Kapitel 20 - Der Rest vom Fest

1K 62 0
                                    

Am nächsten Morgen erwachte ich schon weit vor Sonnenaufgang. Und das obwohl ich am Vortag erst so spät schlafen gegangen war. Ich schlich mich zum Treppenaufgang und spähte in dem Gemeinschaftsraum. Allerdings war ich nicht ganz so lautlos, wie ich gehofft hatte, denn das Türschild musste natürlich wieder meine Kontaktdaten aufsagen. Bei diesem Geräusch zuckte ich zusammen und verfluchte Fred und George. Mittlerweile war ich mir sicher, dass es mir nicht mehr reichen würde, ihnen einen Flederwichtfluch aufzuhetzen. Ich musste mir dringend etwas Schlimmeres überlegen. Vielleicht einen notorischen Pupsfluch? Aber das würde ich erst tun können, wenn sie wieder auftauchten, deshalb verschob ich diese Überlegungen auf später. Stattdessen beschloss ich die Geschenke zu öffnen, die ich gestern ungeöffnet gelassen hatte. Daher eilte ich in mein Zimmer zurück, in der Hoffnung, das blöde Schild würde mich nicht bemerken. Falsch gedacht. Ich belegte die zufallende Tür mit einem Schweigezauber und atmete dann glücklich ein. Endlich Ruhe.

Dann packte mich jedoch wieder die Neugier und die Aufregung und ich machte mich über die Päckchen her. Beim ersten handelte es sich um das Buch „Das Zauberspruchallerlei für junge Zauberspruchanwender" von Hermine. Ich blätterte ein wenig darin herum und entdeckte zu meiner Überraschung etliche nützlich Zaubersprüche. Im Gegenzug hatte ich ihr die Fortsetzung von „Eine Geschichte von Hogwarts" geschenkt. Ich hoffte, dass es ihr gefiel. Das nächste Geschenk war von Lavender Brown. Sie hatte mir einige Haarpflegetränke geschenkt, angesichts derer ich überlegte, ob es vielleicht ein versteckter Hinweis sein sollte. Allerdings konnte ich gegen meine dunklen Locken meist recht wenig ausrichten. Sie nahmen meist einfach die Form an, die ihnen am besten gefiel und scherten sich nicht um meine Zähmungsversuche. Nur Hermine hatte eine noch schwierigere Haarsituation mit ihren braunen Puschelhaaren. Schulterzuckend stellte ich die Tränke vorerst auf meinen Nachttisch.

Das nächste Geschenk war von Ron, der mir jede Menge Süßigkeiten schenkte. Ich stopfte mir sogleich eine von Bertie Botts Bohnen in den Mund, bereute es aber im nächsten Moment schon wieder, als sich der Stinkmorchelgeschmack auf meiner Zunge ausbreitete. Von Harry bekam ich ebenfalls Süßigkeiten. Über Evangelines Geschenk freute ich mich eigentlich am meisten: einmal ein Fresspaket, das mir ihre Eltern schenkten, als sie von meinem Verhältnis zu den Malfoys erfuhren. Dann noch ein Fotoalbum mit allen unseren gemeinsamen Fotos, die nur etwa ein Viertel der Seiten füllten. Und schließlich noch eine kleine Kette, an der ein kleines silbernes Muschelhaus hing. Sie schrieb dazu, dass sie es auf Menorca, wo sie ihre Ferien verbrachte, bei einer Hexe gekauft hatte, die steif und fest behauptete, dass man damit mit Nixen und Wassermenschen kommunizieren könne. Eva glaubte zwar nicht daran, aber fand es auch so ein schönes Schmuckstück. Außerdem wünschte sie mir weiterhin schöne Ferien und ich sollte mit dem Praxistest der Muschel warten, bis sie auch wieder da war. Mit einem Grinsen legte ich den Brief beiseite und legte mir die Kette um. Anschließend bewunderte ich ihren Anblick im Spiegel. Sie sah sehr zierlich aus und hing genau in der kleinen Mulde zwischen meinen Schlüsselbeinen.

Jetzt waren nur noch zwei Geschenke übrig. Zuerst widmete ich mich dem kleineren. Ich öffnete es und entdeckte ein zusammengefaltetes Pergament. Dabei handelte es sich um einen Brief, in dem stand:

Liebe Eleonora, ich weiß, in meinen letzten Briefen war ich nicht gerade nett zu dir. Trotzdem hoffe ich, dass du mir verzeihst und ein schönes Weihnachtsfest in Hogwarts verbringst. Lucius war sehr aufbrausend, als er gehört hat, dass du in Gryffindor gelandet bist. Auch ich hätte mir für dich gewünscht, dass du nach Slytherin gekommen wärst, da das einiges deutlich erleichtert hätte. Aber ich kann es nun einmal nicht ändern. Ich schreibe dir jetzt, weil ich mich noch einmal für mein Benehmen dir gegenüber entschuldigen wollte. Für dich und deine Sicherheit ist es trotzdem besser, wenn du vorerst in Hogwarts bleibst. In den Sommerferien können wir noch einmal neu darüber verhandeln, ansonsten bestünde vielleicht die Möglichkeit, dass du dann bei Severus bleibst. Er hat mir von eurer kleinen Unterredung zu Schuljahresbeginn erzählt. Ich hoffe, dass du viel daraus mitnehmen konntest. Da Severus berichtet hat, wie sehr du dich über das Foto von deinem Vater gefreut hast, findest du auch noch ein paar Fotos beigelegt, die ich noch von ihm gefunden habe. Auch hier bereue ich es wieder, dir sie nicht früher gegeben zu haben, doch ich würde so einige Dinge in der Vergangenheit ändern, wenn ich denn nur könnte. Das kann ich aber leider nicht. Frohe Weihnachten und ein schönes restliches Schuljahr. Ich denke nicht, dass ich dir noch einmal schreiben kann. Narcissa

PS: Über den Hut habe ich mich übrigens sehr gefreut.

Nachdem ich fertig gelesen hatte, musste ich erst einmal tief durchatmen. Ich war kolossal verwirrt. Woher kam ihr plötzlicher Sinneswandel? Und würde ich wirklich meine Sommerferien bei Snape verbringen müssen? Ich konnte es mir nur schwer vorstellen. Außerdem konnte ich nicht verstehen, was sich denn großartig ändern würde, wenn ich in Slytherin wäre. Außer dass Draco mich dann besser quälen konnte. Wobei ... dann wäre ich ja seiner Meinung nach gar keine Blutsverräterin. Vielleicht wäre es so also doch einfacher. Na ja, für Änderungen war es, wie meine Tante ja schon selbst festgestellt hatte, zu spät. Ich steckte den Brief in meine Nachttischschublade, um ihn mir später noch einmal in aller Ruhe durchlesen zu können. Womöglich ergab der Inhalt dann Sinn.

Vorerst beschäftigte ich mich lieber mit dem verbleibenden, doch recht großen Pakt. Zum Vorschein kam ein Eulenkäfig, allerdings ohne Eule darin. Stattdessen lag dort ein Brief. Neugierig las ich ihn.

Eleonora, mir ist klar, dass ich mich bisher als dein Pate nicht gerade qualifiziert habe. Da mir zu Ohren gekommen ist, dass du noch kein Haustier hast, ist das mein Weihnachtsgeschenk für dich. Ich habe sie in die Eulerei gebracht, da ich das besser fand, als sie in den Käfig einzusperren. Sie hört im Moment auf den Namen Aegolius acadicus, das ist die lateinische Bezeichnung für die Art der Sägekäuze, zu denen sie gehört. Wenn du sie abholst, kannst du ihr aber gerne jeden anderen Namen verpassen. Frohe Weihnachten. Severus Snape.

Mein Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Snape ... oder Severus hatte mir eine Eule geschenkt!

Schnell zog ich mir nur einen Cardigan über meinen Schlafanzug und schlüpfte in Schuhe. Dann eilte ich in die Eulerei, schon ganz neugierig, wie meine Eule aussah. Auf dem Weg begegnete ich niemandem, was mich aber auch nicht überraschte, da die Sonne gerade erst langsam aufging.

Noch ganz atemlos von den letzten Stufen zur Eulerei hastete ich in den hohen Raum. Meine hektischen Bewegungen scheuchten einige schlafende Eulen auf, die missmutig mit den Flügeln wackelten. Ich hatte jedoch kein Auge für sie, sondern suchte nach meiner neuen, eigenen Eule. Es gestaltete sich schwieriger als gedacht, da ich zugegebenermaßen keine Ahnung hatte, wie ein Sägekauz aussah. Daher probierte ich es, den Namen zu rufen. Zum Glück hatte ich den Brief von Snape dabei, denn die lateinische Bezeichnung hatte ich mir absolut nicht gemerkt. Etwas zögerlich las ich „Aegolius acadius" laut vor und wartete ab, was passierte. Eine kleine Eule, die bisher in einer Nische sehr hoch oben gesessen hatte, flog im eleganten Sturzflug auf mich zu. Mit einigem Flügelschlagen landete sie auf meinem Arm, den ich automatisch ausgestreckt hatte. Sie kreischte und blieb dann ganz ruhig sitzen, sodass ich sie besser mustern konnte. Sie war recht klein, vielleicht etwa zwanzig Zentimeter groß und hatte ein braun-weiß geschecktes Gefieder. Mit ihren großen, goldenen Augen sah sie mich an.

„Ähm ... ich taufe dich auf den Namen Aridia. Keine Ahnung, wie das geht. Verstehst du mich?" Die Eule kniff mir zärtlich in den Finger. „Soll das Ja heißen?", versicherte ich mich. Keine Reaktion, außer dass der Kauz mit den Flügeln zappelte. „Aridia?" Probehalber nannte ich ihren Namen, was dazu führte, dass sie sich mir zuwandte. Also hatte die Namensgebung hoffentlich geklappt.

Am liebsten hätte ich sie noch eine Weile beobachtet, doch andererseits wollte ich auch ausprobieren, ob sie tatsächlich Briefe liefern würde. Also gab ich ihr meinen Brief an Snape, in welchem ich mich für das großartige Geschenk bedankte. Sie nahm den ihr hingehaltenen Brief in den Schnabel und schwang sich in die Luft. Ich war etwas überrumpelt, dass ich ihr nicht sagen musste, wer der Empfänger ist oder sonstige Anweisungen geben musste. Aridia flog durch eines der durchgehend geöffneten Fester nach draußen und war verschwunden. Hoffentlich würde sie den Brief überbringen. Und zurückkommen. Und bitte, bitte, würde sie jetzt auf den Namen Aridia hören, denn den lateinischen Namen von zuvor konnte ich mir nicht merken.

Eleonora Black und der Verbotene Korridor ∥ Ⅰ ∥ AbgeschlossenWhere stories live. Discover now