaus zum Abort. Es war sternenklar, es war kalt, aber diese klare Luft ließ mich durchatmen und wieder klarer sehen.

Als ich dann in den Salon trat, sah ich nur, wie Alex völlig gedankenverloren in ihr Glas Portwein sah.
Dieser Anblick war einfach unbeschreiblich, ich sog ihn in meinen Geist auf und wollte ihn für mich behalten. Der Widerschein des Feuers auf ihrem Gesicht konnte auch genauso gut ein Spiegelbild ihrer Emotionen sein. Dieses Flackern...
Langsam ging ich hinüber und setzte mich neben sie, doch erst, als meine Hand auf ihrem Oberschenkel lag, bemerkte sie mich und erschrak.
„Haytham, musst du dich immer so anschleichen!"
Als ich Alex aber erklärte, dass ich nur fasziniert von ihrer Silhouette mit dem Feuerschein war und ich nicht die Absicht hatte, sie zu erschrecken, kam ein leises
„Danke, mi amor!" sie stellte ihr Glas auf dem Tisch ab und ...

... wir fanden uns vor dem Kamin wieder. Ich kann es nicht beschreiben und es hat auch nichts mit einem Alkoholrausch zu tun, es war der Rausch, welcher in mir entstand, wenn diese Frau in meiner Nähe war! Wir liebten uns einfach, es war unglaublich befreiend wieder! Alex unter mir ließ mir freie Hand, sie ließ sich fallen und ihre Gedanken galten mir und meinen Wünschen.
Als ich dann langsam wieder zu mir kam, grinste Alex mich nur an.
„Dieses Feuer lässt deine Haare lebendig aussehen, Haytham!" Ihre Hände umfingen mein Gesicht und zogen es runter und ihre Lippen liebkosten mich wieder.

Dann stand Alex plötzlich auf und zog mich hinter sich her nach oben, wir befreiten uns von den Kleidungsstücken und als sie an meiner Seite lag, überkam uns diese Ruhe.
„Das war ein wirklich anstrengender Abend, mi amor."
Das glaubte ich ihr, die Frauen waren neugierig, etwas neues erzählen zu können, Tratsch weitergeben zu können... genau wie wir Männer eigentlich, musste ich mir schmunzelnd eingestehen.
Als ich Alex nun auf den Moment mit Mrs. Johnson hinwies, sah sie mich grinsend an.
„Ich selber hatte gar nicht gemerkt, dass mir schwindelig wurde, sie hat mich dann einfach, naja, gerettet. Ich mag Mrs. Johnson, sie ist unglaublich nett. Wir sollten die beiden einmal besuchen gehen."
Da hatte sie Recht, aber für einen Bruchteil einer Sekunde hatte ich wie die anderen Frauen gedacht, sie wäre schwanger... ich... würde mich freuen. Aber ich hielt meine Gedanken vorerst noch zurück, ich hoffte, dass meine kleine Schwester ein paar Kräuter oder ähnliches hätte, welche uns... zum Elternglück verhelfen könnten.
Das alles sagte ich nicht, stattdessen tat ich kund, dass wir morgen zeitig aufbrechen würden und sie nun schlafen sollte. Meine Arme umschlangen sie dennoch und ein Kuss durfte nicht fehlen, welcher sofort eine Gänsehaut bei ihr hervor rief. Und das nicht nur bei ihr!

 Und das nicht nur bei ihr!

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Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten Part 3Où les histoires vivent. Découvrez maintenant