Kapitel 4 - Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist schön ...

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„Ja?", hakte ich atemlos nach. Sie konnte doch nicht einfach so mitten im Satz aufhören!

„Na ja, wir wissen zwar, wer dein Vater war, aber weder kennen wir die Umstände seines Todes, noch wissen wir, wer deine Mutter war. Ich wollte dich damit eigentlich nicht beunruhigen, aber da du jetzt nach Hogwarts gehst, kann ich es wohl nicht länger verbergen. Regulus ist definitiv keinen normalen Tod gestorben – immerhin war er erst 18 Jahre alt – also wurde er höchstwahrscheinlich umgebracht. Und es kann gut sein, dass sein Mörder oder seine Mörderin weiterhin frei herumläuft. Deshalb sollst du auf dich aufpassen. Versprichst du mir das?"

Überrumpelt nickte ich.

„Und wegen deines Zauberstabs ... Er scheint sehr mächtig zu sein, also solltest du auch hier versuchen die Kontrolle zu behalten. Wenn ich von Severus die Nachricht bekomme, dass du irgendetwas angestellt hast und seien es nur eigenartige Funken aus deinem Stab, dann komme ich dich persönlich abholen, verstanden? Ansonsten kannst du mir jederzeit eine der Schuleulen schicken oder dich einfach gleich an Severus wenden. Er kannte deinen Vater recht gut ... allemal besser als ich. Wenn du ihn darum bittest, erzählt er dir vielleicht etwas von ihm."

Wieder konnte ich nur nicken. Insgeheim fragte ich mich aber doch, wieso sie all die Jahre immer das Thema gewechselt hatte, sobald ich auch nur gewagt hatte, eine Frage zu stellen. War es wirklich nur, weil sie versucht hatte, mich zu beschützen?

„Cissa? Wo steckst du?", rief Lucius, der uns hinter der Säule wohl nicht gesehen hatte.

„Hier, Lucius. Wir sind gleich da", antwortete sie ihm, machte aber noch keine Anstalten, zu gehen. Sie betrachtete mich einmal von oben bis unten, dann sagte sie: „Dein Vater wäre wirklich stolz auf dich. Ich jedenfalls bin es."

Dann drehte sie sich um, als wäre nichts geschehen, setzte ein Lächeln auf und zog mich am Handgelenk hinter sich her. Ihr Ehemann verfolgte unsere Rückkehr mit Adleraugen, vermutlich fragte er sich, was Narcissa von mir gewollt hatte.

Draco stand derweil an der Tür des Hogwartsexpress und winkte seinen Eltern zu. Als er mich mit meinem Koffer sah, warf er mir einen ungeduldigen Blick zu.

„Na, auch schon da?" Der Sarkasmus troff förmlich aus seinen Worten.

Ich ignorierte seinen Kommentar, wie ich es mir die letzten zehn Jahre angewöhnt hatte und kletterte die Stufen zu ihm hinauf. Das gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht.

„Könntest du mir mal bitte helfen?", fragte ich schließlich meinen Cousin, der meine Bemühungen belustigt beobachtet hatte.

Er seufzte zwar, half mir aber und so schafften wir es, den Koffer gemeinsam in den Zug zu hieven.

Dann winkten wir seinen Eltern, beziehungsweise meinen Adoptiveltern zu. Während Draco der Abschied sichtlich schwer fiel, rätselte ich immer noch über die Worte meiner Tante. Mein Vater war ermordet worden? Aber von wem? Und wieso? Egal, wie scharf ich auch darüber nachdachte, ich fand einfach keine Antwort. Narcissa hatte ja Severus Snape erwähnt, den Hauslehrer von Slytherin. Womöglich konnte er mir ja tatsächlich einige der Fragen beantworten, die sich innerhalb meiner Zeit bei den Malfoys angestaut hatten.

„Du kannst aufhören zu winken", meinte Draco spöttisch.

Ich schreckte hoch und spähte aus dem Fenster. Leider hatte Draco recht und man sah den Bahnhof überhaupt nicht mehr. Verstohlen blickte ich mich nach eventuellen Beobachtern um und atmete beruhigt auf. Mein Cousin und ich standen alleine mit unserem Gepäck im Flur.

„Keine Panik, dich hat schon niemand gesehen", meinte Draco. Eulendreck, scheinbar hatte er meine Blicke bemerkt.

„Sollen wir uns dann mal ein Abteil suchen?", fragte ich ihn.

Sein Gesicht nahm einen verlegenen Rosaton an. „Um ehrlich zu sein habe ich schon ein Abteil. Ich fürchte nur, es ist kein Platz mehr frei. Aber komm, dann können wir ja nochmal nachsehen."

Oh toll, Draco hatte also Freunde gefunden und sich um nicht natürlich nicht gerade Gedanken gemacht. Das erklärte auch das Fehlen seines Koffers und seines Uhus.

Ich winkte ab. „Passt schon. Irgendwo wird ja wohl noch ein winzig kleiner Sitzplatz für mich übrig sein. Viel Spaß!" Mit diesem Wunsch drehte ich mich auf dem Absatz um und lief den Gang entlang. Ich konnte seinen Blick noch im Nacken spüren, dann schien er aber in sein Abteil zu seinen Freunden zu gehen.

Ich konnte mir nicht erklären, warum ich in diesem Augenblick so traurig war, immerhin hatte ich Dracos bisherige Freunde nur in Ausnahmefällen gemocht. Die meisten waren viel zu sehr auf Reinblütigkeit und ihre daraus resultierende Erhabenheit bedacht, als dass man halbwegs vernünftige Gespräche mit ihnen führen konnte. Dennoch versetzte mir seine Ignoranz einen Stich, denn ich hätte ihm sicherlich einen Platz freigehalten.

Ich schleppte meinen Koffer neben mir her und warf jeweils einen kurzen Blick in jedes Abteil, an dem ich vorbeikam. Allerdings waren alle randvoll mit Schülern, Gepäck und herumstreunenden Haustieren belegt. Nachdem ich mittlerweile bereits zwei Waggons durchquert hatte und weiterhin keinen Sitzplatz hatte, verlor ich langsam die Motivation. Wenn nicht bald ein Sitzgelegenheit – meinetwegen auch auf magische Weise – auftauchen würde, müsste ich mich wohl oder übel in den Gang setzen.

Jetzt erhaschte ich einen Blick in das nächste Abteil und sah zu meiner Erleichterung nur zwei Personen darin sitzen. Ich klopfte an der Tür und steckte dann meinen Kopf ins Abteil.

„Hallo, ist hier noch frei? Der gesamte restliche Zug ist nämlich vollkommen überfüllt..." Ich bemühte mich möglichst freundlich zu lächeln, war mir aber nicht sicher, ob es nicht vielleicht etwas gequält aussah, nachdem ich meinen tonnenschweren Koffer durch den halben Hogwartsexpress geschleift hatte.

Der rothaarige Junge blickte den Schwarzhaarigen ihm gegenüber fragend an. Dieser zuckte allerdings nur mit den Schultern und nickte dann.

Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich hätte sie am Liebsten vor Freude gedrückt. Stattdessen bedankte ich mich wortreich und verfrachtete meinen Koffer in die Gepäckablage. Die beiden Jungs starrten mich an. Oder besser gesagt meine blutigen Knie. Hastig versuchte ich sie zu verstecken.

„Was hast du denn da gemacht?", fragte der Junge mit den roten Haaren.

„Oh das. Na ja, ich bin vorhin hingefallen, nachdem ich mit jemandem zusammengestoßen bin", erklärte ich und unterdrückte ein schmerzerfülltes Keuchen, als ich mich auf einen Sitz neben den Rothaarigen fallen ließ.

„Vielleicht weiß ich einen Zauber dagegen ... Mum hat ihn immer benutzt. Mit sieben Kindern sollte man ihn wohl auch in und auswendig können. Aber wie ging der nochmal?", überlegte mein Sitznachbar laut.

Ich besah mir den Jungen gegenüber genauer. Aber hey das war doch ... „Der Junge aus Madam Malkins - Anzüge für alle Gelegenheiten! Das bist du doch, oder? Du kamst mir so bekannt vor", platzte ich hervor.

Der Angesprochene nickte und lächelte mir schüchtern zu. „Du warst da mit diesem blonden Jungen."

Ich verzog das Gesicht. Mit war eben wieder eingefallen, dass er mich nicht bei sich hatte haben wollen. „Ja, das war mein Cousin Draco. Draco Malfoy."

Beim Namen Malfoy hatte der Junge neben mir innegehalten. „Malfoy?", hakte er nach. „Wie in Lucius Malfoy?"

Ich nickte. „Genau der. Lucius ist der Mann meiner Tante. Woher kennst du ihn?"

Der Junge schnaubte. „Ich kenne ihn eigentlich gar nicht. Aber mein Vater arbeitet im Zaubereiministerium und da stolziert der ein und aus. Tut so, als könnte er sich mit Geld alles kaufen. Und er hält meine Familie für Blutsverräter, nur weil wir nichts gegen Muggel haben."

Die beiden Jungs sahen mich mit leicht zusammengekniffenen Augen an. Daher beteuerte ich, ebenfalls nicht gegen Muggel einzuwenden zu haben, woraufhin beide deutlich entspannter waren.

„Wie heißt ihr eigentlich?", fragte ich – auch um das Thema weg von meiner Familie zu lenken.

„Ron Weasley", stellte sich der rothaarige Junge neben mir vor.

„Und ich bin Harry Potter", sagte nun auch der Andere, woraufhin ich meine Augen aufriss.

Eleonora Black und der Verbotene Korridor ∥ Ⅰ ∥ AbgeschlossenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora