Kapitel 34 - Letzter Schultag und Riesenhunde

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Hermine und Harry erzählten dem im Gemeinschaftsraum wartenden Ron noch von allem, was sie im Wald erlebt hatten, doch ich und Neville waren zu müde und verabschiedeten uns direkt ins Bett. Im Schlafsaal angekommen, warf ich einen kurzen Blick auf Evangeline, die offensichtlich auf mich hatte warten wollen. Sie schlief allerdings im Schneidersitz auf ihrem Bett. Ich grinste und legte sie ordentlich in ihr Bett. Dann fiel auch ich in einen tiefen, ruhigen Schlaf.

Die nächsten Wochen verbrachte ich nur mit Lernen. Die Prüfungen waren zum Greifen nah und daher wälzten Eva und ich außerhalb des Unterrichts jedes Buch, in dem auch nur die geringste prüfungsrelevante Information enthalten war. Auch mit Dean und Seamus lernte ich und schließlich schafften beide die bisher gelernten Zauber ebenso gut wie ich. Dank des Gesagten des Zentauren hatte ich ein bisher ungeahntes Interesse an Astronomie entwickelt und konnte Dean überraschen, indem ich eine Sternenkarte von einem Schreibfahler abgesehen fehlerfrei ausfüllte.

Dann war es Prüfungszeit. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt und so schaffte ich die gestellten Aufgaben relativ mühelos. In Zauberkunst und Verwandlung war ich ohnehin gut, aber auch den Vergesslichkeitstrank in Zaubertränke und die Fragen zu den uralten Zauberern, die selbstumrührende Kessel erfunden hatten, bewältigte ich mit wenigen Fehlern. Nach der letzten Prüfung waren wir alle einfach nur froh, es hinter uns zu haben. Ich setzte mich mit Eva und einigen ihrer Hufflepufffreunden an den See und ließ die Sonne auf mein Gesicht scheinen. Die anderen Schüler plapperten fröhlich, aber ich wollte mich einfach nur ausruhen. Dann kam mir der Gedanke, dass ich mich nun nach dem Ende der Prüfungen auch wieder den Menschen im Spiegel zuwenden könnte. Dafür bräuchte ich nur ein paar Bücher aus meinem Schlafsaal, die ich mir aus der Bibliothek ausgeliehen hatte.

Also rappelte ich mich auf, klopfte mir das Gras von der Hose und murmelte einige Entschuldigungen an Eva und die Hufflepuffs. Diese sahen mich zwar fragend an, quasselten im nächsten Moment aber schon wieder über die niedlichen Minimuffs, die sie sich kaufen wollten.

Beschwingten Schrittes lief ich zum Schloss und hatte das Gefühl, dass nichts meine gute Laune trüben könnte. Das änderte sich jedoch schlagartig, als ich in einem Seitengang – eine Abkürzung zum Gemeinschaftsraum - angekommen war. Denn dort stand Severus und zielte mit seinem Zauberstab auf den wehrlosen Quirrell. Der stotternde Professor hatte seine Hände weit über den Kopf gestreckt und stammelte Unverständliches.

„Severus!", rief ich fassungslos. „Was tust du da?"

Mein Pate fuhr herum und sein nachtschwarzer Umhang wehte wie eine dunkle Wolke um ihn herum. Da fielen mir die Anschuldigungen von Harry wieder ein. Das hatte ich ja total vergessen! Er warf meinem Paten vor, Quirrell zu erpressen, um an den Stein der Weisen zu gelangen. Bisher hatte ich nur Anhaltspunkte dafür gesehen, dass Snape hinter dem Stein her war und dafür Quirrell benutzte, doch jetzt hatte ich Gewissheit.

Ich wischte mir über meine Wange und merkte erst jetzt, dass ich weinte. Genau wie damals, als ich die schrecklichen Verbrechen meines Onkels erfahren hatte. Und genau wie damals hatte ich auch jetzt einfach nur den Drang, von hier wegzumüssen. Ich drehte mich auf dem Absatz um und rannte, so schnell mich meine Beine trugen. Hinter mir rief jemand etwas, aber ich konnte es nicht verstehen. Wollte es auch nicht verstehen.

Die Muskeln meiner Beine brannten und ich konnte nur noch pfeifend Luft holen. Da erkannte ich, wo ich gelandet war. Es musste vor dem Raum sein, in dem ich schon einmal Trost gefunden hatte. Ich ging hinein und warf mich auf das mir vertraute Bett. Nachdem meine Tränen versiegt waren, übermannte mich der Schlaf.

Ich wachte erst auf, als bereits etliche Stunden vergangen sein mussten. Verdammter Doxymist! Bestimmt suchte man mich schon überall! Zumindest Eva würde sich bestimmt Sorgen um mich machen. Und auch mein Pate ... Snape! Ich konnte ihn nicht mehr als Paten oder Severus bezeichnen, nach allem, was er dem armen Professor Quirrell angetan hatte. Er wollte den Stein der Weisen für den Dunklen Lord stehlen und ihn damit unsterblich machen! Das musste ich verhindern. Aber jetzt wusste Snape, dass ich von seinen Plänen wusste. Er musste sie also schnell in die Tat umsetzen. Und ich war vielleicht die Einzige, die davon wusste! Ich musste Dumbledore Bescheid geben! Aber dafür würde ich Aridia brauchen und ich konnte mir zeitlich keinen Ausflug in die Eulerei erlauben! Ach ich wünschte, sie wäre hier.

Ein Gurren ertönte hinter mir. Das konnte doch nicht ... es war tatsächlich meine Eule! Mir blieb nicht lange Zeit, um mich über ihre Anwesenheit zu wundern. Ein saures Gefühl brodelte in mir auf, als ich daran dachte, von wem ich sie geschenkt bekommen hatte. Aber dann dachte ich mir, dass es doch passend ist, wenn sein eigenes Geschenk zu seiner Verhaftung und der Durchkreuzung seiner Pläne führt. Ich suchte im Raum nach Pergament und wurde auf einer Kommode fündig. Hastig kritzelte ich einige erklärende Worte darauf und verfluchte erstmals meine Sauklaue. Hoffentlich würde der Schulleiter die Nachricht entziffern können.

Dann band ich den Brief an Aridias Bein fest und verließ mit ihr auf der Schulter den Raum. Mit Schrecken sah ich aus einem der großen Fenster und stellte fest, dass die Nacht hereingebrochen war und es somit schon alles zu spät sein könnte. Aber daran wollte ich lieber nicht denken! Zumindest wollte ich probieren, ihn noch aufzuhalten. Vielleicht war es gerade das, was mich zur Gryffindor machte. Dass ich nie die Hoffnung aufgab und mein eigenes Leben riskierte.

„Zu Albus Dumbledore", flüsterte ich Aridia ins fedrige Ohr und blickte ihr kurz nach, als sie davonflog. Jetzt, da sie nicht mehr da war, merkte ich erst, wie allein ich eigentlich war. Vielleicht sollte ich zu Evangeline gehen und meinen Paten mit ihrer Hilfe stellen. Oder mit Fred und George. Die könnten das bestimmt. Ich schüttelte den Kopf. Nein, das wäre ein riesiger Umweg. Und wenn Snape mit dem Dunklen Lord unter einer Decke steckte, dann würde ich sie damit nur in Gefahr bringen. Mir würde niemand so hinterhertrauern. Klar, meine Freunde würden mich vermissen. Aber bis zum Schulabschluss wäre ich schon nicht mehr als eine blasse Erinnerung. „Das Mädchen, das in unserem ersten Jahr gestorben ist, weißt du noch?" Das würde man über mich sagen. Verstohlen wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Klang doch gar nicht zu schlimm. Und vielleicht schaffte ich es zumindest, Snape aufzuhalten.

Ich seufzte noch einmal und hatte dann aber genug von Selbstmitleid. Bei Merlin, ich musste schließlich die Zaubererwelt retten! Mit einem Lumoszauber erhellte ich die Spitze meines Zauberstabs und rannte so schnell ich konnte zum Verbotenen Korridor.

Obwohl ich mir keinerlei Mühe gegeben hatte, meine Schritte zu dämpfen, begegnete ich niemandem. Entweder Eva hatte niemanden über mein Verschwinden unterrichtet oder man hatte die Suche wieder abgebrochen. Eigentlich schade, dass ich noch nicht einmal McGonagall über den Weg lief, ihre Hilfe hätte ich jetzt gut gebrauchen können. Verdammter Knallrümpfiger Kröter! Ich hätte den Brief vielleicht lieber an sie schicken sollen! Jetzt war es aber zu spät, um sich aufzuregen, ich musste weiter.

Da! Die Tür zum Korridor! Nicht verschlossen. Leise huschte ich hindurch, fast schon damit rechnend, dass Snape dahinter stand und mir einen Fluch an den Kopf warf. Doch ich war allein. Dann brauchte ich mir auch keine Sorgen um Geräusche zu machen. Also hetzte ich zu der Tür am Ende des Ganges. Was dahinter kam, wusste ich nicht. Vielleicht hätte ich lieber Harry, Ron oder Hermine gefragt, die sich ebenfalls bereits in den Korridor und sogar hinter die Tür gewagt hatten. Aber ich hatte einfach keine Zeit.

Also hoffte ich das Beste und rechnete mit dem Schlimmsten, als ich die Tür mit einem gemurmelten „Alohomora!" öffnete. Es dauerte einen Augenblick, bis ich das mir dargebotene Bild verarbeitet hatte. Da lag ein riesiger, dreiköpfiger Höllenhund auf dem Boden und schlief seelenruhig vor sich hin. In der Ecke spielte eine Harfe eine leise Melodie. Es hätte ein wirklich schöner Moment sein können – immerhin mochte ich Hunde und Musik – aber gleiches Problem wie immer: die Zeit.

Mit meinen Augen suchte ich den durch den Höllenhund zu größten Teilen belegten Raum nach einer Tür ab. Irgendwo musste es schließlich weitergehen. Das Riesenhündchen machte währenddessen kratzende Geräusche. Merkwürdigerweise klang es nicht wie Kratzen auf Stein, obwohl der Raum einen Steinboden hatte. Ich kannte diesen Ton. Schließlich waren die meisten Schultische aus Holz und ich hatte sie gelegentlich unabsichtlich mit meinen Nägeln gestreift. Und genau dieser Ton kam nun auch von dem Hund. Also besah ich mir das Wesen näher. Es hatte die zwei äußeren Köpfe brav auf seine Pfoten gebettet, der dritte Kopf lag halb auf einem der anderen. Doch woher kam das Geräusch? Die Harfe klimperte munter weiter. Dort! Unter einer der Pfoten war eine hölzerne Falltür! Jetzt, da ich sie sah, fragte ich mich, wie ich sie je hatte übersehen können.

Vorsichtig, um den Hund nicht zu wecken, schob ich den schweren Hundekopf und anschließend auch die Pfote beiseite. Darunter kam die Falltür zum Vorschein. Sie war nicht übermäßig groß. Der Hund würde also niemals hindurchpassen. Mein Pate allerdings schon. Daher leuchtete ich kurz die Luke nach einer Leiter ab. Ich fand jedoch keine und musste daher wohl oder übel springen. Nach meinen Beseneskapaden hatte ich zwar nicht das Bedürfnis, irgendwo herunterzufallen, aber es half ja nichts. Ich atmete also tief ein und aus, klammerte mich an meinen leuchtenden Zauberstab. Dann trat ich einen Schritt nach vorne ins Leere. Und fiel.

Eleonora Black und der Verbotene Korridor ∥ Ⅰ ∥ AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt