Kapitel 15 - Schmerzhafte Informationen

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Am nächsten Tag landete eine Eule mit einem langen, sehr stark wie ein Besen aussehenden Paket vor Harry. Ich reckte den Hals um einen besseren Blick darauf zu erhaschen. Doch Harry las kurz den mitgelieferten Brief und verschwand dann mit dem mysteriösen Paket (und Ron) aus der Halle.

Den ganzen Unterricht über schien Harry sehr aufgeregt zu sein und es gar nicht abwarten zu können, dass er beendet war. Ich konnte es ebenfalls kaum erwarten, allerdings eher deshalb, da ich noch in die Bibliothek wollte und nach Sirius Black suchen. Die Zwillinge hatten mittlerweile scheinbar doch Interesse an dem Rätsel meiner Eltern gefunden, denn sie wollten mir dabei helfen. Evangeline hatte leider keine Zeit, da sie noch einen Aufsatz über Trollhirne und ihre Anwendung in Zaubertränken schreiben musste. Sie hatte Draco gestern mit einer Schleimbohne beworfen, weil er es nicht hatte lassen können, über Harry herzuziehen. Ich hatte ihr meine Hilfe angeboten, doch sie bestand darauf, dass ich lieber nach meinem Onkel sehen sollte. Stattdessen wollte sie Hermine fragen. Die schien sich im Moment nämlich noch schlechter mit Harry und Ron zu verstehen als ohnehin schon und war daher meistens alleine.

Als nun also das Läuten das Ende der Stunde Geschichte der Zauberei ankündigte, stopfte ich schnell meine Bücher in die Tasche und eilte in die Bibliothek.

Dort angekommen sah ich mich nach Fred und George um und entdeckte sie schließlich am Tresen von Madam Pince, die die beiden gerade ihre Taschen ausleeren ließ.

„Sie werden es nicht noch einmal schaffen, eine Stinkbombe hier hineinzuschmuggeln", verkündete sie und spähte argwöhnisch in eine Pergamentrolle. Fred verdrehte die Augen. „Irma, jetzt hab dich doch nicht so."

Diese schnappte empört nach Luft. „Mr Weasley, es ist Ihnen nicht gestattet, mich bei meinem Vornamen zu nennen! Zur Strafe erhalten Sie..."

Ich unterbrach sie eilig, bevor sie die Strafe der beiden verkünden konnte. „Bitte, Madam Pince, ich wollte mit den beiden den Stoff wiederholen. Und außerdem noch George bei seinen Astronomiehausaufgaben helfen, denn seine letzte Note war ein Troll! Ich denke, das hat ihn genug bestraft." George, der sichtlich versuchte, nicht in Lachen auszubrechen, warf ich einen warnenden Blick zu. Er riss sich zusammen und setzte ein schuldbewusstes Lächeln auf. „Könnte ich bitte, bitte jetzt mit Nora lernen? Ich kann meiner armen Mutter nicht schon wieder so eine Schande bereiten!"

Madam Pince schien uns das Theater tatsächlich abzukaufen. „Wenn das so ist ... Aber dennoch, Strafe muss sein. Fred Weasley hat für heute Bibliotheksverbot. Keine Widerrede!"

Wir nickten möglichst niedergeschlagen und gingen vor den Eingang der Bibliothek.

„Schade, dass wir den Unsichtbarkeitszauber noch nicht können. Aber wir können einfach..."

„Nein, können wir nicht. Lass es gut sein. George oder Fred, einer von euch beiden kommt jetzt mit rein und hilft mir bei der Suche nach Zeitungsartikeln über meinen Onkel. Der andere bleibt brav hier draußen und macht keinen Unsinn", befahl ich und war selbst etwas über meinen strengen Tonfall erstaunt.

Die Zwillinge sahen sich kurz an und salutierten mir dann gleichzeitig. „Ja, Mum!"

Ich verdrehte nur die Augen.

Nach etwas Stöbern wurden wir schließlich fündig. Im Katalog war zu etlichen Zeitungen von Ende Oktober 1981 Sirius Black als Schlagwort aufgelistet. Also gingen wir zu den betreffenden Bücherregalen, die in einer Ecke in der Nähe der Verbotenen Abteilung standen. Dort schnappten wir uns die Ordner mit den Zeitungsartikeln und verzogen uns damit an einen der Tische. Gleich in der ersten Zeitung stand bereits etwas über ihn. Vorne, auf der ersten Seite, stand in riesigen Buchstaben: Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf ist besiegt! In dem Artikel ging es um Harry und wie er den Dunklen Lord aufgehalten hatte. Das war das Hauptthema, das fast die Hälfte der Seiten füllte, doch dann war da eine weitere Überschrift: Sirius Black tötet unzählige Muggel und seinen besten Freund!

Vor Schreck klappte mir der Mund auf. Mein Onkel ... ein Massenmörder? Das musste bestimmt ein Versehen sein. Das konnte doch nicht dieser Sirius Black sein. Oder?

Gestern, am 31. Oktober, kurz nachdem der kleine Harry Potter Den-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf, auf unerklärliche Weise besiegte, wollte Sirius Black, ein Todesser offenbar Rache üben. Er wurde von seinem ehemaligen besten Freund noch aus seiner Zeit in Hogwarts, gestellt. Der mutige Peter Pettigrew konfrontierte ihn, obwohl Black – als wahrer Träger seines Nachnamens – ihm natürlich um Basilisken überlegen war. Pettigrew, der dafür mit dem Merlin-Orden ausgezeichnet werden soll, stellte ihn für die Morde an James und Lily Potter (die ganze Geschichte hierzu auf Seite 1) zur Rede. Doch dieser lachte nur und ließ die Straße explodieren. Dabei kamen zwölf Muggel ums Leben und auch der bedauernswerte Peter. Sirius Black wurde von den fähigsten Auroren geschnappt und – immer noch lachend, wie man uns berichtete – nach Askaban gebracht. Doch auch das wird Peter Pettigrew, den tragischen Helden, nicht zurückbringen. Alles, was man seiner trauernden Mutter übergeben konnte, war ein Finger. In einem Interview mit uns stellte sie klar: „Peter ist als Held gestorben. Ich möchte nicht, dass die Erinnerung an ihn verblasst. Sich Voldemorts rechter Hand in den Weg zu stellen (an dieser Stelle bricht sie in Tränen aus und kann erst Minuten später wieder sprechen) ist eine ebenso große Tat, wie Harry Potters. Meinem Sohn (erneute Tränen und Schluchzer) werde ich ein Denkmal errichten lassen. Das ... hat er nun wirklich verdient." Wir, als Redaktion, können ihr da nur zustimmen. Viel Kraft allen, deren Familie von Sirius Black zerstört wurde.

Schon während ich den Artikel las, füllten sich meine Augen mit Tränen. Als ich den letzten Satz fertig gelesen hatte und die Bedeutung davon erst richtig verstand, brach ich endgültig in Tränen aus. Schluchzer schüttelten meinen Körper, als ich aus der Bibliothek rannte. George, der über meine Schulter mitgelesen hatte, lief hinter mir her. Meine Sicht war ganz verschwommen, die Gesichter der anderen Schüler, die meine Flucht verwirrt beobachteten, bemerkte ich nicht. Das Einzige, was ich bemerkte, war der Schmerz, der sich in mir ausbreitete. Noch vor einer halben Stunde hatte ich mich gefreut, mehr über meinen Onkel zu Erfahren. Ich hatte mir sogar Hoffnungen gemacht, bei ihm leben zu können. Ich kam mir so dumm vor.

Hastig wischte ich mir die Tränen aus dem Auge. Ich wusste nicht, wo bei Merlin ich war. Neben mir war eine Tür in der Wand eingelassen und ich eilte schließlich in den Raum dahinter. Erleichtert stellte ich fest, dass er leer war, und anders als ich erwartet hatte, kein Klassenzimmer war. Stattdessen stand in der Mitte ein großes Himmelbett, in das ich mich ohne großes Überlegen warf. Der Raum kam für mich wie gerufen.

Ich weinte und weinte und weinte.

Meine Augen waren schon ganz verquollen. Dann riss ich mich zusammen und die Tränen versiegten. Ich schluchzte ein letztes Mal und ermahnte mich dann in Gedanken, nicht wie ein kleines Kind hier weiter schreiend und heulend wie ein Schlosshund herumzuliegen und mich selbst zu bemitleiden. Ich rief mir den Artikel wieder ins Gedächtnis. Peter Pettigrews Mutter, die hatte Grund zu Trauern. Die Angehörigen der getöteten Muggel, die hatten Grund zu trauern. Ich ... ich hatte das nicht. Denn mein Onkel hatte diese Menschen getötet und war die Ursache dieser Trauer. Es war nicht gerecht, wenn ich mich in Selbstmitleid suhlte. Und das nur aus dem Grund, weil ich die naive Vorstellung gehabt hatte, zu meinem Onkel ziehen zu können und endliche eine richtige Familie zu haben.

Ich gab mir eine geistige Ohrfeige für mein kindisches Verhalten. Wieder fragte ich mich, warum der Hut mich nach Gryffindor gesteckt hatte. Schließlich hatte ich noch nicht einmal den Mut, mich meinen Gefühlen zu stellen oder nicht gleich davonzulaufen.

Mit beiden Händen fuhr ich mir durchs Gesicht. Noch immer waren meine Wangen feucht. Als ich mich im Zimmer umsah, entdeckte ich eine Packung Taschentücher, die einige Meter neben dem Bett auf dem Boden lagen. Außerdem war da ein Spiegel, indem ich meine verheulten, roten Augen besonders gut betrachten konnte. Die graue Iris wirkte in dem Dämmerlicht fast schwarz und schien auch sonst dunkler zu sein, als normalerweise. Doch es war mir relativ egal. Ich fühlte mich wie betäubt. Die Gefühle, die mich vorhin übermannt hatten, hatte ich jetzt gut verschlossen in die hinterste Ecke meines Herzens verbannt. Und da würden sie auch erstmal nicht herauskommen. Ich richtete mich gerade auf und hob das Kinn. Wenn ich schon nicht stark sein konnte, wollte ich wenigstens so aussehen.

Dann verließ ich das Zimmer und war zurück im normalen Leben.

Eleonora Black und der Verbotene Korridor ∥ Ⅰ ∥ AbgeschlossenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora